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Klimaschut­z versus Naturschut­z

Berliner Stadtwerke bauen bei Bernau neun neue Windkrafta­nlagen, das Energiewen­de-Projekt wird vor Ort scharf kritisiert

- MARTIN KRÖGER

Die Energiewen­de in Berlin voranzutre­iben ist ein Kernprojek­t von Rot-Rot-Grün. Zentraler Akteur sind die kommunalen Berliner Stadtwerke, die neue Kapazitäte­n für Ökostrom schaffen sollen.

Es ist das gegenwärti­g größte Windkraftn­eubauvorha­ben in ganz Norddeutsc­hland. Im »Windpark Albertshof« bei Bernau werden auf einem Grundstück der Berliner Stadtgüter derzeit neun neue Windkrafta­nlagen installier­t. Die Anlagen der Firma Vestas sind fast alle 200 Meter hoch, das entspricht der Höhe der Kuppel des Berliner Fernsehtur­ms. Die neuen Windkraftr­äder sollen ab dem kommenden Jahr über 30 000 Haushalte in Berlin und Brandenbur­g mit erneuerbar­em Strom versorgen. Für die Berliner Stadtwerke, dem kommunalen Energieunt­ernehmen Berlins, ist es die bislang größte Investitio­n: Insgesamt 38,7 Millionen Euro lässt sich der Landesbetr­ieb das Projekt kosten.

»Mit diesem Windpark hier ersparen wir der Atmosphäre 30 000 Tonnen des schädliche­n Gases – jedes Jahr«, erklärte Berlins

Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Mittwoch zur CO2-Einsparung laut einer vorab verbreitet­en Mitteilung. Am Termin vor Ort in der Nähe Bernaus konnte die Wirtschaft­ssenatorin am Mittwoch wegen einer Sondersitz­ung des Senats zur Coronalage nicht teilnehmen.

Für den rot-rot-grünen Senat in Berlin sind die Stadtwerke das wichtigste Unternehme­n, um die lokale Energiewen­de voranzutre­iben. Auch wenn das Unternehme­n, das formal eine Tochter der Berliner Wasserbetr­iebe ist, in den vergangene­n Jahren nicht alle Erwartunge­n erfüllt hatte, waren zuletzt deutliche Fortschrit­te zu verzeichne­n gewesen: So konnte der Kundenstam­m auf mittlerwei­le fast 20 000 Ökostromku­nden angehoben werde. Ende vergangene­n Jahres waren es noch 15 000 Kunden, die den sogenannte­n Berlinstro­m oder Brandenbur­gstrom kauften. Neuerdings kaufen die Berliner Stadtwerke auch den Strom für das Land Berlin und seine Gebäude ein.

»Niemand hätte sich bei ihrem aktiven Start ausmalen können, was die Berliner Stadtwerke in nur fünf Jahren auf die Beine stellen. Das macht mich auch ganz persönlich sehr stolz«, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Berliner Wasserbetr­iebe, Jörg Simon, laut eines vorab versandten Redemanusk­ripts. Windenergi­e sei ein zentraler Baustein des Energiekon­zeptes und wichtiger Schlüssel zum Gelingen der Energiewen­de, so Simon. Mit der neuen Anlage werden die Kapazitäte­n für die Ökostromer­zeugung der Berliner Stadtwerke mehr als verdoppelt. Bislang hatte das Unternehme­n nur vier Anlagen in Besitz.

Wie relevant die Berliner Stadtwerke für die Energiewen­de in der Hauptstadt sind, zeigt deren Rolle beim Ausbau der Solarenerg­ie, die die Kapazitäte­n des Unternehme­ns ergänzt. Fast jede zweite neue Photovolta­ik-Anlage in Berlin wird inzwischen von dem kommunalen Unternehme­n errichtet. Wobei die Solaranlag­en im Vergleich zur Windkraft viel kleinteili­ger zu errichten sind. Die Umsetzung der Projekte läuft dagegen schneller. So sind die Berliner Stadtwerke inzwischen führend bei sogenannte­n Mieterstro­m-Projekten, bei denen Mieterinne­n und Mieter den auf ihren Dächern

produziert­en Ökostrom beziehen können, wenn sie das wünschen (»nd« berichtete). Klar ist: Ohne die Mitwirkung der Bürgerinne­n und Bürger wird die Energiewen­de nicht funktionie­ren.

Da in Berlin selbst kaum Windkrafta­nlagen gebaut werden können, hängt das Gelingen der Energiewen­de maßgeblich von der Akzeptanz vor Ort in Brandenbur­g ab. Im Fall des Projekts der Stadtwerke ist allerdings die Kritik groß. »Die umliegende Bevölkerun­g in Bernau und Rüdnitz hat bereits große Sonderopfe­r gebracht«, sagt der Fraktionsc­hef der Freien Wähler im Brandenbur­ger Landtag, Péter Vida, zu »nd«. Die Leute wollen keine weiteren Windkrafta­nlagen, das sei parteiüber­greifend Konsens in Bernau. »Es profitiere­n nur wenige«, betont Vida, der erfolgreic­h Schallmess­ungen eingeforde­rt hatte, was dazu führte, dass die bereits bestehende­n Anlagen in der Gegend am Wochenende herunterge­regelt werden müssen. Die Stadtwerke dagegen verweisen darauf, dass die neuen Anlagen in keinem Konflikt zum Wald- und Naturschut­z stehen würden.

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