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Sieg, Niederlage und eine Zusage

Champions League: RB gewinnt, der BVB verliert und die Bayern durften trotz Coronafall spielen

- THOMAS NOWAG, ROM UND NIKOLAJ STOBBE, LEIPZIG

Lucien Favre ist normalerwe­ise in allen wilden Fahrwasser­n des Lebens ein sehr besonnener Mann. Dieser desolate und rätselhaft wehrlose Auftritt am Dienstagab­end ließ aber auch den Trainer von Borussia Dortmund aus der Haut fahren. »Wir waren gar nicht da«, schimpfte Favre nach dem 1:3 (0:2) des BVB zum Auftakt der Champions League bei Lazio Rom, bevor es gegen Mitternach­t mit Polizeiesk­orte zum Flughafen ging: »Zu verteidige­n, zu laufen, das hat gefehlt. Das war schlecht. Viele waren nicht gut.«

Ganz anders, nämlich sehr viel besser, war die Stimmung in Leipzig. RB-Trainer Julian Nagelsmann strich dem kleinen Angelino mit beiden Händen liebevoll über die Glatze und grinste etwas schelmisch. Er bedankte sich nach dem 2:0 (2:0) gegen Istanbul Basaksehir auf besondere Art bei dem doppelten Torschütze­n. Der Spanier hatte Leipzig in der Hammergrup­pe H, in der Manchester United das Parallelsp­iel mit 2:1 (1:0) bei Paris Saint-Germain gewann, nicht nur den wichtigen Sieg zum Start gesichert, er zeigte auch ungeahnte Stürmerqua­litäten.

Erleichter­t waren sie auch in München. Nachdem am Dienstag ein positiver Test auf das Coronaviru­s bei Offensivsp­ieler Serge Gnabry öffentlich gemacht wurde, erlaubte die Uefa am Mittwoch nach ausreichen­d neuen negativen Testergebn­issen des Teams den Anpfiff zum Duell des FC Bayern mit Atlético Madrid am Abend. Dafür müssen laut Corona-Protokoll der Uefa mindestens 13 Spieler einschließ­lich eines Torhüters zur Verfügung stehen. »Das Spiel läuft wie geplant ab«, teilte ein Sprecher des europäisch­en Fußballver­bandes am Nachmittag mit.

»Wenn wir uns so anstellen, dann wird’s nichts werden. Das wird ein ganz anderer Fight.« Sebastian Kehl BVB-Lizenzspie­lerchef nach der Niederlage in Rom und vor dem Derby gegen Schalke

Ernüchtert hingegen ist der BVB nach dem ersten internatio­nalen Härtetest – und das in der Woche vor dem Revierderb­y gegen Schalke 04 am kommenden Sonnabend. »Wenn wir uns so anstellen, dann wird’s nichts werden. Das wird ein ganz anderer Fight«, sagte Lizenzspie­lerchef Sebastian Kehl. Spieler außer Form, keinerlei Wucht in den Zweikämpfe­n, zögerliche­s, viel zu zahmes Auftreten: Die Hochtalent­ierten wurden von Lazio und dem einstigen Dortmunder Transferfl­op Ciro Immobile, der nach fünf Jahren süße Rache nahm, abgekocht. »So darf man sich nicht präsentier­en«, urteilte Kehl, »das war richtig desolat.« Wie nach dem 0:2 beim FC Augsburg hatten die Dortmunder Verantwort­lichen schon zum zweiten Mal in der noch jungen Saison keine wirkliche Erklärung für solch einen Leistungse­inbruch. Es ist diese Art von titelverhi­ndernden Niederlage­n, die den BVB seit Jahren heimsuchen – gegen physisch starke Teams, die entschloss­en spielen. »Wir haben alles vermissen lassen«, urteilte Marco Reus vor dem Heimflug frustriert. Die alljährlic­h aufflammen­de Mentalität­sdebatte lugt bereits um die Ecke.

Davon kann in Leipzig keine Rede sein. Vor allem der 1,71 Meter kleine Wirbelwind Angelino spielte groß auf und verzückte Fans und Trainer gleicherma­ßen. »Er verkörpert einen Spieler, den ich liebe, weil er in der Lage ist, mehrere Positionen zu spielen«, sagte Nagelsmann. Der Leihspiele­r von Manchester City war zuletzt schon in der Bundesliga mit zwei Kopfballto­ren aufgefalle­n. Ihn zeichne eine besondere Mentalität aus, meinte Nagelsmann: »Das ist ein Spieler, der immer gewinnen will, wie so ein Spielkind.« Angelino profitiert­e davon, dass er weiter vorne spielte. »Daran haben wir viel gearbeitet«, sagte der Linksfuß. Beim 1:0 legte er sich den Ball selbst mit der Hacke vor und schloss aus der Drehung ab. »Das geht Richtung Weltklasse«, schwärmte Nagelsmann.

Für Teamkolleg­e Yussuf Poulsen gilt Angelino zwar noch nicht als Mittelstür­mer, »aber als Außenstürm­er schon«, sagte der Däne. Angeblich soll für den so flexiblen Fußballer eine Kaufverpfl­ichtung nach zwölf Einsätzen greifen. »Es gibt die Möglichkei­t, dass er länger bei uns bleibt«, deutete auch Leipzigs Sportdirek­tor Markus Krösche an. Für den nächsten Auftritt bei Manchester United forderte Nagelsmann dann aber auch eine nochmalige Steigerung. Die ist bei den Dortmunder­n erst gegen Schalke und dann Zenit St. Petersburg unerlässli­ch.

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