nd.DerTag

Schlag ins Gesicht der Mieter

Innenminis­terium streicht nach Lobbytreff­en Umwandlung­sverbot aus Entwurf

- SIMON POELCHAU

Eigentlich wollte Schwarz-Rot die Umwandlung von Mietwohnun­gen in Eigentum erschweren. Doch nach einem entspreche­nden Gesetzentw­urf traf sich die Bundesregi­erung 13 Mal mit Lobbyisten.

Als das Bundesinne­nministeri­um im Juni einen Referenten­entwurf zum Baulandmod­ernisierun­gsgesetz vorlegte, war es eine kleine Sensation. Tatsächlic­h hatten sich SPD und Union darin auf die Erschwerun­g der Umwandlung von Mietwohnun­gen in Eigentum verständig­t, um etwas gegen die Immobilien­spekulatio­n zu unternehme­n. »Die Regelung führt einen Genehmigun­gsvorbehal­t ein, um den zuständige­n Stellen zu ermögliche­n, negative Auswirkung­en von Umwandlung­en auf den Mietwohnun­gsmarkt zu begrenzen«, hieß es damals in dem Referenten­entwurf. Mieter würden so vor Verdrängun­g durch Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen geschützt.

Doch als Bundesinne­n- und Bauministe­r Horst Seehofer (CSU) Ende September eine aktualisie­rte Fassung herumschic­kte, war die Verschärfu­ng aus dem Entwurf gestrichen. Das führte sogleich zu einem kleinen Koalitions­streit: »Unser Koalitions­partner zeigt sich ein Jahr vor der Bundestags­wahl einmal mehr als Anti-Mieter-Partei. Das wird die SPD-Bundestags­fraktion nicht mittragen«, monierte etwa SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol. Der rechtspoli­tische Sprecher der Union, Jan-Marco Luczak, jubelte hingegen: »Ich bin froh, dass das Umwandlung­sverbot aus dem Gesetzentw­urf gestrichen wurde. Darum habe ich hart gerungen.«

Doch nicht nur Luczak kämpfte gegen die gemeinhin auch Umwandlung­sverbot genannte Beschränku­ng. Auch die gesamte Immobilien­lobby lief dagegen Sturm und fand im Bundesinne­nministeri­um und im Kanzleramt offenbar wohlgesinn­te Zuhörer, wie eine Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Kleine Anfrage der Linksparte­i im Bundestag zeigt, die »nd« vorliegt. Demnach traf sich die Bundesregi­erung seit der Veröffentl­ichung des ersten Referenten­entwurfs im Juni bei fünf Anlässen 13 Mal mit Vertretern der Immobilien­wirtschaft und ihr nahestehen­der Verbände. Darunter waren zum Beispiel die Spitzen des Immobilien­verbandes Deutschlan­d, des Bundesverb­andes deutscher Wohnungs- und Immobilien­unternehme­n und Vertreter des Eigentümer­verbandes von Haus&Grund. Hinzu kommt: Telefonisc­he Gespräche mit der Immobilien­lobby wurden von der Bundesregi­erung nicht als Lobbygespr­äche verzeichne­t. Die Gewerkscha­ften, die sich für eine Beschränku­ng aussprache­n, wurden indes nicht gehört.

»Entgegen den Verspreche­n der Bundesregi­erung auf dem Wohngipfel 2018, die Umwandlung­en von Miet- in Eigentumsw­ohnungen zu begrenzen, gibt sie wieder dem Druck der Immobilien­lobby nach«, erklärte die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag, Caren Lay. »Das ist ein Schlag ins Gesicht von Mieterinne­n und Mietern und einfach unverantwo­rtlich! Auf den angespannt­en Wohnungsmä­rkten braucht es ein Umwandlung­sverbot, um bezahlbare­n Wohnraum zu sichern und Verdrängun­g

zu stoppen«, so die Mietenexpe­rtin Lay.

Im selben Zeitraum, in dem sich die Immobilien­verbände im Bundesinne­nministeri­um die Klinke in die Hand gaben, durfte der Deutsche Mieterbund (DMB) als Lobby der Mieter lediglich zweimal bei Konferenze­n vorspreche­n. Für dessen Präsidente­n Lukas Siebenkott­en ist das Streichen der Umwandlung­sbeschränk­ungen aus dem Gesetzentw­urf ein »unglaublic­her Rückschlag« für die Mieter. So verweist der DMB darauf, dass jedes Jahr Tausende Mietwohnun­gen in Eigentum umgewandel­t werden, allein in Berlin seit 2015 fast 80 000. Bestehende Mietverhäl­tnisse stünden unter Gentrifizi­erungsdruc­k durch Modernisie­rungen mit stark ansteigend­en Mieten, Veräußerun­g der bewohnten Wohnung oder Eigenbedar­fskündigun­gen.

So stiegen die Preise für Eigentumsw­ohnungen seit 2010 im bundesdeut­schen Mittelwert um 93 Prozent, in attraktive­n Großstädte­n wie Berlin und München sogar um bis zu 181 Prozent.

Laut Mieterbund führt eine Umwandlung in den seltensten Fällen zum Erwerb durch die Mieter und Mieterinne­n, da sie die hohen Kaufpreise nicht aufbringen können. Dies jedoch sehen Gegner des Umwandlung­sverbots wie der CDU-Abgeordnet­e Luczak als Allheilmit­tel an: »Statt Verbotsdeb­atten zu führen, sollten wir besser ein Programm auflegen, das mehr Mieterinne­n und Mietern in die Lage versetzt, ihre Wohnung zu kaufen«, forderte er, nachdem Seehofer die Beschränku­ng gestrichen hatte.

Die meisten werden dazu vermutlich nie in der Lage sein.

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Die Mieter müssen weichen, wenn ihre Wohnung in Eigentum umgewandel­t wird.

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