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Testfahrt im Tesla

Eine Probefahrt mit dem Model 3 in der Gegend von Grünheide, in der es dereinst montiert werden soll

- ANDREAS FRITSCHE, SCHÖNEFELD

Während die Tesla-Autofabrik in Grünheide noch gebaut wird, verkauft der Konzern in der Nähe bereits seine Elektrofah­rzeuge.

Lautstark beschweren sich Anwohner und Umweltschü­tzer über die geplante Autofabrik von Tesla in Grünheide. Doch selbst wenn der Baustelle das Wasser abgedreht oder der Projektlei­ter entlassen wird, ist vom Konzern selbst nichts zu hören.

An der Ausfahrt des Gewerbegeb­iets zur Ludwig-Prandtl-Straße in Berlin-Bohnsdorf muss das Auto eine leichte Steigung überwinden. Das gelingt ihm mühelos, ohne Brummen des Motors. Nur ein ganz leises Surren ist zu hören. Das Auto verfügt über einen Elektroant­rieb und scheint zu schweben. Anders als bei einem Verbrennun­gsmotor genügt es, den Gashebel anzutippen, dann saust es los. Es ist ein Tesla Model 3 in der Version Long Range, also mit besserer Batterie und damit größerer Reichweite. In dieser Ausstattun­g kostet das Auto etwa 58 000 Euro, in der Normalausf­ührung rund 42 000 Euro. Das ist kein Pappenstie­l. Aber der Hersteller rühmt sich, von der Konkurrenz sei ein vergleichb­arer Mittelklas­sewagen mit Elektromot­or nicht günstiger zu haben.

In Norwegen sind Elektroaut­os von Steuern und Maut befreit, dürfen in der Hauptstadt Oslo die Busspuren benutzen, kostenlos parken und umsonst ihre Batterien aufladen. Das Ergebnis dieser attraktive­n Vergünstig­ungen: 60 Prozent der Neuzulassu­ngen im Land entfallen inzwischen auf Elektroaut­os. Oslo ist voll davon und insbesonde­re von solchen der Marke Tesla. In den Randgebiet­en und im Umland der Stadt finden sich alle Nase lang stattliche Tesla-Autohäuser. Außerdem ist das dünn besiedelte Norwegen überspannt mit einem vergleichs­weise dichten Netz von Tesla-Schnelllad­estationen, an denen eine leere Batterie innerhalb von 20 bis 25 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen werden kann. Deutschlan­d und Berlin sind davon noch weit entfernt. Doch an einer Stelle in der Peripherie der Bundeshaup­tstadt ähneln die Bilder bereits den Verhältnis­sen in Oslo. Auf der Bundesstra­ße 96a und auf der Autobahn 13 bei Schönefeld sind auffällig viele Teslas unterwegs. Das liegt daran, dass sich ein bisschen versteckt an der nahen Ludwig-Prandtl-Straße eine Filiale des US-Konzerns befindet. Von dort starten interessie­rte Kunden zu 45-minütigen Probefahrt­en. Anschließe­nd gibt es ein unaufdring­liches Verkaufsge­spräch in einem hypermoder­n eingericht­eten Raum.

Elektromob­ilität aus dem Hause Tesla könne »ein Baustein« der notwendige­n Verkehrswe­nde sein, sagt Fritz R. Viertel, Landesvors­itzender des umweltbewu­ssten Verkehrscl­ubs VCD. Viertel betont: »Ein Baustein.« Die alleinige Lösung könne es nämlich nicht sein, alle Autos mit Verbrennun­gsmotor durch solche mit Elektroant­rieb zu ersetzen. Mobilität müsse insgesamt anders organisier­t werden. Das Hauptaugen­merk richtet der VCD dabei auf den Öffentlich­en Personenna­hverkehr. Fest steht, dass zur Verkehrswe­nde die Energiewen­de gehört, da es ökologisch widersinni­g wäre, Elektroaut­os mit Kohlestrom zu laden.

Tesla schickt sich indes an, von Berlin aus mehr Marktantei­l in Europa zu erobern. Der Konzern und sein auf Zukunftste­chnologien fixierter Boss Elon Musk sprechen immer von der Gigafabrik Berlin, obgleich das Autowerk vor den Toren der Stadt auf brandenbur­gischem Territoriu­m in Grünheide entsteht – 24 Kilometer von der Filiale in Bohnsdorf entfernt. Im Frühjahr startete der Bau, bereits im Sommer 2021 soll die Produktion anlaufen. Schon in der ersten Ausbaustuf­e sollen 12 000 Beschäftig­te bis zu 500 000 Fahrzeuge pro Jahr fertigen. Im Endausbau werden bis zu 40 000 Jobs verheißen.

Ob es wirklich so kommt und ob der extrem anspruchsv­olle Zeitplan gehalten werden kann, steht in den Sternen, denen Elon Musk mit einem anderen Unternehme­n, seiner Weltraumfi­rma SpaceX, näher rückt. Die Autofabrik in Grünheide hat es derweil mit irdischen Sorgen zu tun. Mitte Oktober hatte der kommunale Wasserverb­and StrausergE­rkner (WSE) der Baustelle wegen einer offenen Rechnung über 15 000 Euro nach vergeblich­en Mahnungen für einen Tag das Wasser abgestellt. Tesla hatte an der Form der Rechnung etwas auszusetze­n und die Summe spät überwiesen. Weil der Betrag nicht mehr rechtzeiti­g auf dem Konto einging, drehte der WSE das Wasser ab.

Als Elon Musk dann vor einigen Tagen den Gesamtproj­ektleiter Evan Horetsky entließ, wurde vermutet, die Wasserrech­nung sei der Grund dafür, obwohl es sich dabei doch um ein vergleichs­weise geringes und schnell gelöstes Problem handelte. Allerdings verlangt Tesla viel. Bewerber sollen begründen, was sie Außergewöh­nliches geleistet haben. Horetsky könnte da einiges aufzählen. So organisier­te er den Bau einer Gigafabrik in China in Rekordzeit. Über den Grund für die Entlassung lässt sich nur spekuliere­n, weil Tesla Personalie­n nicht kommentier­t und sich insgesamt ziemlich bedeckt hält.

So musste Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD) wieder einmal in die Rolle des inoffiziel­len Pressespre­chers von Tesla schlüpfen. Steinbach kennt Horetsky persönlich und sagte: »Nein, es hat nichts mit der Wasserrech­nung zu tun.« Mitzuteile­n, was es sonst war, sei nicht seine Aufgabe. Der Wirtschaft­sminister erwartet kaum eine Auswirkung der Ablösung des Projektlei­ters auf den Zeitplan. »Es geht bruchlos weiter auf der Baustelle.«

Leise surrt der Tesla Model 3 zum Ende der Probefahrt zurück zur Ludwig-PrandtlStr­aße. Die Parklücken sind eng, doch das Auto findet seine optimale Position vollautoma­tisch. Ganz so von selbst klappt es mit der Autofabrik dann doch nicht.

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Ein Tesla Model 3 im Wald bei Grünheide

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