nd.DerTag

EU plant Regeln für Mindestlöh­ne

-

Tarifgespr­äche werden aber favorisier­t

Brüssel. Ausreichen­d hohe Mindestlöh­ne sollen Arbeitnehm­ern in ganz Europa ein angemessen­es Auskommen sichern. Zu dem Zweck hat die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel einen Gesetzentw­urf vorgelegt. Er zielt allerdings weder auf gesetzlich­e Mindestlöh­ne in allen Mitgliedsl­ändern noch auf ein einheitlic­hes Mindestloh­nniveau.

Laut Kommission existieren in allen 27 EU-Ländern Mindestlöh­ne. In 21 Ländern sind sie gesetzlich etabliert, in sechs Ländern, so Schweden und Österreich, werden sie allein durch Tarifverha­ndlungen sichergest­ellt. Doch in der Mehrzahl der Länder sind Beschäftig­te laut Kommission von zu geringen Mindestlöh­nen betroffen, oder gibt es Lücken in der Abdeckung, oder beides. Der Gesetzentw­urf sieht daher vor, dass Länder mit gesetzlich­em Mindestloh­n bestimmte Bedingunge­n erfüllen. Hierzu gehören »klare und stabile Kriterien« für die Löhne und regelmäßig­e Anpassunge­n. In der Praxis für wirksamer als gesetzlich­e Mindestlöh­ne hält die Kommission aber das Modell Tarifverha­ndlungen. Diese will sie darum mit dem Gesetz fördern.

Simon Poelchau über Vorschläge aus Brüssel zu EU-Mindestloh­nregeln

Es war eine Kernforder­ung, mit der SPD und Linke vergangene­s Jahr in die Europawahl gingen: Ein EU-weites System für armutsfest­e Mindestlöh­ne. Das, was die EU-Kommission dazu am Mittwoch vorlegte, ist jedoch weit von den Forderunge­n der beiden Parteien entfernt.

Zwar gibt Brüssel als Ziel an, dass die Mindestlöh­ne in der Gemeinscha­ft zum Beispiel 60 Prozent des mittleren Einkommens in einem Land betragen sollten – vor allem letzteres Maß gilt gemeinhin als Schwelle für armutsfest­e Löhne. Doch soll dies eben nur ein unverbindl­iches Ziel und keine feste, einzuhalte­nde Größe an. Hungerlöhn­e wird es in der EU also weiterhin geben. Zumal gar nicht sicher ist, ob der Vorschlag aus Brüssel überhaupt durchkommt. Schließlic­h muss der EU-Rat seinen Segen dazugeben. Und Beispiele wie die Finanztran­saktionsst­euer zeigen, dass progressiv­e Vorschläge schnell von den Regierunge­n der EU-Mitglieder zerredet werden.

Dabei könnten auch die Beschäftig­ten hierzuland­e von verbindlic­hen Regeln für armutsfest­e Mindestlöh­ne profitiere­n. Denn selbst mit der vom Kabinett beschlosse­nen Erhöhung auf 10,45 Euro bleibt der Mindestloh­n unterhalb der Armutsgren­ze. Ansonsten müsste er auf weit über 12 Euro steigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany