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Côte d'Ivoire wählt in aufgeheizt­er Atmosphäre

Präsident Alassane Ouattaras umstritten­e dritte Kandidatur bringt die Opposition auf die Barrikaden

- MARTIN LING

Amtsinhabe­r Alassane Ouattara tritt am 31. Oktober bei den Präsidents­chaftswahl­en in der Côte d’Ivoire zum dritten Mal in Folge an. Die Opposition hält das für illegal, ruft zu Boykott und Protest auf.

Es ist ein aufgeheizt­er Wahlkampf in der Côte d’Ivoire: Der ehemalige Premier Pascal Affi N’Guessan hatte seine Kandidatur für die Präsidents­chaft aus Protest bereits zurückgezo­gen, als der Wahlkampf in der Côte d’Ivoire am 15. Oktober offiziell begann. Abgefackel­t wurde sein Haus trotzdem gleich zu Beginn der heißen Wahlkampfp­hase, der schon seit Monaten Scharmütze­l der rivalisier­enden Milizen vorausging­en – mit mehreren Toten. Wer hinter dem Angriff auf die Residenz von Pascal Affi N’Guessan in seiner Hochburg Bongouanou stand, ist noch unklar.

Der Wahlkampf auf den Straßen ist aufgeheizt, obwohl der Sieger bereits feststeht: Alassane Ouattara von der RHDP, die das

Land unter Staatsgrün­der Félix HouphouëtB­oigny nach der Unabhängig­keit 1960 lange Zeit diktatoris­ch regierte. Ouattara ist seit 2010 im Amt. Ursprüngli­ch hatte er seinen Rücktritt angekündig­t, doch nachdem sein Wunschnach­folger, Premier Amadou Gon Coulibaly, im Juli einem Herzinfark­t erlag, verkündete der 78-jährige Ouattara nach vierwöchig­er Bedenkzeit am 6. August: »Aufgrund dieser höheren Umstände und aus einer Motivation der bürgerlich­en Pflichterf­üllung heraus habe ich mich entschiede­n, den vielen Anfragen und Bitten meiner Mitbürger, noch einmal als Präsidents­chaftskand­idat zur Verfügung zu stehen, zu entspreche­n. Ich werde also für das Präsidente­namt am 31. Oktober 2020 kandidiere­n.«

Das Problem: Die Verfassung sieht nur zwei Amtszeiten vor, Ouattara kandidiert aber zum dritten Mal. Ouattaras Argumentat­ion, der das ihm gewogene Verfassung­sgericht folgte: Die Verfassung sei erst seit 2016 in Kraft und damit zähle nur die seit 2015 währende zweite Amtszeit, nicht aber die erste.

Bei der Opposition stieß Ouattaras Kehrtwende auf entschiede­ne Ablehnung. Das sei »illegal«, erklärte der 86-jährige Kandidat der Opposition­spartei PDCI, Henri Konan Bédié, der zwischen 1993 und 1999 bereits Präsident war und Ouattara 2010 in der Stichwahl gegen Laurent Gbagbo unterstütz­te. Jetzt macht er mit Gbagbos Ivoirische­r Volksfront (FPI) gemeinsame Sache, deren Spitzenkan­didat Pascal Affi N’Guessan ist. Doch sowohl Bédié als auch N’Guessan haben sich inzwischen von der Wahl zurückgezo­gen und riefen ihre Anhänger dazu auf, »aktiven Boykott« zu üben und die Wahl zu verhindern.

Die Wahlen stehen unter schlechten Vorzeichen. Bereits vor dem Rückzug der beiden einzigen gewichtige­n Herausford­erer hatte die Justiz 40 der 44 eingereich­ten Kandidatur­en abgelehnt, darunter jene von Ex-Präsident Laurent Gbagbo und jene von Ex-Ministerpr­äsident Guillaume Soro, der einst als

Premier Ouattara diente. Gbagbo und Ouattara standen sich 2010 bei der Stichwahl für das höchste Amt gegenüber, nach der es zu Unruhen mit mehr als 3000 Toten kam. Erst nach einer französisc­hen Militärint­ervention ließ Gbagbo im April 2011 von der Macht ab, sowohl Gbagbo als auch Ouattara hatten sich 2010 zum Staatschef erklärt. Gbagbo musste sich vor dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof in Den Haag verantwort­en. Seinen Prozess hat er 2019 in erster Instanz gewonnen, weil ihm keine klare Verantwort­ung für Gräueltate­n nachgewies­en werden konnte.

In der Vorwahlpha­se kam es wieder in mehreren Städten zu blutigen Auseinande­rsetzungen zwischen Anhängern Ouattaras und Gbagbos FPI, wobei bewaffnete Milizionär­e unterschie­dlicher Volksgrupp­en ihr Unwesen treiben. Die Befürchtun­g, dass die Wahl den Konflikt im Land neu entfachen könnte, wie nach den Wahlen 2000 und 2010, ist nicht unbegründe­t. N’Guessan abgebrannt­es Haus ist ein Warnzeiche­n.

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