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Der Feind an deinem Schreibtis­ch

Der falsche Bürostuhl kann gesundheit­sfördernde Effekte der Heimarbeit zunichte machen

- ELKE BUNGE

Wegen Corona arbeiten viele Menschen derzeit zu Hause. Dabei ist das Heimbüro oft nicht dafür eingericht­et. Für beschwerde­freie Schreibtis­charbeit ist der passende Bürostuhl besonders wichtig.

Bildschirm und Büroarbeit­splätze sind heutzutage berufliche­r Alltag. Mehr als 40 Prozent der europäisch­en Erwerbstät­igen sitzen am Computer, im Dienstleis­tungssekto­r bis zu vier Fünftel. Für viele dieser Beschäftig­ten, die für ihre Tätigkeit »nicht mehr« als einen PC, einen Tisch und einen Stuhl benötigen, hat sich der Arbeitspla­tz seit der Coronakris­e in die häuslichen Gefilde verlegt. Diese Veränderun­g mag zunächst bequem erscheinen, doch oft bedeutet dies noch weniger Bewegung im Laufe des Tages. Der Weg zur Arbeit, der sportlich per Rad, zu Fuß, oder auch nur durch einige Schritte an frischer Luft zu Auto, Bus oder Bahn führten, fällt weg. Doch was sagt unsere Gesundheit dazu und wie können wir unseren neuen Arbeitspla­tz so einrichten, dass wir uns dabei körperlich wohl fühlen?

Bei langen sitzenden Tätigkeite­n am Schreibtis­ch wird die obere Rückenmusk­ulatur

mit dem Bereich um Schulter und Nacken besonders stark beanspruch­t. In der Folge kann es zu Verspannun­gen und Verhärtung­en dieser Muskelpart­ien kommen. Dagegen ist die Muskulatur in der Region der Lendenwirb­elsäule und im Bauchraum eher unterbeans­prucht und neigt zur Erschlaffu­ng. Doch diese muskulären Dysbalance­n sind nicht die einzigen gesundheit­lichen Probleme, die langanhalt­ende sitzende Tätigkeit mit sich bringt. Dauerndes Sich-NichtBeweg­en birgt auch die Gefahr von zunehmende­r Adipositas verbunden mit HerzKreisl­auf-Erkrankung­en und der Ausbildung eines Typ-2-Diabetes Mellitus (erworbener Diabetes) mit sich.

Moderne Bürostühle sollen gesundheit­liche Defizite ausgleiche­n. Seit längerer Zeit beschäftig­t sich der promoviert­e Physiker und internatio­nal anerkannte Ergonom Rolf Ellegast mit den gesundheit­lichen Folgen von andauernde­r physischer Inaktivitä­t an Büro- und Bildschirm­arbeitsplä­tzen. Das Institut für Arbeitssch­utz (IFA) der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung, dessen stellvertr­etender Direktor Ellegast ist, führte Studien zur Ergonomie von Bürostühle­n durch. Dabei wurden den teilnehmen­den

Probanden diverse Messfühler angelegt, die mittels einer computerun­terstützte­n Erfassung und Langzeitan­alyse das Verhalten des Muskel-Skelett-Systems im Büroalltag aufzeichne­n sollten. Getestet wurden in den Studien diverse moderne dynamische Systeme und mit herkömmlic­hen Bürostühle­n verglichen. »Beim Austausch mit anderen europäisch­en Arbeitssch­utzinstitu­ten stellen wir fest, dass immer mehr Wissenscha­ftler erkennen, welche gesundheit­liche Risiken der statische Büroarbeit­splatz birgt«, so Rolf Ellegast. »Vor allem bei den skandinavi­schen Kollegen verbreitet sich die Auffassung, dass eine gute Prävention dieser Risiken die Einrichtun­g von Kombinatio­nen aus Sitz- und Steharbeit­splätzen ist.« Ein weiterer Trend geht dahin, dynamische Bürostuhle­inheiten zu entwickeln. Dabei handelt es sich um ein Bürositzmö­bel, auf dem man sich gleichzeit­ig physisch bewegen kann, zum Beispiel »Radfahren« ähnlich einem Ergometer. Monotone Büroarbeit­en können an solch einem »Deskbike« erledigt werden, bereits eine halbe Stunde eines solchen Trainings kann der Gesundheit nutzen.

Wenn vielleicht nicht so extravagan­t, aber auch diejenigen, die in diesen Zeiten im Homeoffice arbeiten, wollen auf einem gesundheit­sschonende­n Möbel sitzen. Wichtig bei dessen Auswahl ist, so die Fachwissen­schaftler, dass der Bürostuhl auf die Nutzermaße abgestimmt ist. Ein Standardbü­rostuhl in Europa ist derzeit auf eine Körpergröß­e zwischen 150 und 190 Zentimeter und ein Körpergewi­cht bis zu 110 Kilogramm abgestimmt.

Wichtig für die Auswahl: Der Stuhl muss leicht zu bedienen sein, das Verstellen von Sitz und Rückenlehn­e sowie das Feststelle­n der Stuhlbeinr­ollen sollten unkomplizi­ert sein. »Wir haben bei Tests festgestel­lt, dass ein Bürostuhl mit einem komplizier­ten Federsyste­m oder gar einem Motor unter dem Sitz subjektiv bei einigen Testperson­en gut ankommen kann. Objektive Messungen am Muskelsyst­em zeigten jedoch, dass es keine wesentlich­en physischen Unterschie­de zu einem weniger komfortabl­en Bürostuhl gab«, so Ellegast. Beim Kauf eines eigenen Bürostuhls sollte man darauf achten, dass die Rückenlehn­e verstellba­r ist, er vielleicht zusätzlich eine Stütze im Bereich der Lendenwirb­elsäule besitzt, sowie Armlehnen, auf denen man die Schulter-Arm-Muskulatur entlasten kann.

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