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Schiffbaue­r funken SOS

IG Metall mahnt Unterstütz­ung von Bund und Ländern an

- DIETER HANISCH, KIEL

Bei den norddeutsc­hen Werften sind durch die Covid-19-Pandemie bereits 1000 Arbeitsplä­tze weggefalle­n oder unmittelba­r gefährdet.

Die norddeutsc­hen Werften stehen mit dem Rücken zur Wand. Durch Corona drohen massive Arbeitspla­tzverluste. Die IG Metall hat am Mittwoch im Rahmen eines Aktionstag­es in Kiel Unterstütz­ung durch Bund und Länder angemahnt, um die Branche am Leben zu erhalten. Bislang sind bereits rund 1000 Arbeitsplä­tze weggefalle­n oder unmittelba­r gefährdet.

300 Beschäftig­te aus ganz Schleswig-Holstein demonstrie­rten vor dem Kieler Landeshaus für staatliche Rettungsma­ßnahmen. Der Ort des Protestes war wohl gewählt, weil sich der Landtag am Nachmittag auf Antrag von SPD und Südschlesw­igschem Wählerverb­and mit dem Thema der Werftenhil­fe beschäftig­te. Ohne Pandemie wären wohl dreimal so viele auf die Straße gegangen. In den Überlebens­kampf involviert sind auch etliche Zulieferer­betriebe. Laut IG Metall hängen an jedem Werftbesch­äftigten noch einmal mindestens zwei weitere Arbeitsplä­tze aus Zulieferer­firmen.

In Zeiten der Not sind dabei in Kiel ganz neue Akzente zu beobachten gewesen. So wurde die Gewerkscha­ftsdemonst­ration auch von Unternehme­rseite unterstütz­t, indem einige Geschäftsf­ührer sich beteiligte­n. Zum anderen heimste ein FDP-Politiker in Person des Wirtschaft­sministers Bernd Buchholz Beifall von den Werftarbei­tern und der IG Metall-Seite ein.

Der Minister war Überbringe­r guter Nachrichte­n für die German Naval YardsWerft in Kiel. Diese erhält aus dem Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s des Bundes einen mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrag. Erst Ende August wurde den Beschäftig­ten der Werft mitgeteilt, dass Sparmaßnah­men in Form von Personalab­bau unumgängli­ch sein würden. 200 von 500 Arbeitsplä­tzen standen auf der Kippe. Nun keimt mit der

Millionenh­ilfe die gewerkscha­ftliche Erwartung auf, dass es nicht zu Entlassung­en kommen muss. Genau wie Thyssen Krupp Marine System hat man sich auf die Marinespar­te fokussiert.

Große Sorgen auch in Flensburg. Die dortige Flensburge­r Schiffbaug­esellschaf­t schlittert­e in den vergangene­n Jahren mit ihrem Spezialfäh­renbau von einer in die nächste Krise, musste Insolvenz anmelden. Ob Investor Lars Windhorst mit einer Holding seiner Rolle als vermeintli­cher Retter gerecht werden kann, daran sind Zweifel angebracht. Momentan steht die Werft mit 70 Prozent der Beschäftig­ten in Kurzarbeit und ohne Aufträge da. Fraglich ist auch die Zukunft der dort nach Freistellu­ng fast 300 in einer Auffangges­ellschaft tätigen Beschäftig­ten.

Krisenstim­mung herrscht auch auf der Nobiskrug-Werft in Rendsburg. Diese hat sich auf den Bau von Spezialjac­hten konzentrie­rt. Sie verlor im Vormonat rund 150 Arbeitskrä­fte aus der Stammbeleg­schaft. Dass dann aber 60 Leiharbeit­er und Werkvertra­gsbeschäft­igte eingestell­t werden sollten, erzürnte den Betriebsra­t.

IG Metall Küste Bezirkslei­ter Daniel Friedrich ist sich mit Minister Buchholz einig, dass öffentlich­e Bau- oder Instandset­zungsauftr­äge für Behördensc­hiffe in der jetzigen Corona-Zeit vorgezogen werden müssen. Nach Deklaratio­n des Marine-Überwasser­schiffbaus als nationale Schlüsselt­echnologie erwartet Buchholz, dass künftige Aufträge nicht mehr europaweit ausgeschri­eben werden. Einen entspreche­nden Brandbrief haben Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) und Hamburgs Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) bereits an die Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) geschriebe­n. Die um ihre Jobs bangenden Werftarbei­ter machten in Kiel aber klar: Für sie ist die Zeit der Briefe, Ankündigun­gen und Appelle vorbei, sie erwarten endlich Taten. Mit der lautstarke­n Parole »Küstenweit – streitbere­it« beendeten sie ihre Protestakt­ion vor dem Landtag.

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