Briefe an die Redaktion
30 Jahren Deutsche Einheit, das Recht auf Gesundheit und Solidarität mit Streikenden
Der Friedenswille wird sich durchsetzen
Zu »Die 30 Jahre nach den 40«, »nd.Die Woche« 2./3.10
Das Magazin der Bundesregierung Nr. 2/2020 zum Thema »30 Jahre Deutsche Einheit« beinhaltet Ausführungen, die der Politik der früheren BRD lobpreisend zustimmen – aber eben einseitig sind. Als nun schon 100-jähriger Zeitzeuge muss ich gestehen: Ich habe die sogenannte Wende anders erlebt.
Das Potsdamer Abkommen zur politischen und geografischen Neuordnung Deutschlands war die Voraussetzung, im Osten erstmalig eine Volksdemokratie mit einer sozialistischen Regierung aufzubauen. Während in der BRD die politische Intelligenz aus vergangener Zeit sofort die Zügel des Kapitalismus übernahm und dabei von der US-Besatzungsmacht aus deren kriegsschadenfreien Überschüssen wirtschaftliche und lebensnotwendige Unterstützung erhielt, blieb das »Volk im Osten« mit weit höheren Kriegsschäden fast alleingelassen, hatte aber »die Güte«, Milliarden an Reparationskosten für ganz Deutschland zu begleichen. Selbst Kurt Biedenkopf, der erste Ministerpräsident des nach der Wende gegründeten Freistaates Sachsen, stellte fest, dass die kleine DDR das eigentliche Wirtschaftswunderland gewesen ist und aus einer schlechten Ausgangssituation heraus gute und beachtenswerte Ergebnisse geschaffen hat.
Dass der Beginn eines neuen Lebens nach dem Krieg derart unterschiedlich war, wird in der heutigen Geschichtsbetrachtung meist unterschlagen. Zu Ehren des Feiertags der Deutschen Einheit sollten sich die Verantwortlichen auf allen
Gebieten endlich verpflichten, das Vormund-Gehabe gegenüber dem Osten einzustellen.
Hermann Thomas, Wilsdruff
Nun ignoriert das »nd« in der Ausgabe zum 3. Oktober ebenfalls das 41. Jahr meines ehemaligen Staates. Gerade im 41. Jahr der DDR hieß es »Neuer Wein in alten Flaschen« oder »100 –20 = 99,8 Prozent«, »Eure Politik war und ist zum Davonlaufen« (ich und alle: »Wir bleiben hier!«), »Vorwärts zu neuen Rücktritten« oder »Egon, wann beginnt die Wende, oder sind wir schon am Ende?« – Losungen, getragen zum Beispiel während der Demo am 4. November 1989 in Berlin. Hat es den Zentralen Runden Tisch mit seiner Arbeitsgruppe »Neue Verfassung der DDR« gar nicht gegeben? Das war doch bereits im 41. Jahr der DDR!
Dr. Klaus Emmerich, Edertal-Mehlen
Zu »neues Denkmal für Einheit angeregt«, 5.10., S. 1
Von der Treuhand ausgeplündert, in die Arbeitslosigkeit geschickt und auf Arbeitsämtern gedemütigt, das war das Schicksal vieler DDR-Bürger, die sich noch heute als Bürger zweiter Klasse sehen. Aber, so sagt man, sie haben sich selbst »befreit« und ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen! Dafür bauen wir den mutigen Ossis ein Denkmal der »friedlichen Revolution«, und sie sollen sich freuen und dankbar sein.
Nein, auch ein weiteres Denkmal bringt uns nicht weiter. Was es nach 30 Jahren (!) braucht, ist die Gleichheit der Verhältnisse in Ost und West, Augenhöhe, gleiche Löhne und Renten, Anerkennung der Lebensleistungen sowie der Biografien
der Bürger im Osten Deutschlands. Alles andere ist pure Heuchelei!
Horst Hahn, Rowa
Zu »Wieso der 3. Oktober?«, 2./3.10., S. 28; online: dasND.de/1142570
Wenn dieser Tag der Wiedervereinigung – im Hintergrund warteten schon die Geier, also fast eine feindliche Übernahme, mit den bekannten Folgen für Ost und West – trotzdem zu Recht gefeiert wird, dann sollte auch am 23. Mai des Beginns der deutschen Teilung gedacht werden, denn da wurde die Spaltung Deutschlands durch die Gründung der BRD initiiert. Auch am 7. Oktober, DDR-Gründung als politische Antwort, sollte der vorerst endgültig scheinenden Konsolidierung der Teilung gedacht werden. Von Feiern kann aber in beiden Fällen keine Rede sein. Will heute keiner mehr so recht hören.
Trotzdem gut, dass es seit 30 Jahren wieder ein (seit Mitte 1945 kleineres) Deutschland gibt, eingebunden in die EU. Hoffentlich begreifen das die Ewiggestrigen, aber auch ganz »normale« Politiker, denn nach einem weiteren Desaster im jämmerlichen Machtspiel könnte es völlig von der Landkarte verschwunden sein. Aber da bin ich Optimist: Der Friedenswille wird sich durchsetzen. Und nur Zusammenarbeit, nicht hochnäsige Bevormundung/Missionierung/Sanktionierung, sollte die Diplomatie bestimmen. Peter Krisch, Berlin
Gelebte Gleichberechtigung
Zu »Ich bin Ingenieur«, 2./3.10., S.22; dasND.de/1142566
Ich kenne keine Frau, die sich in der DDR diskriminiert fühlte, wenn von Arbeitern,