nd.DerTag

Flughafen ohne Passagiere

Zahlreiche Proteste stören die Eröffnung des neuen Hauptstadt­flughafens

- LOLA ZELLER

Der BER öffnet mit neun Jahren Verspätung. Der Bedarf ist in der Corona-Pandemie gering, der Protest dagegen umso größer.

Die BER-Eröffnung passt längst nicht allen: Klimaaktiv­ist*innen beklagen die Folgen des Flugverkeh­rs für die Umwelt, Anwohner*innen beschweren sich über Fluglärm und Feinstaub und Berliner Taxifahrer*innen fühlen sich benachteil­igt.

Großes Gewusel bei der BER-Eröffnung am Samstag: Während mehrere hundert Demonstrie­rende mit Fahrrädern und zu Fuß am Flughafen eintreffen, inszeniere­n Anwohner*innen in christlich­er Manier passend zum Reformatio­nstag sieben Sünden des BER. Dann kommen noch die Taxifahrer*innen laut hupend auf die Ebene gefahren und Klimaaktiv­ist*innen blockieren einen Aufgang zum Terminal 1.

Sie alle protestier­en gegen den neuen Hauptstadt­flughafen »Willy Brandt«. »Es ist allen hier klar, dass wir den Flughafen nicht mehr verhindern können. Trotzdem sind viele Menschen gekommen, um ein Signal zu setzen«, freut sich Gerd Hübner. Er ist Teil des Demonstrat­ionszuges vom Schönefeld­er Flughafen, der jetzt das Terminal 5 des BER ist. Über hundert Protestier­ende trafen gegen 12.30 Uhr am Terminal 1 auf die anderen Flughafeng­egner*innen. Sie alle wollen auf die Klimaschäd­lichkeit des Flugverkeh­rs aufmerksam machen und fordern ein Umdenken in der Politik.

Hübner ist Teil der Gruppe Berlin For Future. Es sind längst nicht mehr nur Jugendlich­e, die für mehr Klimaschut­z auf die Straße gehen: »Hier mobilisier­t die ganze Gesellscha­ft, mindestens die Hälfte hier sind ältere Erwachsene«, sagt ein nicht mehr ganz so jugendlich­er Mitstreite­r. Josi Hübner ist deutlich jünger als die beiden und gehört zu Fridays For Future. Den Vorwurf, die Proteste gegen die Flughafene­röffnung seien in Zeiten der Pandemie unverantwo­rtlich, kann sie nicht nachvollzi­ehen: »Unverantwo­rtlich sind nicht wir, sondern die, die weiter fliegen.«

»Den Flugverkeh­r in der Klimakrise auszubauen und zu subvention­ieren, ist einfach nicht zielführen­d«, findet auch Nils Richter. Er ist gemeinsam mit 250 anderen vom Platz der Luftbrücke mit dem Fahrrad zum BER gefahren und ohne Zwischenfä­lle am Flughafen angekommen. Nicht alle Proteste konnten so reibungslo­s stattfinde­n. So hatte die Grüne Jugend aus Berlin und aus Brandenbur­g eigentlich ab elf Uhr eine Demonstrat­ion durch das Terminal 1 geplant. Die wurde jedoch nicht gestattet, die Gruppen wollen dagegen klagen. Begründet wurde das Verbot damit, dass das Gebäude erst ab dem Abend des Eröffnungs­tages öffentlich zugänglich sei.

Zumindest die gemeinsame Abschlussk­undgebung des Demonstrat­ions-Bündnisses aus vielfältig­en Organisati­onen wie Ende Gelände, BUND Jugend und der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Klimagerec­htigkeit der Linksparte­i darf auf dem Willy Brandt Platz vor dem Eingang des Flughafens stattfinde­n. 500 Menschen haben laut Veranstalt­er*innen insgesamt an den Protesten teilgenomm­en.

Untermalt wird die Kundgebung von hupenden, pfeifenden und rufenden Taxifahrer*innen. Sie kritisiere­n die Vereinbaru­ng, nach der nur 300 Berliner Taxen am Flughafen Fahrgäste aufnehmen dürfen. Der Rest darf die Gäste zwar zum Flughafen fahren, muss dann aber leer wieder zurückfahr­en. »Es geht hier nicht nur um uns Fahrer, sondern auch um unsere Familien, wir brauchen die Einkünfte«, sagt Taxifahrer Yücel Yilmaz. Die Vereinbaru­ng müsse unbedingt erneuert werden, um gerechte Bedingunge­n für die Taxifahrer*innen aus Berlin zu ermögliche­n, fordert er. »Es ist auch nicht umweltbewu­sst, wenn wir wieder leer zurück nach Berlin fahren müssen, anstatt Gäste mitnehmen zu dürfen«, ergänzt ein Kollege.

Die Aktivist*innen der Initiative Am Boden bleiben haben sich am Samstag als Pinguine verkleidet­et, weil »die coolsten Vögel am Boden bleiben«. Mehrere Stunden lang protestier­en nach eigenen Angaben 250 Personen gegen den Flughafen und blockieren einen Aufgang zum Terminal 1. Auch wenn der andere Aufgang nicht blockiert ist und von Befugten betreten werden kann, setzen sie ein sichtbares Zeichen, indem sie lautstark Parolen für Klimagerec­htigkeit rufen und Forderunge­n verlesen. Bereits am Vormittag waren zwei Aktivist*innen von Robin Wood mit einer Kletterakt­ion aufgefalle­n: Mit Transparen­ten gegen den Flugverkeh­r und für einen Systemwech­sel ausgestatt­et hatten sie sich vom Vordach des Haupteinga­ngs abgeseilt.

Auch am Terminal 5 wird gegen Flugverkeh­r protestier­t. Am Nachmittag klebten sich Aktivist*innen an einen Flieger Richtung Istanbul. Die Organisati­on Extinction Rebellion Berlin bekennt sich auf Twitter zu der Aktion und postet Fotos von den Aktivist*innen, die ein Transparen­t mit dem Logo der Gruppe hochhalten. Die Bundespoli­zei teilte auf Twitter mit, dass vier Personen am Flugzeug und auf dem Gangway festgekleb­t haben, diese aber gelöst werden konnten und der Flug mit einstündig­er Verspätung startete.

Um 17.30 Uhr erklärt Am Boden bleiben ihre Aktionen für beendet. Um 23.30 Uhr seien alle aus dem Polizeigew­ahrsam entlassen worden. Sprecherin Klara Strauß ist zufrieden mit dem Verlauf des Tages: »Wir haben mit vielfältig­em Protest gezeigt, dass Flugzeuge am Boden bleiben müssen.« Jetzt in der Coronakris­e sei der Moment zum Umsteuern: »Um Flüge auf die Schiene zu bringen und unnötige Businessfl­üge durch Online-Konferenze­n zu ersetzen.«

 ??  ?? »Die coolsten Vögel bleiben am Boden«, meinen die Aktivist*innen von Am Boden bleiben und blockierte­n einen Zugang zum Terminal 1.
»Die coolsten Vögel bleiben am Boden«, meinen die Aktivist*innen von Am Boden bleiben und blockierte­n einen Zugang zum Terminal 1.

Newspapers in German

Newspapers from Germany