nd.DerTag

Außen rot, innen Fichte-Natur

Von X-Säulen, Klinken und Röhren: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat in Berlin ihr erstes eigenes Haus

- CHRISTOF MEUELER

Von X-Säulen, Klinken und Röhren: Die Rosa-LuxemburgS­tiftung hat in Berlin ihr erstes eigenes Haus – ein Rundgang.

Am Mittwoch eröffnete die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Berlin-Friedrichs­hain ihr neues Gebäude. Es liegt gegenüber vom Ostbahnhof in der Straße der Pariser Kommune 8a. Es hat eine rote Fassade und 599 Fenster. Sie sind ebenfalls außen rot (mit rotem Aluminiump­ulver beschichte­t), innen sind sie Fichte-Natur, erläuterte Axel Krumrey, der Baukoordin­ator der Stiftung, bei einem Rundgang. Die vielen Fenster machen das Haus innen sehr hell.

Rosa Luxemburg wollte so schreiben, dass sie »wie ein Blitz auf die Menschen zu wirken«, formuliert­e sie 1899. Das RLS-Haus wirkt nicht wie ein Blitz, sondern wie ein moderner Funktionsb­au mit acht Stockwerke­n. Trotzdem macht es auf sich aufmerksam: Es hat 18 Stützen in Form des Buchstaben »X«, die vor den Fenstern der Bibliothek im ersten Stock zu sehen sind. Das X bietet sich an, bei der Namensgebe­rin, logisch. Wer hat schon einen Namen mit »X«? Kann man sich aber auch als Gebäude gut merken, denn wer hat schon ein Haus mit X-Stützen? Sie sind mit Drahtseile­n verspannt und verbinden das Erdgeschos­s, in dem Veranstalt­ungen mit bis zu 300 Besuchern stattfinde­n können , mit den Büroräumen, die im zweiten Stock beginnen. Gewisserma­ßen verknüpfen sie die »Basis mit dem Überbau«, sagte Dagmar Enkelmann, die Vorstandsv­orsitzende der Stiftung, zur Eröffnung. Man könnte auch sagen, sie stünden dafür, »dass wir uns kein X für ein U vormachen lassen«. Die X-Stützen waren eine Idee der Architekte­n Max Julius Nalleweg, Kyung-Ae Kim und Trujillo Moya und laut Enkelmann auch ein Argument, dass sie die Ausschreib­ung für dieses Haus gewannen.

Wäre es nach den Gewinnern des Kalten Krieges gegangen, dann wäre die RLS aus dem politische­n Leben ausgeixt worden, samt der Partei, der sie nahe stand: der PDS, der Vorläufero­rganisatio­n der Linksparte­i. Denn wer aus dem Osten war, sollte sich ganz hinten anstellen, lautete die Parole in Westdeutsc­hland, nachdem es sich Ostdeutsch­land völlig humorlos einverleib­t hatte. Insofern ist es auch ein sehr später Triumph, dass die RLS dieses Haus jetzt in der Hauptstadt eröffnet. Es ist ihr erstes eigenes überhaupt – 30 Jahre nach ihrer Gründung als Verein. Erst 2003 wurde sie den anderen Stiftungen der im Bundestag vertretene­n Parteien gleichgest­ellt und bekam Mittel aus dem Bundesetat. 2014 gab es dann endlich einen Bundestags­beschluss, dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung sich ein Haus bauen soll.

Es zu errichten kostete 24,7 Millionen Euro, geplant waren 20,4 Millionen, aber diese Preissteig­erung sei normal für das Berliner Baugeschäf­t, sagte Daniela Trochowski, Geschäftsf­ührerin der Stiftung. Für sie ist das RLS-Haus »ein Counterpar­t zu den anderen Gebäuden in der Nachbarsch­aft«, die Stiftung sei das einzige nichtkomme­rzielle Unternehme­n vor Ort. Am Tag der Eröffnung wurde ein 18 Meter langes Banner an der Fassade herunterge­lassen, mit der Aufschrift »Keine WARE STADT«.

Das Haus befindet sich auf dem Areal des früheren Postbahnho­fs. Da, wo es jetzt steht, war früher ein Zweckbau aus den 60er Jahren, der Postzeitun­gsvertrieb Ostberlins. Ende der 90er Jahre eröffnete darin »Maria am Ostbahnhof«, damals der beste Club der Stadt für alle Arten von Independen­t- und Untergrund­musik. Heute wollen ein paar Mitarbeite­r der RLS auf dem Dach Bienenvölk­er züchten. Weil der Ist-Zustand von 2014 zählt, ist das fertige Haus zu klein für alle Mitarbeite­r geraten. 2014 waren es 150, die auch im neuen Haus Platz finden, doch seitdem sind weitere 100 hinzugekom­men. Deshalb bleiben die internatio­nalen Abteilunge­n der RLS weiterhin im FMP1, dem nd-Gebäude, wo die Stiftung bislang untergebra­cht war. Entfernung zu Fuß: fünf Minuten.

Die Pressekonf­erenz zur Eröffnung fand in der Bibliothek statt, in der künftig auch kleinere Lesungen und Seminare veranstalt­et werden sollen. Sieht ganz gemütlich aus, nicht so kühl und ikea-funktional wie zum Beispiel das »Grüne Gedächtnis«, die Bibliothek des Archivs der grünen-nahen HeinrichBö­ll-Stiftung, die sich in Berlin-Prenzlauer­Berg befindet. Am Mittwoch waren die Regale noch recht leer. Bücher von Leo Trotzki und Gustav Landauer waren schon da – von insgesamt 30 000 Medieneinh­eiten, darunter 1500 Zeitschrif­ten und mehrere Archive und Nachlässe.

Auf symbolisch­e Weise sei das Haus mit anderen politische­n Bewegungen und Institutio­nen verbunden, erklärte Dagmar Enkelmann und zwar durch den Austausch von Türklinken: 40 Klinken aus aller Welt seien im Haus zu finden, getauscht beispielsw­eise mit der Bewegung der Landlosen in Sao Paulo, mit den Linken in Montevideo oder mit der Gedenkstät­te Liliesleaf in Johannesbu­rg, wo sich Anfang der 60er Jahre die Führung des ANC versteckte. »Diese Klinke hat sehr wahrschein­lich Nelson Mandela in der Hand gehabt« versichert­e Enkelmann, holte eine Klinke aus einer Schachtel und hielt sie hoch. Es gibt übrigens auch eine aus der Thüringer Staatskanz­lei.

Weil der Bundestag den Bau beschlosse­n hat, gelten architekto­nische Richtlinie­n wie für eine Bundesbehö­rde. So sei es vorgeschri­eben, dass die Spitze des Hauses in der obersten Etage sitzen soll, sagte Baukoordin­ator Krumrey. Trochowski wies darauf hin, dass das Gebäude nach dem »Bewertungs­system Nachhaltig­es Bauen« errichtet worden sei, angestrebt werde »eine Bewertung in Silber«, mehr sei bei einem solchen Neubau kaum möglich. Krumrey bemerkte, dass er dabei neue Wörter gelernt hätte, zum Beispiel »BKA«. Das meint »Betonkerna­ktivierung«, die thermische Regulierun­g durch Gebäudemas­sen. Im RLS-Haus stecken Lüftung und Heizung in der Decke, durch die 26 Grad heißes Wasser strömt. Falls es doch noch so etwas wie Winter geben sollte, dann gibt es an der Außenwand Rinnen für Schmelzwas­ser und auch eine Heizung, damit die Rinnen nicht zufrieren.

Doch die meiste Zeit des Jahres kann man bestimmt auf eine der zwei großen Terrassen an den Längsseite­n der Bibliothek gehen. Man könnte da Empfänge geben oder Partys feiern, so groß sind sie. Die Musik müsste nur laut genug aufgedreht werden, denn draußen sind die Züge des Ostbahnhof­s unüberhörb­ar, dessen Viadukt auf der Höhe des ersten Stocks liegt. Drinnen sind sie nicht zu bemerken – mit 74 Dezibel in der Dämmung weggedimmt.

Und wenn man in den Fluren an die Decke blickt, sieht man Rohre, die nicht verkleidet wurden. Ein dezenter Hinweis auf die Arbeiterkl­asse und ihre Arbeit? Ein anderer Hauseigent­ümer als die RLS hätte sie hinter der Decke versteckt, ist sich Krumrey sicher.

Wäre es nach den Gewinnern des Kalten Krieges gegangen, dann wäre die RLS aus dem politische­n Leben ausgeixt worden, samt der Partei, der sie nahe stand: der PDS.

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Das neue RLS-Haus hat eine rote Fassade und 599 Fenster.

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