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Corona drängt zum Sparen

Geld hamstern statt Konsum – vor allem die Jungen bremsen die wirtschaft­liche Erholung

- HERMANNUS PFEIFFER

Statt ihr Geld auszugeben, legen die Menschen es lieber auf die hohe Kante. Die sinkende Binnennach­frage könnte die Auswirkung­en der Coronakris­e bald dramatisch verschärfe­n.

»Den Deutschen liegt das Sparen im Blut«, ist zumindest Sparkassen­präsident Helmut Schleweis überzeugt. Jedenfalls hinterläss­t Corona tiefe Spuren im Sparverhal­ten. Fast jeder zweite Sparer nutzt verstärkt andere Anlageform­en als vor der Krise. Wichtiger als die Rendite ist dabei offenbar die schnelle Verfügbark­eit der Ersparniss­e. Laut einer repräsenta­tiven Umfrage, die das Meinungsfo­rschungsin­stitut Kantar (früher Emnid) im Auftrag der Postbank durchführt­e, parken die Befragten ihr Geld nun vermehrt auf dem Girokonto. Auch die Sparkassen stellten anlässlich des »Weltsparta­ges« am vergangene­n Freitag fest, dass die Bundesbürg­er auf die Krise mit verstärkte­n Sparanstre­ngungen reagieren.

»Sparen ist der Wunsch der Stunde«, betonte Schleweis während einer virtuellen Pressekonf­erenz seines Deutschen Sparkassen­und Giroverban­des (DSGV) Ende vergangene­r Woche in Berlin. Viele Menschen legten im Zuge der Corona-Pandemie noch mehr Geld zur Seite, viele wollten zukünftig noch mehr sparen. Dies ergab eine repräsenta­tive Umfrage der Sparkassen, die ebenfalls vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Kantar in München durchgefüh­rt worden war.

Allerdings spart fast ein Drittel der Bürger kaum oder gar nicht, weil ihr Einkommen dafür nicht ausreicht. Es ist hauptsächl­ich das obere Einkommens­drittel der Bevölkerun­g, welches vermehrt Geld zur Seite legt. Schon im Ergebnis der »ersten Corona-Welle« war die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschlan­d explodiert und im zweiten Quartal auf eine Rekordhohe von 21,1 Prozent gestiegen – das ist doppelt so hoch wie im Durchschni­tt der vergangene­n zwei Jahrzehnte. Dabei war die deutsche Sparquote im internatio­nalen Vergleich ohnehin schon »relativ hoch«, sagte Schleweis.

Überrasche­nderweise sind es weniger die Alten als die Jungen, die nun zu Sparfüchse­n mutieren. Besonders die 14- bis 29-Jährigen, für die Corona »die erste persönlich fühlbare Krise im Leben darstellt«, passen sich an: 54 Prozent der Jüngeren verändern ihr Sparverhal­ten – unter ihnen wollen vier von fünf Befragten mehr sparen.

Sparkassen­präsident Schleweis lobt die Sparer dafür: »Sie sind vorsichtig, aber nicht ängstlich«, sie reagieren »besonnen« und wägen ihr Handeln ab. Was Schleweis dabei aus den Augen verloren hat, sind die volkswirts­chaftliche­n Auswirkung­en der exzessiven Sparneigun­g. Drei von vier Bundesbürg­ern konsumiere­n laut Postbank in der Krise weniger. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s sank der Einzelhand­elsumsatz im September bereits um 2,2 Prozent gegenüber dem August.

Die Corona-Beschränku­ngen schmerzen vor allem den Dienstleis­tungssekto­r. Der Einkaufsma­nagerindex für diesen Bereich brach im Oktober – schon vor dem Bekanntwer­den des neuen Lockdown – um weitere 1,8 Punkte auf 46,2 ein. Vor allem in den Bereichen Urlaub, Gastronomi­ebesuche und Freizeitak­tivitäten wird »gespart«. Jüngste Zahlen des europäisch­en Statistika­mtes Eurostat deuten auf ähnliche Entwicklun­gen in anderen EU-Ländern hin. Danach sank der reale Pro-Kopf-Konsum der privaten Haushalte im Euroraum so stark wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1999.

Dagegen erholte sich die Industrie bislang von ihrem Einbruch im Frühjahr. Hier half vor allem die starke Nachfrage aus China. Die Volksrepub­lik ist längst zurück auf dem

Weltmarkt und wird trotz Corona-Crash in diesem Jahr ein Wirtschaft­swachstum von etwa drei Prozent erzielen, zur Freude von Bayer, Siemens und Volkswagen. Deren Geschäfte laufen auch in den USA wieder rund. Die US-Wirtschaft erholte sich im dritten Quartal kräftig.

Doch insgesamt bereitet die exzessive Sparneigun­g der Wirtschaft zunehmend Sorgen. Solche plagen sogar Schleweis. In den ersten neun Monaten 2020 verzeichne­ten die Sparkassen sehr hohe Einlagenzu­flüsse ihrer privaten Kunden von gut 33 Milliarden Euro – rund 40 Prozent über den Zuflüssen des entspreche­nden Vorjahresz­eitraums. Das viele, viele Geld soll wieder investiert werden, so Schleweis, doch dafür fehle den Sparkassen, wie auch den Banken, einfach die Nachfrage. Ein Grund ist die spürbare Zurückhalt­ung der Wirtschaft bei neuen Krediten. Den Unternehme­n fehlt nämlich die heimische Nachfrage nach ihren Produkten, weil die potenziell­e Kundschaft lieber spart. Die Spargier der Deutschen kann so in eine verhängnis­volle Abwärtsspi­rale münden.

Besonders die 14- bis 29-Jährigen passen sich an: 54 Prozent der Jüngeren verändern ihr Sparverhal­ten – unter ihnen wollen vier von fünf Befragten mehr sparen.

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