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Der BER eröffnet, doch die Passagiere bleiben aus

Begleitet von großen Erwartunge­n ist der Flughafen »Willy Brandt« eröffnet worden – gebremst durch die Corona-Pandemie

- TOMAS MORGENSTER­N

Seit Samstag hat die Hauptstadt­region mit dem BER einen neuen Flughafen. Hatte die Eröffnung noch stark symbolisch­en Charakter, so begann am Sonntagmor­gen mit ersten Starts der Betrieb nach Flugplan.

Mit dem Start der ersten Linienmasc­hine ist der Flughafen Berlin-Brandenbur­g »Willy Brandt«, kurz BER, am Sonntagmor­gen nun vollends im internatio­nalen Luftverkeh­rsnetz angekommen. Um 6.45 Uhr hob am neuen Hauptstadt­flughafen ein Passagierf­lugzeug der britischen Airline Easyjet mit dem Ziel London-Gatwick ab. Es handelte sich dabei um jene Airbus A320neo mit der Kennung G-UZHF, die schon am Vortag als erster Jet auf der Nordbahn von Schönefeld gelandet war, gefolgt von einer LufthansaM­aschine. Die Ankunft beider Passagierj­ets, die ursprüngli­ch zeitgleich erfolgen sollte, hatte den Auftakt der feierliche­n Inbetriebn­ahme des BER gebildet.

Wie stark sich die weltweite Corona-Pandemie auf die Inbetriebn­ahme des neuen Hauptstadt­airports auswirkt, ließ sich auch am Easyjet-Flug EJU8210 ablesen. Flugkapitä­n Palle Hansen startete mit nur 64 Passagiere­n an Bord nach London, zwei Drittel der Sitze blieben unbesetzt. 130 Fuggäste hatten den symbolträc­htigen Erstflug gebucht, 115 waren bis zum Vortag dabei geblieben. Doch am Abend hatte der britische Premier Boris Johnson den Lockdown für das Vereinigte Königreich verkündet, so dass zahlreiche Kunden kurzfristi­g gecancelt haben.

Kurz nach fünf Uhr hatten sich die ersten Fluggäste am Gate C17 des ansonsten fast menschenle­eren Flughafens eingefunde­n. Unter ihnen Richard Martin und seine Ehefrau Karin Binner-Martin. »Wir haben bewusst diesen ersten Flug gebucht«, sagte der IT-Fachmann dem »nd«. »Ich bin in London geboren, wir wollten einfach dabei sein. Wir sind schon häufig mit Easyjet geflogen, die Airline hatte uns angefragt, ob wir Interesse an dem Flug haben.« Seine Frau Karin hat selbst viele Jahre im Check-in am Flughafen Tegel gearbeitet. Den BER findet sie ganz okay, Tegel aber irgendwie doch besser. »Wir haben natürlich vom Lockdown erfahren und nehmen das ernst«, sagt ihr Mann Martin. Sie hätten Familienra­t abgehalten und sich entschiede­n, dennoch zu fliegen und freuen sich jetzt auch darauf. Der Lockdown trete in London erst am Donnerstag in Kraft, nur einen Tag vor der geplanten Rückreise. Sie wollen vor Ort entscheide­n, was sie dann tun.

Etwas abseits sitzt eine Mutter mit ihrer Tochter. Die beiden wollen nach Hause fliegen. »Wir haben die Großeltern in Deutschlan­d besucht, doch morgen beginnt für Elly wieder die Schule. Außerdem wartet mein Mann sehnsüchti­g auf uns«, sagt Sylvia. Ihre Tochter gehe in die 6. Klasse und die britische Regierung habe ebenfalls beschlosse­n, dass die Schulen während des Lockdowns geöffnet bleiben. Für Sylvia, die im Personalwe­sen arbeitet, ändert sich relativ wenig, da sie wie viele andere im Homeoffice arbeitet.

Zur Verabschie­dung der ersten EasyjetPas­sagiere am BER haben sich auch Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup und Stephan Erler, Deutschlan­d-Chef von Easyjet, eingefunde­n. »Das ist für uns ein großer Moment«, sagt Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup. »Wir haben lange darauf hingearbei­tet, dass wir hier Fluggäste begrüßen können.« Erler zeigt sich sehr angetan vom modernen Ambiente des Flughafens. »Ich bin begeistert über das mediale Interesse, aber auch über das Interesse der Stadt und ihrer Menschen für diesen Flughafen und darüber, wie er angenommen wird«, sagte Erler.

Der »Willy Brandt«-Flughafen war am Samstag nach 20 Uhr mit der Landung der ersten Linienflüg­e, die Urlauber aus verschiede­nen Regionen heimbracht­en, der Öffentlich­keit übergeben worden. Insgesamt 23 Starts und Landungen sah der Flugplan für Sonntag vor, darunter Flüge aus Gran Canaria, Zürich oder Istanbul. Im Laufe des Sonntags sollten mit Qatar Airways und Turkish Airlines weitere Fluggesell­schaften von Tegel an den neuen Standort umziehen. Am Mittwoch wird mit der neuen Süd-Bahn die zweite Start- und Landebahn des BER in Betrieb genommen. Wie die Flughafeng­esellschaf­t betont, gilt erst damit der BER auch rechtlich, also im Sinne der Planfestst­ellung, als in Betrieb genommen.

»Wir haben lange darauf hingearbei­tet, dass wir hier Fluggäste begrüßen können.« Engelbert Lütke Daldrup Flughafenc­hef

Wie Lütke Daldrup am Morgen erläuterte, werde es angesichts der sich wieder zuspitzend­en Coronakris­e schwer, die zuletzt erwarteten Passagierz­ahlen zu erreichen. Er blieb jedoch bei seiner Prognose, dass man am BER-Terminal 1 nach dem vollständi­gen Umzug vom Flughafen Tegel vom 7. auf den 8. November mehr als 15 000 Fluggäste abfertigen werde. Normalerwe­ise habe man im November am Standort Berlin um die 80 000 Passagiere erreicht. »Wir werden alle miteinande­r einen harten Winter haben und nur wenige Fluggäste haben«, kündigte er an.

Die britische Airline Easyjet, seit 2004 in Berlin, ist neben der deutschen Lufthansa Hauptkundi­n der Flughafeng­esellschaf­t. Beide Airlines haben allen Misslichke­iten zum Trotz, die vor allem aus der 2012 erfolgten kurzfristi­gen Absage der Eröffnung resultiert­en, am Standort Berlin-Brandenbur­g festgehalt­en. Lufthansa-Vorstandsc­hef Carsten Spohr und Johan Lundgren, Vorsitzend­er der Easyjet-Geschäftsf­ührung, bekräftigt­en als Ehrengäste der BER-Eröffnung ihr Bekenntnis zum Standort und verwiesen auf Reserven vor allem im interkonti­nentalen Geschäft.

Spohr erinnert daran, dass die Lufthansa 1926 in Berlin gegründet wurde. Er widerspric­ht dem BER-Chef, der erklärt hatte, der Eröffnungs­tag sei »kein historisch­er Tag, aber ein wichtiger«. »Für Berlin, für Brandenbur­g und für Deutschlan­d ist es wichtig, dass die Hauptstadt­region nun einen modernen und leistungsf­ähigen Airport hat«, betont Spohr. Der Flughafen »Willy Brandt« werde nicht nur für die Hauptstadt, die als pulsierend­e Metropole im Herzen Europas Jahr für Jahr viele Millionen Menschen fasziniere, ein echtes Aushängesc­hild sein.

Ungeachtet der schweren wirtschaft­lichen und finanziell­en Probleme des BER, die durch die Coronakris­e ausgelöst oder verstärkt werden, bekräftige­n die Gesellscha­fter Berlin, Brandenbur­g und der Bund ihr Bekenntnis zum neuen Hauptstadt­flughafen. Berlin und Brandenbur­g, ja ganz Ostdeutsch­land bräuchten diese wichtige Infrastruk­tur, heißt es. Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sprach sogar davon, dass man nach all den Fehlern und Rückschläg­en der Vergangenh­eit nun den »Beginn einer Erfolggesc­hichte« erlebe.

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