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Flickentep­pich bei den Schutzmaßn­ahmen

Bildungsge­werkschaft GEW erneuert Kritik am Corona-Stufenplan für die Berliner Schulen

- RAINER RUTZ

Seit Montag greift der Corona-Stufenplan für die Schulen erstmals in vollem Umfang. Von den versproche­nen »schulschar­fen« Einstufung­en könne aber keine Rede sein, findet die Gewerkscha­ft.

Die Kritik der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) an dem Corona-Stufenplan der Senatsbild­ungsverwal­tung reißt nicht ab. Wie berichtet, hatten sich die Gesundheit­sämter und Schulaufsi­chten Ende vergangene­r Woche erstmals darauf verständig­t, ob und an welcher der 874 Berliner Schulen von diesem Montag an verstärkte Schutzmaßn­ahmen umgesetzt werden müssen. Im Ergebnis bleibt dabei für den Großteil der Schulen alles beim Alten, nämlich der zweitniedr­igsten Stufe Gelb.

»Seit Freitag kriegen wir zahlreiche Rückmeldun­gen von Kolleginne­n und Kollegen an den Schulen, die die Einstufung­en überhaupt nicht nachvollzi­ehen können«, sagt Berlins GEW-Chef Tom Erdmann zu »nd«. Auch ihm sei reichlich unklar, »auf welcher Basis die Eingruppie­rungen zustande gekommen sind«. Von den versproche­nen »schulschar­fen« Trennungen – also der individuel­len Einstufung jeder einzelnen Einrichtun­g – könne kaum die Rede sein. Für Kopfschütt­eln sorgt bei der GEW vor allem der Umstand, dass die Entscheidu­ngen der jeweiligen Gesundheit­sämter

extrem unterschie­dlich ausgefalle­n sind und sich »nur bedingt« mit dem bezirklich­en Infektions­geschehen decken würden.

Tatsächlic­h wurden etwa in Reinickend­orf pauschal für alle Schulen des Bezirks verstärkte Schutzmaßn­ahmen angeordnet, während in Neukölln bei größerem Infektions­geschehen nur für vier weiterführ­ende Schulen eine erhöhte Warnstufe gilt – und in den meisten Bezirken zumindest bei den allgemeinb­ildenden Schulen gar keine Veränderun­gen vorgenomme­n wurden. Letztlich, so Gewerkscha­fter Erdmann, sehe er sich angesichts der zum Teil »völlig schleierha­ften« Einstufung­en in seiner Kritik am Stufenplan bestätigt. Es brauche in dieser Hinsicht »transparen­te und einheitlic­he Kriterien«.

Unverständ­nis anderer Art kommt von der Vereinigun­g der Oberstudie­ndirektore­n des Landes Berlin. »Die GEW mag recht haben, dass für die Einstufung Kriterien fehlen«, sagt deren Vorsitzend­er Ralf Treptow zu »nd«. Gleichwohl würde das allein das Problem des nun entstanden­en »Flickentep­pichs« nicht lösen. Entscheide­nd sei vielmehr, den einzelnen Schulleitu­ngen die Entscheidu­ngen zu übertragen. Schließlic­h seien sie es und nicht die Ämter, die das Infektions­geschehen vor Ort am besten einschätze­n könnten. »Natürlich sind die Schulleite­r die einzigen Gesundheit­sexperten, wenn es um die konkrete Schule geht«, so Treptow.

Im Haus von Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) reagiert man gelassen auf den Unmut. Es sei zwar durchaus »auffällig«, dass in einigen Bezirken stärker differenzi­ert wurde als in anderen. Aber in Reinickend­orf beispielsw­eise handele sich um ein »präventive­s Vorgehen« des Gesundheit­samtes, was auf eine »starke Zunahme der Infektions­zahlen im Bezirk« zurückzufü­hren sei, so Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann zu »nd«. Insgesamt sei man jedenfalls »mit den Ergebnisse­n der Einstufung­en zufrieden«.

Auch Landeselte­rnsprecher Norman Heise mag die Kritik der GEW nicht teilen. Ja, es gebe in dem Plan keine konkreten Vorgaben, beispielsw­eise ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner automatisc­h in eine andere Stufe zu schalten. Das sei aber auch sinnvoll, will man für jede Schule eine individuel­le Lösung finden. Anders als bei der GEW seien beim Landeselte­rnausschus­s auch keine »Unmengen an Beschwerde­n« eingegange­n. Sicher gebe es hier und da auch Forderunge­n, möglichst sofort in Alarmstufe Rot zu gehen und berlinweit zu einer Mischung aus Präsenzunt­erricht und Daheimbesc­hulung zurückzuke­hren. Das sei aber zu kurz gedacht, so Heise: »Wenn einzelne Eltern sagen, bei uns würde das funktionie­ren mit dem Hybridunte­rricht, und fordern, das auf die ganze Stadt zu übertragen, dann finde ich das unangemess­en.«

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