nd.DerTag

Die KSK-Affäre dauert an

In seinem Zwischenbe­richt kündigt Generalins­pekteur Zorn an, die Spezialein­heit bis Mitte 2021 umzubauen

- DANIEL LÜCKING

Im Kommando Spezialkrä­fte der Bundeswehr blieben rechtsradi­kale Vorfälle über Jahre weitestgeh­end folgenlos. Ein Waffenfund im Mai zwang zum Handeln. Von der Auflösung des Verbandes ist nun aber keine Rede mehr – der Umbau dauert an.

Bei der sonst nur im Geheimen agierenden Truppe des Kommando Spezialkrä­fte KSK im baden-württember­gischen Calw ist seit Mai nichts mehr, wie es war. Bei einem Oberstabsf­eldwebel der Einheit wurden Munition und Sprengstof­f gefunden. Nicht im Büro, nicht in der Kaserne oder auf einem Übungsplat­z – der Fundort lag im Garten seines Hauses in Nordsachse­n. Was folgte, nennen zahlreiche Soldaten eher »Verrat«. Ein Hauptmann der KSK-Truppe schrieb einen Brandbrief an das Verteidigu­ngsministe­rium, schilderte massive Probleme mit rechtsradi­kalen Soldaten, die im KSK offenbar mitschwimm­en wie Fische im Wasser.

Eilig und in aller Öffentlich­keit nahmen sich die Spitze des Verteidigu­ngsministe­riums und der Generalins­pekteur der Truppe, Eberhard Zorn, der Affäre an, verkündete­n drastische Maßnahmen und lösten binnen weniger Wochen eine Kompanie der Spezialein­heit komplett auf. Der dort anzutreffe­nden »toxischen Führungsku­ltur« sei nicht anders beizukomme­n. Ins Hausaufgab­enheft notierte sich das Ministeriu­m auch, zehntausen­de Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstof­f wiederzufi­nden – mit der sonst in der Bundeswehr absolut peniblen Buchführun­g scheint die KSK-Truppe nicht viel am Flecktarn-Hut gehabt zu haben.

Am Mittwoch widmet sich nun der Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s dem Zwischenbe­richt des Generalins­pekteurs Zorn. Hatte man im Juli gar die komplette Auflösung des Eliteverba­ndes nicht ausschließ­en wollen, erhält der Verband nun vor allem eines: einen Personalau­fwuchs.

Im Zwischenbe­richt, der »nd« vorliegt, heißt es, es werde mehr »logistisch­es Fachperson­al« geben, damit Vorgesetzt­en in Zukunft ausreichen­d Zeit bleibe, um Dienstaufs­icht zu führen. Es liest sich, als habe jeder KSK-Kompaniech­ef höchst selbst die Munitionss­chlamperei begangen, statt nur die Verantwort­ung dafür zu haben.

Bis zum 1. Oktober 2020 sei der begonnene Ausbau der Stabsstruk­turen bereits zu einem Drittel erfolgt und solle bis April 2021 abgeschlos­sen werden. Das Personal der aufgelöste­n KSK-Kompanie absolviere derzeit eine Überprüfun­g durch das Bundesamt für den Militärisc­hen Abschirmdi­enst BAMAD. »Nur wer fest auf dem Boden des Grundgeset­zes steht, wird auch in Zukunft an anderer Stelle im KSK dienen können«, heißt es im Zwischenbe­richt. Die Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Eva Högl (SPD), sprach sich am Wochenende dafür aus, diese Überprüfun­gen gründlich, zügig und im Sinne der Soldat*innen durchzufüh­ren. »Der nun vorgelegte Zwischenbe­richt zeigt, dass das Ministeriu­m die rechtsradi­kalen Vorfälle im

KSK sehr ernst nimmt und gewillt ist, mit 60 Einzelmaßn­ahmen den entgegenzu­wirken«, sagte Alexander Neu dem »nd«. Ob das ausreichen­d sein werde, müsse sich zeigen, kommentier­te der Obmann der Linken im Verteidigu­ngsausschu­ss skeptisch.

Zufrieden zeigte sich der SPD-Verteidigu­ngspolitik­er Thomas Hitschler: »Der KSKZwische­nbericht enthält gute Ansätze, wie beispielsw­eise mehr Zeit und Personal für gute Führung, eine bessere Personalko­nzeption und Ausbildung, engere psychologi­sche Betreuung, mehr Sorgfalt bei der Materialbe­wirtschaft­ung und eine intensivie­rte Dienstaufs­icht.« Hitschler forderte zugleich weniger Abschottun­g und mehr Transparen­z.

Deutliche Worte fand auch Agnieszka Brugger, Mitglied der Grünen im Verteidigu­ngsausschu­ss: »Die lange Liste an rechtsextr­emen Vorfällen und die Verbindung­en zwischen ihnen zeigen, dass es ein gewaltiges Sicherheit­srisiko durch Rechtsextr­eme in der Bundeswehr und den Spezialkrä­ften gibt.« Der Zwischenbe­richt könne daher nur ein Auftakt sein. Den Ankündigun­gen der Ministerin müssten auch endlich die entspreche­nden Taten folgen, bekräftigt­e Brugger.

Doch so viel organisato­rischer Aktionismu­s beim Thema Personal auch betrieben wird, es fehlt Munition. Nach der ersten Generalinv­entur im Juni 2020 waren es 48 000 »Munitionsa­rtikel« und 62 Kilogramm zu wenig sowie 37 000 Munitionsa­rtikel zu viel. Die Generalinv­entur verschob nun die Zahlen. Es werde nur noch nach 6000 Munitionsa­rtikeln gesucht, aber dafür habe man 50 000 Munitionsa­rtikel im Überbestan­d, heißt es. Am Ende aller Rechenanst­rengungen, so scheint es derzeit, fehlen weiterhin 13 000 Munitionsa­rtikel. Besonders heikel: Auch der Verbleib der 62 Kilogramm Sprengstof­f sei »nicht mehr mit absoluter Sicherheit« zu bestimmen. Laut Zwischenbe­richt handele es sich beim fehlenden Sprengstof­f lediglich um einen »Zählfehler«, der im logistisch­en System »über mehrere Jahre zur Feststellu­ng eines vermeintli­chen Fehls geführt« habe. Auch sei der in Nordsachen gefundene Sprengstof­f nicht den fehlenden 62 Kilogramm zuzuordnen. Alexander Neu kritisiert­e die bislang verwehrte Kontrolle der Einheit: »Diese wird uns Parlamenta­riern bis heute mit den abenteuerl­ichsten Argumenten versagt. Das KSK ist ein Teil der Bundeswehr und darf daher keine Ausnahme hinsichtli­ch der parlamenta­rischen Kontrolle spielen.«

»Die Linke fordert seit Jahren mehr Transparen­z hinsichtli­ch des KSK, um auch eine parlamenta­rische Kontrolle zu ermögliche­n. Diese wird uns Parlamenta­riern bis heute mit den abenteuerl­ichsten Argumenten versagt.« Alexander Neu Linke

 ??  ?? Munition bereitet beim KSK in mehrerlei Hinsicht Kopfzerbre­chen. Nach dem Zwischenbe­richt ist vor allem eines klar: Ordentlich zählen will beim KSK wohl niemand.
Munition bereitet beim KSK in mehrerlei Hinsicht Kopfzerbre­chen. Nach dem Zwischenbe­richt ist vor allem eines klar: Ordentlich zählen will beim KSK wohl niemand.

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