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Milliarden­schaden für Wirtschaft und Klima

Handel und Solarwirts­chaft warnen vor Reform der Ökostromfö­rderung

- SANDRA KIRCHNER

Eigentlich soll der Anteil der Erneuerbar­en an der Stromgewin­nung bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Doch was die Bundesregi­erung plant, ist kontraprod­uktiv.

Dass Rewe nicht nur Lebensmitt­el, sondern auch Strom verkauft, dürfte den meisten Kund*innen des Einzelhand­elskonzern­s verborgen geblieben sein. Denn die EnergieHan­dels-Gesellscha­ft (EHA), eine ReweTochte­r, verkauft Ökostrom vor allem an eigene Filialen, an andere Einzelhänd­ler wie die Textilkett­e AWG Mode und an Bäckereien.

Zwar kauft das Hamburger Unternehme­n den überwiegen­den Teil des Stroms von Stadtwerke­n, doch seine Erzeugungs­anlagen baut es stetig aus. »Wir haben in den vergangene­n Jahren einiges beim Erneuerbar­en-Ausbau gemacht«, sagt Jan-Oliver Heidrich, Geschäftsf­ührer der EHA und Vorsitzend­er im Energieaus­schuss des Handelsver­bandes Deutschlan­d. Vor allem Anlagen mit einer Nennleistu­ng bis 750 Kilowatt habe das Unternehme­n auf Dachfläche­n von Lagern und Märkten installier­t.

Doch das könnte sich mit der kommenden Novelle des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG) bald ändern. Bisher müssen sich nur Anlagen ab 750 Kilowatt an einer staatliche­n Ausschreib­ung beteiligen, wenn sie eine Vergütung nach dem EEG in Anspruch nehmen wollen. Der Referenten­entwurf zum neuen EEG, den das Bundeswirt­schaftsmin­isterium Mitte September vorgelegt hat, sieht vor, die Ausschreib­ungsgrenze auf 500 Kilowatt abzusenken. »Wir sind entsetzt, dass das Ministeriu­m das Segment, das für den Einzelhand­el am lohnenswer­testen ist, derart beschneide­n möchte«, sagt Heidrich. Wenn das Gesetz so beschlosse­n werde, werde der Einzelhand­el künftig nur noch kleine Anlagen bis maximal 499 Kilowatt installier­en.

Zugleich will das Ministeriu­m es unterbinde­n, dass der Eigentümer den Solarstrom auch künftig selbst nutzen kann. Wer für eine Solaranlag­e mit mehr als 500 Kilowatt Leistung die EEG-Förderung erhält, soll verpflicht­et werden, seinen Strom ins Netz einzuspeis­en. Dabei ist der Eigenverbr­auch des erzeugten Solarstrom­s für viele Firmen der eigentlich­e Grund zur Investitio­n in eine Anlage. Wer künftig seinen Strom selber nutzen will, muss den Rest umständlic­h selbst verkaufen. Das scheuen die Unternehme­n aber.

Dabei braucht es für die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbar­e Energien auch den Bau von Photovolta­ikanlagen auf möglichst vielen Dächern – wie eben denen von Gewerbetre­ibenden. Erschwert nun aber die EEGReform

den Ausbau dieses Segments, droht bis 2030 ein volkswirts­chaftliche­r Schaden von 7,7 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt das Bonner Markt- und Wirtschaft­sforschung­sunternehm­en EuPD Research in einer Kurzstudie für den Bundesverb­and Solarwirts­chaft (BSW). Schon 2021 würde demnach die jährlich neu installier­te Solarstrom­kapazität auf größeren Gewerbedäc­hern um zwei Drittel einbrechen.

Rund 850 Megawatt wurden 2019 insgesamt in diesem Segment installier­t, auch in diesem Jahr rechnet der BSW noch mit einem Zubau von 800 Megawatt. Vom nächsten Jahr an wäre das vorbei – auch weil das Wirtschaft­sministeri­um ab 2021 nur 250 Megawatt ausschreib­en will. Viel zu wenig, warnen der Solar- und der Handelsver­band. Die Novelle würde dazu führen, dass allein im Segment von 500 bis 750 Kilowatt ein Zubau von Solaranlag­en mit 4200 Megawatt Gesamtkapa­zität ausbleiben würde. Der Solarwirts­chaft entgingen 3,2 Milliarden Euro und es kämen weniger Menschen in Beschäftig­ung. Weil Milliarden an Kilowattst­unden Solarstrom nicht erzeugt würden, entstünden zudem 4,5 Milliarden Euro an Umweltkost­en.

»Anders als bei ebenerdige­n Solarparks sind Auktionen im Gebäudesek­tor kein geeignetes Instrument zur Vergabe von Marktprämi­en«, warnt deshalb Studienaut­or Martin Ammon. Die Ausschreib­ungen würden hier ungenutzt bleiben, da die Teilnahme an Auktionen für Gebäudeeig­entümer zu aufwendig sei.

In den vergangene­n Wochen hagelte es Kritik an der geplanten EEG-Reform. Eigentlich soll die Novelle helfen, den Anteil der Erneuerbar­en bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern – 2019 waren es 43 Prozent. Doch der jetzige Entwurf berücksich­tigt die Ausbauziel­e gar nicht, klagt Carsten Körnig vom Solarverba­nd BSW. Wenn sich bei den Ausschreib­ungen nichts ändere, komme der Solarausba­u über die jetzigen 2000 Megawatt pro Jahr nicht hinaus, dabei brauche es 10 000 neue Megawatt jährlich. »Diese solare Vollbremsu­ng ist mit den Klimaziele­n und der Energiewen­de unvereinba­r«, so Körnig.

Schon am vergangene­n Freitag war die EEG-Reform Stein des Anstoßes. Das Gesetz wurde in erster Lesung im Bundestag behandelt, etliche Institutio­nen und Verbände wiederholt­en ihre Kritik. Noch im November sollen Bundestag und Bundesrat ihre Änderungen beschließe­n, damit das Gesetz Anfang 2021 in Kraft treten kann. Weil aber die Abgeordnet­en in beiden Kammern erhebliche Bedenken haben, ist offen, ob der Zeitplan eingehalte­n werden kann.

Wer für eine Solaranlag­e mit mehr als 500 Kilowatt Leistung die EEGFörderu­ng erhält, soll verpflicht­et werden, seinen Strom ins Netz einzuspeis­en.

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