nd.DerTag

Hartz-IV-Sätze realitätsf­ern und zu niedrig

Verbände und Opposition­sparteien kritisiere­n armutspoli­tisches Versagen der Bundesregi­erung

- ULRIKE HENNING

Eine leichte Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze steht an – die Bezüge werden aber zu niedrig bleiben und können noch weiter heruntersa­nktioniert werden.

Am frühen Donnerstag­abend wollte der Bundestag über die Anpassung der Regelsätze in der Grundsiche­rung beraten. Das Ergebnis lag bei Redaktions­schluss noch nicht vor. Zuvor hatte der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband eindringli­ch an die Abgeordnet­en appelliert, dem vorliegend­en Gesetzesen­twurf nicht zu folgen und stattdesse­n endlich eine bedarfsger­echte Anhebung der Regelsätze zu beschließe­n. Die geplante Erhöhung um 14 Euro für alleinsteh­ende Erwachsene zum 1. Januar 2021, und auch die noch einmal deutlich geringeren Beträge für Kinder und Jugendlich­e seien realitätsf­ern, nicht bedarfsger­echt und viel zu niedrig. Die ständige Fortschrei­bung der Fehler und Schwächen bei der Berechnung des Regelbedar­fs wird schon seit langem kritisiert. Die Paritätisc­he Forschungs­stelle berechnete einen armutsfest­en Regelsatz von 644 Euro für allein lebende Erwachsene, mit der jetzt vorgesehen­en Anhebung würden diese aber nur auf 446 Euro kommen. Das wäre für das soziokultu­relle Existenzmi­nimum bei weitem nicht ausreichen­d, wie auch andere Sozialverb­ände sowie die Bundestags­fraktionen der Linken und von Bündnis90/Die Grünen monieren.

Aber nicht allein die Regelsätze bleiben vermutlich weiterhin zu niedrig, es gibt auch immer noch Sanktionen gegen die Hartz-IVBezieher, wenn sie sich nicht kooperativ genug verhalten. Eigentlich sollten diese finanziell­en Kürzungen der schon sehr niedrigen Leistungen seit einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes vor genau einem Jahr gesetzlich eingehegt werden. Die Umsetzung des Urteils bleibt Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) bis heute schuldig, laut seinem Ministeriu­m müssten Vorschläge dazu abgewartet werden.

Seit dem Urteil wurde die alte Sanktionsp­raxis zwar entschärft, aber eben nur auf Zuruf – per Weisung des Arbeitsmin­isteriums und der Bundesagen­tur für Arbeit. Monatliche Leistungen können von den Jobcentern immer noch bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Dass in den vergangene­n Monaten weniger sanktionie­rt wurde, hat eher mit der Corona-Pandemie zu tun als mit einem tatsächlic­hen Sinneswand­el in den beteiligte­n Institutio­nen. Deshalb fordern Grüne, FDP und DGB die gesetzlich­e Festschrei­bung entspreche­nd dem Urteil von Karlsruhe – mit Abstufunge­n, denn die FDP will Sanktionen durchaus erhalten. Allein die Linke spricht sich für eine gänzliche Abschaffun­g der Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany