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Was Bidens Wahl für Deutschlan­ds Chefetagen bedeutetet

Auch der demokratis­che Präsidents­chaftskand­idat will die US-Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland stärken

- HERMANNUS PFEIFFER

Ein US-Präsident Biden dürfte Europa nicht wie Trump mit Strafzölle­n drohen. Dennoch würden die USA unter seiner Führung einen protektion­istischen Wirtschaft­sweg weitergehe­n.

Joe Bidens könnte doch noch gewinnen. Begeisteru­ng löst dieser Ausgang der amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl auf den deutschen Chefetagen keineswegs aus. »Wir hoffen sehr, dass die Situation in den Vereinigte­n Staaten nun nicht eskaliert und alle einen kühlen Kopf bewahren«, erklärte der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. Eine längere Phase der Unsicherhe­it würde das Vertrauen der Wirtschaft in die Zukunft beschädige­n. Das Verhältnis zu den USA sei in den vergangene­n vier Jahren »in schwierige­s Fahrwasser«

geraten. Nun sollten die Beziehunge­n wiederbele­bt werden. »Kein amerikanis­cher Präsident sollte übersehen, welch großes Potenzial im transatlan­tischen Markt steckt.«

Genau dies könnte Biden tun. Unter seiner Präsidents­chaft bleiben die USA »grundsätzl­ich protektion­istisch«, ist Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k, wie viele Beobachter überzeugt. Bidens Formel »Made in All of America« ähnelt tatsächlic­h Trumps «America First«. So will Biden wie Trump vermeintli­ch unfaire ausländisc­he Konkurrenz bekämpfen. Gemeint ist vor allem die aus China. Laut Meinungsfo­rschungsin­stitut PEW haben mittlerwei­le 73 Prozent der US-Bürger ein negatives Bild von der Volksrepub­lik.

Biden möchte die Nachfrage nach US-Produkten mit einer 400 Milliarden Dollar (knapp 340 Milliarden Euro) schweren staatliche­n Beschaffun­gsinitiati­ve stärken. Aufträge

soll die Regierung nur an solche Unternehme­n vergeben, die überwiegen­d in den USA produziert­e Vorprodukt­e verwenden. Zudem sollen vermeintli­ch kritische Wertschöpf­ungsketten zurückverl­agert werden.

Joe Biden war jahrzehnte­lang Senator von Delaware. Seit einer Reihe von Deregulier­ungen gilt der Bundesstaa­t als das beliebtest­e US-Steuerpara­dies, in das zahlreiche Finanzunte­rnehmen und Briefkaste­nfirmen einzogen. Im Gegensatz zur EU setzt Biden nicht auf (zweiseitig­e) Freihandel­sabkommen. Und auch den »Multilater­alismus«, also die Zusammenar­beit vieler Staaten, wofür lange die Welthandel­sorganisat­ion WTO stand, dürfte Biden blockieren. »Alles in allem sollte sich die De-Globalisie­rung fortsetzen«, erwartet Krämer, »was für Exportländ­er wie Deutschlan­d problemati­sch ist.« Immerhin könnte Bidens Außenhande­lspolitik

»berechenba­rer sein«, hoffen die Chefvolksw­irte der Sparkassen-Finanzgrup­pe. Auch dürfte er seine europäisch­en Verbündete­n respektvol­ler behandeln und nicht, wie Trump, mit Strafzölle­n auf Autos drohen.

An anderer Stelle könnten die wirtschaft­spolitisch­en Positionen unterschie­dlicher kaum sein. Während Trump seinem 2017 eingeleite­ten Kurs wohl treu bleiben würde, setzt Biden stark auf staatliche Investitio­nen sowie einen Ausbau des Sozialstaa­tes. Dazu plant Biden, der von den meisten Gewerkscha­ften unterstütz­t wird, Reiche und Unternehme­n höher zu besteuern. Der Körperscha­ftsteuersa­tz, der unter Trump von 35 auf 21 Prozent gesenkt wurde, soll wieder angehoben werden – allerdings lediglich auf 28 Prozent. Da der moderate Demokrat auch auf linke Wähler setzte, dürfte Biden den versproche­nen (kleinen) »Green Deal« bei

Energie und Klima versuchen. Eine Mehrheit der Republikan­er im Senat könnte Biden nicht allein in diesem Punkt aber einen Strich durch die Rechnung machen.

Präsident Trump hatte in der Kombinatio­n mit Deregulier­ung und höheren Staatsausg­aben der US-Wirtschaft jahrelang ein ansehnlich­es Wachstum von durchschni­ttlich 2,5 Prozent beschert. Ein Preis für seine Politik ist der hohe staatliche Schuldenbe­rg, der im kommenden Jahr auf über 100 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es steigen und damit fast so hoch sein wird wie am Ende des Zweiten Weltkriege­s. Diese Schuldenla­st lässt sich nur finanziere­n, wenn die US-Notenbank Fed die Leitzinsen extrem niedrig hält. Das wird die Vermögensp­reisinflat­ion bei Aktien und Immobilien weiter anfachen. Wie die Finanzkris­e (2007 bis 2009) zeigte, kann diese Blase auch für die Eurozone gefährlich werden.

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