Arglos bei Geheimdienstinvestition
Bundesregierung sieht im Engagement eines CIA-Unternehmens in Deutschland kein großes Problem
Die Bundesregierung wisse von nichts – es sei denn, es stand bereits in der Presse. Das ist der Kern der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu einem heiklen Investment des US-Geheimdienstes CIA.
Im Sommer wurde durch Recherchen der »Wirtschaftswoche« öffentlich, dass das bekannte CIA-Unternehmen In-Q-Tel bei dem ostdeutschen Unternehmen Morpheus Space investiert. Das Dresdner Start-Up entwickelt Ionenantriebe für Satelliten. Die CIA ist mehr als nur interessiert. Die Technik von Mopheus Space dürfte die Spionagekapazitäten der CIA weiter erhöhen. Dieser Antrieb gilt als einer der kleinsten der Welt und ermöglicht, Satelliten im Orbit gezielter zu steuern. Vordergründig, um Weltraumschrott ausweichen zu können. Der Zusatznutzen ist aber klar erkennbar: Je kleiner und je besser manövrierbar, desto effektiver kann der Einsatz als Spionagesatellit erfolgen.
In-Q-Tel ist ein offenes Geheimnis des USamerikanischen Spionagesektors. Im Jahr 1999 gegründet, pumpt die CIA Kapital in aussichtsreiche Unternehmen, die vielversprechende Konzepte entwickeln. Das können einerseits Prognose-Programme sein, die geopolitische Krisen anhand von Presseberichten voraussagen können. Vergleichbare Algorithmen kommen auch beim In-Q-TelInvestment Palantir zum Einsatz, das zu Beginn der Corona-Pandemie auch in Deutschland an der Corona-WarnApp mitwirken wollte. Palantir ist nicht nur bei deutschen Sicherheitsbehörden im Einsatz, sondern wird auch bei Banken für die Verwaltung von spekulationsintensiven Hedgefonds verwendet.
Dass die Bundesregierung bei In-QTel wenig Gefährdungspotenzial sieht, zeugt von einem gefährlichen Optimismus. US-Entwicklungen aus dem Sicherheitssektor halten nämlich auch Einzug in die deutsche Sicherheitsarchitektur.
Die Bundesregierung sieht im Engagement von dem CIA-Unternehmen in Deutschland kein großes Problem. »Die Antworten auf meine parlamentarische Anfrage bezeugen ein erschreckendes Ausmaß an Inkompetenz und Untätigkeit der Bundesregierung«, sagte André Hahn von der Linksfraktion, der im Parlamentarischen Kontrollgremium die Arbeit der Geheimdienste überwacht, gegenüber »nd«. Die dünne Kenntnislage bei Bundesregierung und Verfassungsschutz verwundere ihn. »Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt grundsätzlich gerne Hinweise zu Wirtschaftsspionageaktivitäten zum Zwecke des illegalen Wissens- und Technologietransfers fremder Staaten entgegen.«
In-Q-Tel ist nun auch wahrlich kein Unbekannter. Das Unternehmen war unter anderem in Wikileaks-Veröffentlichungen ein Thema. Nachdem aus dem US-Unternehmen Stratfor E-Mails aus den Jahren 2004 bis 2011 abgeflossen waren, veröffentlichte Wikileaks Ende Februar 2012 die »Global Intelligence Files« und deckte damit auch viele zivile Unternehmen auf, die für US-Geheimdienste Datenauswertungen im Internet betreiben. Brisant: Stratfor, das in großem Umfang für die Sicherheitsdienste Informationen sammelt, zusammenführt und bewertet, war seinerzeit digital unzureichend gesichert. Hacker, die sich dem Anonymous-Kollektiv zurechnen, hatten Zugang zu unverschlüsselten Kundendaten des Unternehmens und belegten auch illegale Überweisungen.
Dass die Bundesregierung bei In-Q-Tel wenig Gefährdungspotenzial sieht, zeugt von einem gefährlichen Optimismus, wie dieser auch schon im NSA-Untersuchungsausschuss zu Tage trat. Immer wieder halten US-Entwicklungen aus dem Sicherheitssektor auch Einzug in die deutsche Sicherheitsarchitektur.
US-Programme, wie XKEYSCORE, mit denen der Internetverkehr überwacht werden kann, werden von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz genutzt. Großzügig darf das allerdings nicht genannt werden, denn die Eigeninteressen der USA dürften in diesem Bereich deutlich überwiegen.
»Ich habe im Rahmen des NSA-Untersuchungsausschuss schon vieles erlebt«, kritisiert Hahn. »Damals hieß es aus dem Munde der Kanzlerin: ›Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!‹« Ein 360-Grad-Blick sei verordnet worden, mit dem auch die Tätigkeiten der Geheimdienste verbündeter Staaten in Deutschland in den Blick genommen werden sollten. »Tatsächlich geschehen ist nahezu nichts.«
Die Arglosigkeit der Regierungspolitiker schlägt sich auch im finanziellen Bereich nieder. Zwischen Mai 2018 und August 2020 erhielt das Start-Up Morpheus rund eine Million Euro aus dem EXIST-Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Ebenfalls flossen Gelder aus dem sächsischen Landeshaushalt. Neben 9000 Euro aus dem Corona-Soforthilfeprogramm landeten zudem 20 000 Euro an Preisgeldern des sächsischen Gründerpreises in den Jahren 2019 und 2020 im Unternehmen.
»Dass ein CIA-Unternehmen auch noch mit deutschen Steuergeldern gefördert wird, schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Dieser absurde Vorgang muss sofort beendet werden«, fordert Hahn.