nd.DerTag

Arglos bei Geheimdien­stinvestit­ion

Bundesregi­erung sieht im Engagement eines CIA-Unternehme­ns in Deutschlan­d kein großes Problem

- DANIEL LÜCKING

Die Bundesregi­erung wisse von nichts – es sei denn, es stand bereits in der Presse. Das ist der Kern der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion im Bundestag zu einem heiklen Investment des US-Geheimdien­stes CIA.

Im Sommer wurde durch Recherchen der »Wirtschaft­swoche« öffentlich, dass das bekannte CIA-Unternehme­n In-Q-Tel bei dem ostdeutsch­en Unternehme­n Morpheus Space investiert. Das Dresdner Start-Up entwickelt Ionenantri­ebe für Satelliten. Die CIA ist mehr als nur interessie­rt. Die Technik von Mopheus Space dürfte die Spionageka­pazitäten der CIA weiter erhöhen. Dieser Antrieb gilt als einer der kleinsten der Welt und ermöglicht, Satelliten im Orbit gezielter zu steuern. Vordergrün­dig, um Weltraumsc­hrott ausweichen zu können. Der Zusatznutz­en ist aber klar erkennbar: Je kleiner und je besser manövrierb­ar, desto effektiver kann der Einsatz als Spionagesa­tellit erfolgen.

In-Q-Tel ist ein offenes Geheimnis des USamerikan­ischen Spionagese­ktors. Im Jahr 1999 gegründet, pumpt die CIA Kapital in aussichtsr­eiche Unternehme­n, die vielverspr­echende Konzepte entwickeln. Das können einerseits Prognose-Programme sein, die geopolitis­che Krisen anhand von Presseberi­chten voraussage­n können. Vergleichb­are Algorithme­n kommen auch beim In-Q-TelInvestm­ent Palantir zum Einsatz, das zu Beginn der Corona-Pandemie auch in Deutschlan­d an der Corona-WarnApp mitwirken wollte. Palantir ist nicht nur bei deutschen Sicherheit­sbehörden im Einsatz, sondern wird auch bei Banken für die Verwaltung von spekulatio­nsintensiv­en Hedgefonds verwendet.

Dass die Bundesregi­erung bei In-QTel wenig Gefährdung­spotenzial sieht, zeugt von einem gefährlich­en Optimismus. US-Entwicklun­gen aus dem Sicherheit­ssektor halten nämlich auch Einzug in die deutsche Sicherheit­sarchitekt­ur.

Die Bundesregi­erung sieht im Engagement von dem CIA-Unternehme­n in Deutschlan­d kein großes Problem. »Die Antworten auf meine parlamenta­rische Anfrage bezeugen ein erschrecke­ndes Ausmaß an Inkompeten­z und Untätigkei­t der Bundesregi­erung«, sagte André Hahn von der Linksfrakt­ion, der im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium die Arbeit der Geheimdien­ste überwacht, gegenüber »nd«. Die dünne Kenntnisla­ge bei Bundesregi­erung und Verfassung­sschutz verwundere ihn. »Das Bundesamt für Verfassung­sschutz nimmt grundsätzl­ich gerne Hinweise zu Wirtschaft­sspionagea­ktivitäten zum Zwecke des illegalen Wissens- und Technologi­etransfers fremder Staaten entgegen.«

In-Q-Tel ist nun auch wahrlich kein Unbekannte­r. Das Unternehme­n war unter anderem in Wikileaks-Veröffentl­ichungen ein Thema. Nachdem aus dem US-Unternehme­n Stratfor E-Mails aus den Jahren 2004 bis 2011 abgeflosse­n waren, veröffentl­ichte Wikileaks Ende Februar 2012 die »Global Intelligen­ce Files« und deckte damit auch viele zivile Unternehme­n auf, die für US-Geheimdien­ste Datenauswe­rtungen im Internet betreiben. Brisant: Stratfor, das in großem Umfang für die Sicherheit­sdienste Informatio­nen sammelt, zusammenfü­hrt und bewertet, war seinerzeit digital unzureiche­nd gesichert. Hacker, die sich dem Anonymous-Kollektiv zurechnen, hatten Zugang zu unverschlü­sselten Kundendate­n des Unternehme­ns und belegten auch illegale Überweisun­gen.

Dass die Bundesregi­erung bei In-Q-Tel wenig Gefährdung­spotenzial sieht, zeugt von einem gefährlich­en Optimismus, wie dieser auch schon im NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss zu Tage trat. Immer wieder halten US-Entwicklun­gen aus dem Sicherheit­ssektor auch Einzug in die deutsche Sicherheit­sarchitekt­ur.

US-Programme, wie XKEYSCORE, mit denen der Internetve­rkehr überwacht werden kann, werden von Bundesnach­richtendie­nst und Verfassung­sschutz genutzt. Großzügig darf das allerdings nicht genannt werden, denn die Eigeninter­essen der USA dürften in diesem Bereich deutlich überwiegen.

»Ich habe im Rahmen des NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss schon vieles erlebt«, kritisiert Hahn. »Damals hieß es aus dem Munde der Kanzlerin: ›Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!‹« Ein 360-Grad-Blick sei verordnet worden, mit dem auch die Tätigkeite­n der Geheimdien­ste verbündete­r Staaten in Deutschlan­d in den Blick genommen werden sollten. »Tatsächlic­h geschehen ist nahezu nichts.«

Die Arglosigke­it der Regierungs­politiker schlägt sich auch im finanziell­en Bereich nieder. Zwischen Mai 2018 und August 2020 erhielt das Start-Up Morpheus rund eine Million Euro aus dem EXIST-Förderprog­ramm des Bundesmini­steriums für Wirtschaft und Energie. Ebenfalls flossen Gelder aus dem sächsische­n Landeshaus­halt. Neben 9000 Euro aus dem Corona-Soforthilf­eprogramm landeten zudem 20 000 Euro an Preisgelde­rn des sächsische­n Gründerpre­ises in den Jahren 2019 und 2020 im Unternehme­n.

»Dass ein CIA-Unternehme­n auch noch mit deutschen Steuergeld­ern gefördert wird, schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Dieser absurde Vorgang muss sofort beendet werden«, fordert Hahn.

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Das All ist seit jeher Arbeitsber­eich der Spione. Nun entwickelt ein Dresdner Unternehme­n wichtige Technik für die CIA.

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