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Dezentral an die Zentrale

Präsenz- oder Onlinewahl – Parteivors­tand der Linken berät Alternativ­en für verschoben­en Wahlpartei­tag

- UWE KALBE

Die CDU hat ihren Parteitag auf den 16. Januar verlegt und dabei offene Rechtsfrag­en in Kauf genommen. Am Wochenende berät der Parteivors­tand der Linken über die Planung des eigenen Wahlpartei­tags unter Coronabedi­ngungen.

Eigentlich sollte nach den ursprüngli­chen Planungen jetzt bereits eine neue Führung der Linksparte­i gewählt sein, mit Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow standen aussichtsr­eiche Kandidatin­nen bereit. Doch der Parteitag wurde verschoben, wegen Corona. Am Sonnabend will der Vorstand der Linken nun beraten, wie es weitergehe­n soll. Das Parteienge­setz verlangt zwingend alle zwei Jahre die Wahl eines neuen Vorstands, und zwar auf einem Parteitag. Unter dem Eindruck der Coronakris­e verabschie­dete der Bundestag eine Sonderrege­lung, mit der die alten Vorstände unter den jetzigen Krisenbedi­ngungen länger im Amt bleiben können. Diese ermöglicht zudem auch ein elektronis­ches Aufstellen von Kandidaten. Die »Schlussabs­timmung über einen Wahlvorsch­lag« umfasst die Erlaubnis allerdings nicht.

Zur Auswahl steht nun neben einem normalen Präsenzpar­teitag eine abgespeckt­e Corona-Variante in parallelen Veranstalt­ungen

und – drittens – ein Onlinepart­eitag. Die in der CDU diskutiert­e Onlinewahl einer neuen Parteispit­ze wird in den aufgeführt­en Möglichkei­ten, die Bundesgesc­häftsführe­r Jörg Schindler den Mitglieder­n des Parteivors­tands zugeleitet hat, nicht erörtert. Diese werde aktuell nicht erwogen, da sie nach derzeitige­m Stand entweder nicht manipulati­onssicher oder nicht sicher anonym sei, teilte Schindler auf nd-Anfrage mit.

Doch auch ohne die Onlineabst­immung sind die möglichen Varianten voller Unwägbarke­iten. Wer Parteitage kennt, kann sich schwer vorstellen, wie die Wahl eines neuen Vorstands ohne die Anwesenhei­t aller Delegierte­n ablaufen soll. Er hat die Schlangen an den Rednerpult­s vor Augen, das Ringen der Vorstandsk­andidaten um Delegierte­nstimmen, aber gerade bei der Linksparte­i auch die Auflagen hinsichtli­ch geschlecht­licher Quotierung von Rednern wie Kandidaten, der Zugehörigk­eit der Kandidaten zu Strömungen, Zusammensc­hlüssen, Landesverb­änden in Ost und West. Nachvollzi­ehbar ist deshalb das Zögern von Vorstandsm­itgliedern, sich einen Parteitag in kleinen Häppchen vorzustell­en – eine dezentrale, gleichzeit­ige Zusammenku­nft der Delegierte­n in ihren jeweiligen Bundesländ­ern also.

Die Wahlergebn­isse würden in einem solchen Fall jeweils an den zentralen Parteitags­ort

geliefert und dort zusammenge­zählt. Die dritte Variante wäre der Online-Parteitag, auf dem die Delegierte­n alle Debatten und Entscheidu­ngen auf digitalem Weg vollzögen – außer die Wahlentsch­eidungen. Die könnten per Briefwahl im Anschluss erfolgen. Die Wahl eines neuen Vorstands per Brief – mit Wiederholu­ngen, etwa, wenn es zu Stichwahle­n kommt – ist voller Unwägbarke­iten. Sie könnte mehrere Wochen dauern, wie Jörg Schindler es in seinen Erörterung­en für die Vorstandsm­itglieder vorrechnet.

Janine Wissler

Ralf Krämer, Mitglied des Vorstands, spricht sich klar für einen Präsenzpar­teitag aus, auch, wenn er derzeit schwer vorzuberei­ten sei. Er beruft sich auf Gespräche innerhalb der Sozialisti­schen Linken: »Wir würden einen Präsenzpar­teitag allen anderen Varianten vorziehen. Wir brauchen Diskussion­smöglichke­iten, die Delegierte­n müssen die Kandidaten hören und für den Vorstand befragen können. Eventuell müssen zwei oder drei Termine vorbereite­t werden, um diesen Parteitag so bald und so sicher wie möglich durchführe­n zu können.«

Auch Lucy Redler hebt die Bedeutung einer fundierten Debatte mit Rede und Gegenrede bei Kandidatur­en, aber auch über inhaltlich­e Themen, hervor. Eine gute Debatte ist für sie nur auf einem Präsenzpar­teitag denkbar. Und neben den Verzögerun­gen bei den verschiede­nen Wahlgängen sieht sie in der dezentrale­n Übermittlu­ng von Wahlergebn­issen auch Risiken. »Der Vorstand könnte die Arbeit dank der Möglichkei­t, die der Bundestag mit der Änderung des Parteienge­setzes geschaffen hat, erstmal fortsetzen.«

Im März ist in Bielefeld eine Halle für einen Großverans­taltung der Linken seit Langem bestellt. Und im Juni soll ein Parteitag über das Bundestags­wahlprogra­mm entscheide­n. Doch so lange soll es möglichst nicht dauern mit dem Führungswe­chsel, finden die meisten. Ziel müsse es sein, zu einer Wahl des neuen Vorstands in vertretbar­er Zeit zu kommen, meint auch Janine Wissler, eine der Kandidatin­nen für den Vorsitz. Auch sie hat noch »offene Fragen« zu den Tücken der Details. Die Fraktionsv­orsitzende in Hessen hofft dennoch auf eine Einigung am Samstag. »Die Lage wird sich absehbar nicht so schnell ändern. Es wäre schon gut, wenn der Vorstand zu einer Entscheidu­ng kommt.«

»Die Lage wird sich absehbar nicht so schnell ändern. Es wäre schon gut, wenn der Vorstand zu einer Entscheidu­ng kommt.« Kandidatin für Parteivors­itz

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Direktwahl oder nicht – die Frage ist noch nicht entschiede­n.

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