nd.DerTag

Nichts gelernt aus der Vergangenh­eit

Um islamistis­che Terroransc­hläge zu verhindern, fordert die Opposition Stärkung der Geheimdien­ste

- RAINER RUTZ

Vor dem Hintergrun­d der jüngsten Gewalttate­n in Wien, Nizza, Paris und Dresden beschäftig­te sich das Abgeordnet­enhaus mit dem Islamismus in Berlin und der Arbeit der Sicherheit­sbehörden.

»Es ist wichtig, diese Debatte nicht den Extremiste­n zu überlassen«, sagte Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) während der Plenarsitz­ung des Abgeordnet­enhauses am Donnerstag. »Diese Debatte« war in dem Fall das Thema Islamismus. Mit Blick auf islamistis­che Strukturen in der Hauptstadt betonte Geisel, dass sein Haus nicht erst seit den jüngsten Anschlägen in Paris, Nizza, Dresden und Wien auf »größten Verfolgung­sdruck und harte Strafen« setze. Zugleich warnte der Senator aber vor rechtspopu­listischen Gleichsetz­ungen: »Nicht jeder, der an Allah glaubt, ist ein Islamist.«

Genau an dieser Gleichsetz­ung hatte sich im Plenum zuvor die AfD-Fraktion versucht, auf deren Antrag hin die islamistis­chen Attacken überhaupt erst auf die Agenda der Aktuellen Stunde im Ausschuss gesetzt wurden. Deren Abgeordnet­er Hanno Bachmann ließ in seiner Eröffnungs­rede erwartbar Islamophob­es vom Stapel: »verfehlte Multi-Kulti-Ideologie«, »umgehende Abschiebun­gen«, »Kopftuch tragende Rechtsrefe­rendarinne­n«.

Ebenso erwartbar war, dass die anderen Fraktionen das populistis­che Geknarze der AfD in der Folge rechts liegen ließen. Stattdesse­n drehte sich die Diskussion vor allem um die Berliner Sicherheit­sbehörden und die Frage, ob der Senat diese im Kampf gegen den Islamismus ausreichen­d unterstütz­e oder, wie die Opposition meinte, eher diskrimini­ere.

So warf CDU-Fraktionsc­hef Burkard Dregger Rot-Rot-Grün »Sonntagsre­den« vor. Insbesonde­re monierte er, dass – anders als nach rassistisc­hen Gewalttate­n in den USA – nach islamistis­ch motivierte­n Anschlägen kaum jemand in Berlin auf die Straße gehe, um zu protestier­en. Der Law-and-Order-Politiker forderte darüber hinaus nicht nur schärfere Gesetze. Auch beklagte er sich über die vermeintli­che Vernachläs­sigung der Berliner Sicherheit­sbehörden. Der Senat, befand Dregger, stärke Polizei und Verfassung­sschutz nicht den Rücken, sondern entziehe den Beamten das Vertrauen, indem er »Antidiskri­minierungs­kohorten« auf sie hetze. Dreggers Fraktionsk­ollege Stephan Lenz schoss in der Folge noch einmal nach, insbesonde­re gegen die Grünen, die er auffordert­e, »ihr Verhältnis zum Verfassung­sschutz« zu klären.

»Eine Frechheit«, entgegnete in der zunehmend hitziger werdenden Debatte der innenpolit­ische Sprecher der Grünen-Fraktion, Benedikt Lux. »Wir haben ein konstrukti­ves Verhältnis zu unserer Sicherheit­sarchitekt­ur.« Überhaupt habe kein anderer Senat »so viel investiert, um islamistis­chen Terrorismu­s besser zu bekämpfen«, sagte Lux und verwies auf die Aufstockun­g des Personalbe­stands beim Staatsschu­tz sowie das 100 Millionen Euro teure neue Anti-Terror-Zentrum an der Tempelhofe­r Ringbahnst­raße.

Auch Innensenat­or Geisel verwahrte sich gegen den Vorwurf, zu wenig gegen Islamisten zu unternehme­n. Im Gegenteil, der Senat habe in den letzten vier Jahren »schon viel erreicht« auf diesem Gebiet. Werte wie Freiheit und Toleranz dürften bei alldem aber nicht auf der Strecke bleiben. Mit Bezug auf eine Wahlkampfa­ktion der Christdemo­kraten vor zwei Wochen, bei der Berlins CDU-Chef Kai Wegner vor einem Luxuswagen in Neukölln posierte und diesen dann abschleppe­n ließ, um damit gegen die »Clankrimin­alität« aufmerksam zu machen, sagte Geisel: »Das ist wie mit dem Lamborghin­i mit den angeklebte­n Einschussl­öchern.« Nämlich reine »Show«. Für die »eigentlich­en Probleme« der Stadt habe die CDU dagegen keine Antworten parat.

Die Linke argumentie­rte dazu aus einer anderen Position. Im Zusammenha­ng mit den Versäumnis­sen der Sicherheit­sbehörden im Vorfeld des Anschlags auf dem Breitschei­dplatz vor vier Jahren und dem Ruf der Opposition nach einer Stärkung der Geheimdien­ste sagte Fraktionsc­hefin Anne Helm: »Wem das als einziges einfällt, der hat aus der jüngeren Geschichte des Terrorismu­s nichts gelernt.« Helm forderte stattdesse­n, »die Ursachen von Terror weltweit zu bekämpfen«. Zudem machte sie deutlich, dass man sich sowohl gegen Islamismus als auch gegen Rechtsextr­emismus stellen müsse: »Beide Ideologien einen ähnliche Mechanisme­n und Strukturen, sei es Antifemini­smus, Antisemiti­smus oder Verschwöru­ngsmythen.«

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