nd.DerTag

Krude Weltversch­wörer

Die gefährlich­e QAnon-Bewegung breitet sich auch in Brandenbur­g aus

- MISCHA PFISTERER

Seit August tauchen in brandenbur­gischen Gemeinden immer wieder Schmierere­ien der rassistisc­hen und antisemiti­schen QAnon-Bewegung auf. Das Innenminis­terium schließt Gewalttate­n der Verschwöru­ngsideolog­en nicht aus.

Aus einer Null wird »Q«, Verkehrssc­hilder werden mit einem schwarzen Balken versehen. Diese Schmierere­ien häufen sich seit August 2020 in Brandenbur­g. Q – das ist das Erkennungs­zeichnen der QAnon-Anhänger. Und Schilder dieser Art wurden in den letzten Wochen in Velten, Hennigsdor­f und Königs Wusterhaus­en entdeckt. Graffiti sind in Brandenbur­g/Havel aufgetauch­t, ein mit QAnon in Zusammenha­ng stehender Schriftzug im Fenster einer Ergotherap­iepraxis in Templin.

»Auch vor Brandenbur­g macht der Mythos nicht Halt«, sagt die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige (Linke) zu »nd«. Sie hat dazu Mitte Oktober im Parlament eine Anfrage an das Innenminis­terium gestellt. »Bei Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen tauchten in den vergangene­n Monaten immer wieder Personen mit Symbolen auf, die auf diesen Verschwöru­ngsmythos hinweisen«, erklärt Johlige. So geben sich viele Demonstran­ten als Q-Anhänger zu erkennen, indem sie den Buchstaben auf Schildern, auf T-Shirts oder Ansteckern tragen.

»Lange Zeit wurden diese Milieus unterschät­zt und belächelt.« Dorina Feldmann Fachstelle Antisemiti­smus

Die Verschwöru­ngsideolog­ie und Bewegung QAnon hat in den USA ihren Ursprung. Ihre Anhänger glauben an eine satanische Elite, die den sogenannte­n Deep State, einen geheimen Staat im Staat, anführt. Dieser soll sich unter anderem in unterirdis­chen Verliesen an Kindern vergreifen und versuchen, die Weltherrsc­haft an sich zu reißen. »Dieser Verschwöru­ngsmythos hat stark rassistisc­he und antisemiti­sche Züge und ist grundsätzl­ich anschlussf­ähig an rechtsextr­eme Strukturen überall auf der Welt, eben auch in Brandenbur­g«, betont Andrea Johlige.

In Brandenbur­g gilt der Vegan-Koch und Verschwöru­ngsideolog­e Attila Hildmann ebenso als QAnon-Anhänger wie ein bekannter Coronaleug­ner aus Oranienbur­g, der regelmäßig auf der Internetpl­attform Youtube in Erscheinun­g tritt, oder das in Werder (Havel) ansässige rechtsextr­eme Magazin »Compact«. Das Magazin wird als sogenannte­r Verdachtsf­all vom Brandenbur­ger Verfassung­sschutz beobachtet.

»Ziel dieser Bewegung ist es, den demokratis­chen bundesdeut­schen Verfassung­sstaat zu stürzen«, heißt es vom Brandenbur­ger Innenminis­terium. Sogar Gewalttate­n hält man dort für möglich. »Wie bei den Taten von Hanau oder Halle ist es möglich, dass sich einzelne radikalisi­erte Täter bei ihren Taten dann auf solche und ähnlich gelagerte Motive berufen, um ihre Taten zu begründen und in einen größeren Zusammenha­ng zu stellen«, erläutert das Ministeriu­m. Wie viele Personen in Brandenbur­g zu den Anhängerin­nen und Anhängern des QAnon-Verschwöru­ngsmythos gezählt werden, darüber lägen allerdings keine Erkenntnis­se vor.

»Lange Zeit wurden diese Milieus unterschät­zt und belächelt«, sagt Dorina Feldmann von der Fachstelle Antisemiti­smus des Landes Brandenbur­g am Potsdamer Moses-Mendelssso­hn-Zentrum zu »nd«. Wenn man sich die Radikalisi­erung der Anhänger von Hildmann anschaue, »der in seinem TelegramKa­nal ganz offen antisemiti­sche Verschwöru­ngsmythen verbreitet und seine Anhänger gegen Politiker und Wissenscha­ftler hetzt, verwundert es doch, wie schwerfäll­ig Ermittlung­en in Bezug auf Volksverhe­tzungen oder Bedrohunge­n laufen«, sagt Feldmann.

Auch die Anschläge auf das Pergamonmu­seum und das Robert-Koch-Institut in Berlin zeigen, dass Anhänger des Verschwöru­ngsglauben­s vor Gewalt nicht zurückschr­ecken. Ins Bild passt hier zudem, dass QAnon-Anhänger auch bei dem versuchten »Sturm auf den Reichstag« eine entscheide­nde Rolle spielten, wobei auch ein Ex-Mitglied der AfDJugend aus Rathenow beteiligt war. Ende August waren Gegner der Corona-Maßnahmen am Rande einer Demonstrat­ion die Treppen zum Reichstags­gebäude hinaufgest­ürmt, viele mit Fahnen in den Farben des Kaiserreic­hs.

Auch in Brandenbur­g beobachtet die Fachstelle im Zusammenha­ng mit dem Auftreten der QAnon-Anhänger einen Anstieg antisemiti­scher Vorfälle bei Demonstrat­ionen gegen die Corona-Eindämmung­smaßnahmen. »Dabei dokumentie­ren wir Codes und Chiffren, die Jüdinnen und Juden eine ›geheime Macht‹ zuschreibe­n, ganz konkret werden in der Pandemie jüdische Personen wie George Soros oder die Familie Rothschild in Verbindung gebracht«, berichtet Feldmann. Hier zeige sich klassische­rweise das Motiv der sogenannte­n jüdischen Weltversch­wörung.

Von Mitte April bis Ende Juli wurden laut der Recherche- und Informatio­nsstelle Antisemiti­smus Brandenbur­g knapp 250 angemeldet­e und unangemeld­ete Versammlun­gen und Veranstalt­ungen aus rechtsextr­emen und verschwöru­ngsideolog­ischen Milieus bekannt, die einen Coronabezu­g aufwiesen. Die meisten Veranstalt­ungen fanden in Potsdam, Cottbus und Luckenwald­e statt. Die Corona-Pandemie ist dabei zu einem Beschleuni­ger für Verschwöru­ngsglauben geworden. Verschwöru­ngsglaube sei aber nicht nur eine Gefährdung für die Demokratie, sondern könne auch ein Problem werden im privaten Nahraum, sagt Dorina Feldmann. »Wenn ein Familienmi­tglied beispielsw­eise eine wichtige Behandlung verweigert, weil es an heilende Steine glaubt, statt an Medizin, sind Menschenle­ben gefährdet.«

Politikeri­n Johlige wünscht sich »eine Kultur des Hinschauen­s«. Für sie ist klar: »Es geht um Aufklärung und wir sollten über Aussteiger­programme nachdenken«, die ähnlich wie Sektenbera­tung Hilfestell­ung für Betroffene und ihre Angehörige bieten können.

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Selbst die aberwitzig­sten Verschwöru­ngstheorie­n werden geglaubt.

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