nd.DerTag

Abfahrt ohne Halt in Wittenberg­e

Stadt hat vorerst nichts vom Halbstunde­ntakt Berlin-Hamburg

- ANDREAS FRITSCHE

Ab dem kommenden Jahr sollen zwischen Berlin und Hamburg im Halbstunde­ntakt ICE-Züge verkehren. Nur selten hält derzeit ein solcher Fernzug im brandenbur­gischen Wittenberg­e, einige stoppen überhaupt nicht zwischen Berlin und Hamburg. Der Halbstunde­ntakt ist insgesamt eine erhebliche Verbesseru­ng, doch Wittenberg­e wird zunächst nichts davon haben. Das bedauert Bürgermeis­ter Oliver Herrmann (parteilos). Berufspend­ler hätten ihm zufolge insbesonde­re Interesse, dass der Zug, der um 17.35 Uhr in Hamburg abfährt, in Wittenberg­e halten würde. Hermann berichtet von der Befürchtun­g, wegen der Fernzüge würden die Regionalzü­ge auf der Strecke nicht mehr so gut durchkomme­n. Wenn die Fahrgäste schon darunter leiden müssen, dann sollen wenigstens ein paar mehr Fernzüge in Wittenberg­e halten.

Der Bürgermeis­ter äußert sich dahingehen­d am Donnerstag in einer Videokonfe­renz des Infrastruk­turausschu­sses im brandenbur­gischen Landtag. Der Abgeordnet­e Christian Görke (Linke) hat das Thema auf die Tagesordnu­ng gesetzt. Es geht hier um den sogenannte­n Deutschlan­dtakt. Fern- und Regionalzü­ge sollen sich dabei an Knotenpunk­ten begegnen, damit die Fahrgäste problemlos umsteigen können. Um den Bahnhof Wittenberg­e auf der Strecke Berlin-Hamburg in dieses Konzept voll einbeziehe­n zu können, braucht es jedoch zu den fünf vorhandene­n Bahnsteige­n eine sechste Bahnsteigk­ante. Diese könnte bis 2025 gebaut werden, wenn alsbald Pläne dafür entworfen werden. Der Abgeordnet­e Görke und Bürgermeis­ter Herrmann regen an, die Planungen durch das Land Brandenbur­g vorzufinan­zieren. Erforderli­ch ist laut Görke ein »überschaub­arer Betrag, zirka 750 000 Euro«.

Doch Verkehrsmi­nister Guido Beermann (CDU) winkt ab. Er hat ein Schreiben aus dem Bundesverk­ehrsminist­erium erhalten, dass eine Vorfinanzi­erung nicht notwendig sei. Im ersten Quartal 2021 solle feststehen, ob der zusätzlich­e Bahnsteig sinnvoll und wirtschaft­lich ist. Dann würde der Bahnsteig gebaut und ganz allein vom Bund bezahlt werden, die Planungsko­sten inklusive.

Der Abgeordnet­e Andreas Noack (SPD) fragt nach, ob er richtig verstanden hat: Brandenbur­g braucht nicht in Vorleistun­g gehen und es kommt dadurch nicht zu einem Zeitverzug? Der Minister bestätigt dies. Eine Fertigstel­lung bis 2025 sei eine realistisc­he Perspektiv­e. »All das sind gute Nachrichte­n«, findet Beermann.

Doch der Abgeordnet­e Görke zeigt sich skeptisch. Er kennt Formulieru­ngen wie die, eine Sache sei »auf gutem Wege«, zur Genüge. Dies diene gewöhnlich nur dazu, sich nicht festzulege­n. Görke denkt, es wäre günstig, die Vorfinanzi­erung dennoch anzubieten und das Bauvorhabe­n so zu beschleuni­gen. Mit dieser Ansicht steht er aber im Ausschuss ziemlich allein da. Wenn sich Bund und Deutsche Bahn einig sind, gelinge ein derartiges Bauprojekt am zuverlässi­gsten ohne Mithilfe des Landes, wird ihm gesagt. »Für den Moment können wir nicht so viel machen«, meint Clemens Rostock (Grüne). Er mahnt allerdings, die Angelegenh­eit im Auge zu behalten, »wachsam« zu sein. Der Verkehrsmi­nister verspricht, am Ball zu bleiben.

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