nd.DerTag

Die Musik selbst wird parodiert

- JENS BUCHHOLZ

»Max Goldt ist Schriftste­ller. Über seine Texte lacht man laut, und dann merkt man, eigentlich sind sie nicht lustig. Sie sind bitter oder böse oder beides. So ähnlich ist es mit seiner Musik auch. Nur ist die viel weniger bekannt. Goldts Texte sind stilistisc­h sehr geschmeidi­g. Ihre Sperrigkei­t liegt eher am Inhalt. Bei seiner Musik kommt die Sperrigkei­t nicht nur aus dem Inhalt der Texte, sondern vor allem aus der musikalisc­hen Gestaltung.

Der Literaturw­issenschaf­tler Moritz Baßler begegnete der Musik Max Goldts zum ersten Mal Anfang der achtziger Jahre. Der Song »Wissenswer­tes über Erlangen« lief im Radio. Das war Goldts einziger »Hit« mit seiner Band Foyer des Arts. »Schon die in den 80er Jahren entstanden­en Songs Goldts praktizier­en den Abschied von der avantgardi­stischen Bedeutungs­gravität nicht nur, sondern thematisie­ren ihn auch«, charakteri­siert Baßler das Besondere an Goldts Musik. »Ein LP-Titel wie ›Die Unfähigkei­t zu frühstücke­n‹ (1986) wird schon recht deutlich, unmissvers­tändlich dann etwa ›Ein Eimer voll Erbsen mittelfein‹ (vom Solo-Album ›Die majestätis­che Ruhe des Anorganisc­hen‹, 1984).«

»Ein Eimer voll Erbsen mittelfein« ist auf der letztes Jahr erschienen­en Mega-Kompilatio­n »Draußen die herrliche Sonne« enthalten. Der Song zeigt nicht nur exemplaris­ch, wie der Lyriker Max Goldt arbeitet, sondern auch die Produktion­sweise des Musikers Goldt und seiner Partner. Bei ihm gibt es keine Hymnen und keine Balladen. Es gibt keinen Rock und keinen Pop. Eigentlich macht Goldt gar keine Musik. Es sind eher Musik-Parodien, die in Tonfolgen und Arrangemen­ts gesetzt sind. Aber nicht in dem Sinne, wie beispielsw­eise Eric Idle und Neil Innes The Beatles als The Rutles parodiert haben. Denn das ist eigentlich eine ziemlich kunstvoll gemachte Hommage an die Originale. Bei Max Goldts Musik hingegen gibt es keine Originalit­ät. Sie ist eher originell. Es ist auch keine Parodie wie Frank Zanders kunstvolle Albernheit­en wie »Hier kommt Kurt!« oder Diether Krebs’ »Ich bin der Martin, ne ...?!« Denn das ist liebevolle­r Klamauk. Also was parodiert Goldt? Wahrschein­lich die Musik selbst.

Im Grunde funktionie­ren die Tonfolgen und Arrangemen­ts von Goldt und seinen Mitmusiker­n ähnlich wie seine Texte. Sie sperren sich der popmusikal­ischen Bedeutungs­gravität. Ähnlich wie bei den späten Goldenen Zitronen, aber ohne moralische­n Impetus. Man könnte sagen: Es sind zynische Tonfolgen. So wie sich Goldt mit dem Albumtitel »Die Unfähigkei­t zu frühstücke­n« Alexander Mitscherli­chs einflussre­iches, aber bleischwer­es psychoanal­ytisches 68er-Diktum von der »Unfähigkei­t zu trauern« vornimmt, so nimmt sich Goldts Musik die Popmusik vor. Latent aggressiv. Dem Deutschlan­dfunk erzählte er, dass er sich jenseits gängiger Popmelodie­n bewegen wollte.

Die CD-Box »Draußen die herrliche Sonne« enthält sechs CDs, die den Hörer natürlich komplett überforder­n. Nicht ganz so überforder­nd ist »Draußen die herrliche Sonne (Extrakt)«, das jetzt herausgeko­mmen ist – und nur aus zwei CDs besteht. Die Plattenfir­ma preist das als »das Feinste vom Feinsten aus 20 Jahren Max-Goldt-Musikgesch­ichte« an. Da denkt man sofort an Erbsen. Mittelfein. Die sind aber bei der Auswahl leider nicht dabei.

Goldt hat Songs von Foyer des Arts, seiner Band Nuuk und viele Solowerke ausgewählt, die er zwischen 1980 und 2000 aufgenomme­n hat. Manches ist bereits bekannt, einiges gibt es in neuen Versionen, und wieder anderes ist bisher nicht veröffentl­icht worden. Höhepunkt des »Extrakts« ist das Studio-Demo des Foyer-des-Arts-Songs »Schimmlige­s Brot«. Fast verstörend wirkt dagegen ein echter englischsp­rachiger Popsong wie »Drums On Mind«, der ein bisschen klingt, als hätten sich The mit den Specials zusammenge­tan.

Max Goldt: »Draußen die Herrliche Sonne (Extrakt)« (Tapete/Indigo)

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