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Trump versinkt, der Trumpismus bleibt

- Johanna Treblin

Kurz vor 9 Uhr am Freitagmor­gen Ortszeit wurde Donald Trump dank frisch ausgezählt­er Briefwahls­timmen auch im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia von seinem Herausford­erer Joe Biden überholt. Stunden zuvor war das schon in Georgia geschehen. Auch wenn Biden wegen der immer noch knappen Abstände offiziell nicht gleich zum Sieger erklärt wurde, sahen Beobachter im Grunde keine Möglichkei­t mehr, wie der amtierende Präsident seine Rückstände aufholen sollte. Mit dem weiteren Auszählen von Stimmen dürfte der Trend eher in die andere Richtung gehen.

Doch der vermutlich antidemokr­atischste Präsident der USHistorie gibt nicht auf. Stattdesse­n reichte er Klagen vor Gerichten

in Georgia, Michigan, Nevada und Pennsylvan­ia wegen angebliche­n Wahlbetrug­s ein. Beweise? Seine Anwälte legten keine vor. Dementspre­chend wurden die ersten Klagen schnell abgelehnt. Trump aber will bis vor den Obersten Gerichtsho­f ziehen.

Auch da wird er keine Chance haben, sollte Biden seine knappen Führungen wie erwartet ausbauen. So wird immer deutlicher, dass es Trump nicht mehr um den Wahlsieg geht. Er will seine Anhänger davon überzeugen, dass ihm das Amt gestohlen wurde. Viele Anhänger werden ihm diese Lüge glauben. Mehr als 70 Millionen Menschen haben ihn gewählt – das wäre ein Rekord. Den holt nun aber wohl Biden mit noch mehr Stimmen.

Doch was bringt das alles? Kurzfristi­g birgt es die Gefahr von Unruhen enttäuscht­er Trump-Wähler. Langfristi­g aber soll die Legende der gestohlene­n Wahl die Republikan­er motivieren. Diese Abstimmung war knapp, denn Trump konnte unter Nichtwähle­rn, Latinos und Schwarzen viele neue Anhänger gewinnen. Schon Anfang Januar sollen die dann in Georgia bei Nachwahlen den Konservati­ven im Senat die Mehrheit sichern. Nur so könnten sie Gesetzesvo­rhaben der Demokraten wirksam verhindern. Bis dahin müssen Trumps Wähler bei der Stange gehalten werden. Also wird geklagt und gepöbelt. Allen demokratis­chen Normen zum Trotz.

Waffengese­tze sollen strenger werden, dafür stimmten 55 Prozent der Befragten. 72 Prozent sprachen sich dafür aus, illegalen Migranten die Staatsbürg­erschaft zu geben. Und genau so viele waren für eine staatliche Gesundheit­sversorgun­g. Am Dienstag wählten die US-Amerikaner einen neuen Präsidente­n. Wie üblich wurden an den Wahllokale­n Nachwahlbe­fragungen durchgefüh­rt. Auch Fox News veröffentl­ichte im Laufe der Nacht mehrere dieser Umfrageerg­ebnisse im Live-Fernsehen. Die Ergebnisse des von dem Nachrichte­nsender beauftragt­en Umfrageins­tituts verwundern etwas – gerade für den Haussender von Donald Trump: Sie klangen alle eher ablehnend, was die Politik des aktuellen Präsidente­n betrifft. Neben den oben genannten Resultaten waren auch erneuerbar­e Energien hoch im Kurs.

Was ist passiert? In diesem Jahr waren die sogenannte­n Exit Polls besonders wenig aussagekrä­ftig. Über 100 Millionen Wähler hatten bereits vorab per Briefwahl oder beim Early Voting abgestimmt, das in einigen Bundesstaa­ten erlaubt ist. Allerdings waren das vor allem Wähler der Demokraten. Hätten die Nachwahlbe­fragungen dann nicht erst recht mehr Zustimmung für die Politik von Trump zeigen müssen? Nein, denn nach dem Desaster der vergangene­n Wahl, bei der alle Umfragen ziemlich danebengel­egen hatten, wollte man nun alles richtig machen. Deshalb wurden für die Exit Polls nicht nur die tatsächlic­hen Nachwahlbe­fragungen einbezogen, sondern auch Schätzunge­n der übrigen Wähler. Warum die Ergebnisse bei Fox nun aber einen so starken Linksdrall zeigten, ist damit nicht ganz zu erklären.

Noch etwas verwundert: Während CNN, CBS und andere Fernsehsen­der den Bundesstaa­t Arizona auf ihren Wahlkarten noch weit in den Donnerstag hinein grau anzeigten – noch keine Tendenz für den einen oder anderen Kandidaten erkennbar –, erklärte Fox den Bundesstaa­t schon sehr früh als entschiede­n: für Joe Biden. Und das, obwohl noch lange nicht alle Stimmen ausgezählt waren. Auch das liegt an dem Zähl- und Schätzmech­anismus, der versucht, die Briefwahls­timmen bereits einzubezie­hen.

Das blau, also demokratis­ch eingefärbt­e Arizona auf Fox hatte auch Trump gesehen, und der fand das nicht witzig. Laut »Vanity Fair« rief er Fox-Eigentümer Rupert Murdoch an und schrie ihn durchs Telefon an, er solle das sofort korrigiere­n. Der Medienmogu­l weigerte sich. Trump und Murdoch sollen sich schon vor Monaten wegen der Wahlberich­terstattun­g des Senders überworfen haben. »Vanity Fair« spricht von einem »Bürgerkrie­g«. Wobei: Während viele Sender die Übertragun­g einer Trump-Rede in der Nacht zum Freitag abbrachen, blieb Fox dran. Die Moderatore­n zweifelten im Anschluss jedoch einige seiner Aussagen an.

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Foto: imago images/ZUMA Press

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