Kulturschaffende aus Berlin erzählen, was die Coronakrise mit ihnen macht.
Für die Puppenspielerin Rike Schuberty ist die erneute Schließung der Theater eine Absage an ihre künstlerische Existenz.
Die Premiere am 14. November fällt aus. Die Inszenierung des Stücks »Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat« am Puppentheater Magdeburg war bereits vom Sommer auf den Spätherbst verschoben worden. Sie war die Regiearbeit, auf die Rike Schuberty in diesem Jahr gesetzt hatte, setzen musste. Der freischaffenden Musikerin, Regisseurin und Puppenspielerin zerfiel im März ihre gesamte Jahresplanung zu Staub, als die Corona-Pandemie Europa erfasste und ihr Arbeitsfeld, die bundesweiten Bühnen, von einem Tag auf den anderen geschlossen wurden.
Es sind nicht nur die finanziellen Ausfälle, die die Berlinerin seit nunmehr acht Monaten zu verkraften hat – sie unterschreibe Verträge, die ihr keinerlei Sicherheit böten, meint sie. »Es ist fies und gemein, und es fühlt sich scheiße an«, sagt die facettenreiche Künstlerin zum »nd«. Sie erlebe die jetzt erneut angeordnete Schließung der Spielstätten als »Ohrfeige« für Theater und Bühnenbetriebe. »Seit Monaten ackern die Leute wie blöd, denken sich jeden Tag neue Konzepte aus, stellen Anträge, kämpfen für ihre Häuser und Spielideen«, ärgert sich Schuberty.
Überall seien funktionierende Hygienekonzepte erarbeitet worden, so ihre Erfahrung: »Die wissen doch alle, was auf dem Spiel steht – und auch, dass kontrolliert wird«. Man nehme aufwendige und kostenintensive Maßnahmen auf sich, die in vielen Fällen zu Lasten von Schauspieler*innen und Inszenierungen gehen. »Theater beruht doch auf der Interaktion zwischen Bühne und Publikum«, erklärt Schuberty. Von Livestreams hält sie wenig. Eine Gesellschaft werde krank, wenn es keine Theater gebe, sie seien Ort der Bildung und Auseinandersetzung, vor allem für Kinder und Jugendliche, so die Künstlerin.
Nun scheint es, als werde gerade dieser »empfindliche Bereich« als verzichtbar erachtet. »Ich fühle mich reduziert – so, als sei meine Arbeit ein Unterhaltungsprogramm, das man sowieso nicht braucht«, fasst Schuberty ihre Enttäuschung in Worte. Sie versucht nun seit Monaten im kleinen Rahmen, Wege zu finden, die Härten abzufedern, die viele ihrer Kolleg*innen derzeit treffen. Im kleinen Theater Grashüpfer in Treptow-Köpenick, in dem sich Schuberty seit langem stark engagiert, greift man zum Beispiel zur Zeit auf die Rücklagen des Fördervereins zurück und schießt pro Quartal 3000 Euro zu, damit auftretenden Künstler*innen zumindest ein Minimum an zuverlässiger Gage gezahlt werden kann. »Alle bekommen pro Auftritt fest 150 Euro«, erklärt die gelernte Puppenspielerin.
Dies sei zwar »ein Witz«, verglichen mit den sonstigen Einnahmen, aber: »Wenn sie in dem kleinen Raum unter den aktuellen Bedingungen ›auf Eintritt‹ spielen würden, käme gar nichts rum.« Zumal man nicht einmal sicher sagen könne, ob von beispielsweise zwölf angemeldeten Kindern nicht doch fünf am Ende gar nicht in die Spielstätte im Treptower Park kommen, schildert Schuberty die Erfahrung des 1984 gegründeten Puppentheaters mit der Pandemie.
Es sind gerade die kleinen Häuser, die unter den Einschränkungen ächzen. Das Risiko einer langfristigen Schließung ist hoch. Aber es betrifft auch die sehr schlecht abgesicherten freien Künstler*innen. Sie habe es sich nicht ausgesucht, freischaffend zu sein, meint Schuberty, so viele Stellen gebe es gerade in Berlin in ihrem Bereich ja gar nicht. Nur eine Art Arbeitslosenversicherung für Künstler*innen kann in ihren Augen das Problem grundsätzlich lösen. Oder ein Programm, das ein Grundeinkommen garantiert. Und – für den Moment – Stipendien, die helfen, die schwierige Zeit zu überbrücken. Dann könnten trotzdem Stücke entwickelt und produziert werden, die zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt würden. Die Bedingungen seien eben sehr unterschiedlich: »Man muss doch genau hinsehen, wer gerade was zu tun hat und dementsprechend Unterstützung braucht«, erklärt die Mimin.