Stephan Kaufmann Den Finanzmärkten würde ein Präsident Biden gut passen
Wie Demokraten in den USA die Wahl sehen
Nia Jackson-McCure Ana Pérez Ken Shirilla
Er sei »entsetzt, dass für einen großen Teil der Bevölkerung Faschismus eine Option ist«, und »enttäuscht von meinen Nachbarn«, sagt Ken Shirilla. Er meint die Menschen in Youngstown, der alten Arbeiterstadt im Mahoning Valley im Osten von Ohio. Der Landkreis hat am Dienstag mit knapper Mehrheit für Trump gestimmt. Im nördlich angrenzenden Trumbull County holte Trump schon 2016 knapp die Mehrheit und nun noch mehr Stimmen. Früher ist auch Shirilla jeden Tag die 20 Meilen nach Norden bis zur General Motors Fabrik in Lordstown gefahren. Die Fabrik hat 2019 zugemacht, viele Arbeiter zogen weg – es war das Ende eines langen Niedergangs und ein weiterer Schlag für die von Deindustrialisierung gebeutelte Region. Trump hatte 2016 versprochen, mit ihm würden die Jobs zurückkehren. »Es ist das, was sie hören wollen«, sagt der Frührentner über Gewerkschaftsmitglieder, die jetzt Trump wählen, obwohl die Stadt früher fest in Demokraten-Hand war. »Ich bin so begeistert, dass Joe Biden vielleicht Georgia gewinnen wird«, sagt Nia Jackson-McCure. Am Wahltag hatte sie zunächst Schwierigkeiten, den an der Rückseite einer Schule versteckten Eingang zum Wahllokal zu finden, weil es »bis mittags keine Hinweisschilder gab, wie mir ein Wahllokalmitarbeiter erzählt hat«, so die 30-Jährige, die als Consultant Kleinunternehmer bei Kreditanträgen berät. Das hat in ihr gleich einen Verdacht geweckt, dass die Republikaner im konservativen Südstaat es erneut den Einwohnern der Schwarzen-Metropole Atlanta »schwierig machen wollten« zu wählen. Schwarze Frauen wie sie gehören zu den zuverlässigsten Wählern der Demokraten. Ihre Familie hat ihren Teil dazu beigetragen »Mein Bruder hat Menschen zu den Wahllokalen gefahren«, erzählt sie.
Jim Bleil
Jim Bleil hat ein schwieriges Verhältnis zu seinen Nachbarn – und er hat Angst. Er ist schwul, lebt auf dem Land in »Trump country« nördlich von Pittsburgh. Menschen wie er haben dafür gesorgt, dass Donald Trump auf dem Land nicht mit zu hohem Vorsprung gewinnt und damit die Stimmenzahl für Biden in den Städten übertrumpft. »Manche Nachbarn vermuten sicher, dass wir schwul sind, dass wir nicht einfach nur zwei Männer sind, die zusammenleben«, sagt er.
Ana Pérez hat den Wahltag mit einer Freiwilligenschicht vor einem Wahllokal in Austin verbracht, hat Wählern von einem Stadtverordneten der Democratic Socialists of America erzählt, Greg Cesar. »Viele kannten ihn nicht, waren aber offen für seine Vorschläge – er hat seine Wiederwahl mit einem Erdrutschsieg geschafft«, sagt die junge Latina und DSA-Aktivistin. Pérez meint: »Die Latinos, die ich kenne, die Biden nicht mögen, haben einfach nicht gewählt«, im Rio Grande Valley in SüdTexas etwa, südlich von San Antonio, wo ein Teil von Pérez Familie immer noch lebt.