Marie Frank, Claudia Krieg, Rainer Rutz und Nicolas Šustr
Kulturschaffende über die Bedrohung ihrer Arbeit in Corona-Zeiten
»Es gibt mir Energie, wenn ich auf der Bühne stehe und du schreist«, rappt Amewu in dem Song »Live MCs« mit seinen Berliner Rap-Kollegen Chefket und Megaloh. Doch damit ist es nun erst einmal vorbei: Live-Konzerte können in den nächsten Wochen, vermutlich sogar Monaten, keine mehr stattfinden. »Ich hätte eigentlich eine Show im Dezember gehabt, keine Ahnung, ob ich die spielen kann«, sagt Amewu zu »nd«. Auch sein Engagement bei der Schaubühne, das der 37-Jährige mangels Auftrittmöglichkeiten angenommen hatte, fällt angesichts der Theaterschließungen erst einmal aus.
Die Coronakrise hat den talentierten Rapper hart getroffen: Dreimal wurde seine Tour bisher verschoben, das Geld aus den Konzerteinnahmen fehlte, und dann starb auch noch plötzlich sein Vater und er musste unter Pandemie-Bedingungen die Beerdigung organisieren. Seit März hangelt sich Amewu von Antrag zu Antrag: Soforthilfen, Fördergelder, Künstlerstipendium, Corona-Hilfsfonds der Gema. »Ich war sehr viel damit beschäftigt, abzuchecken, was ich überhaupt beantragen kann«, sagt der gebürtige Charlottenburger. Denn nicht alle aufgelegten Soforthilfen für Solo-Selbstständige kommen für ihn auch infrage. Etwa, wenn sie nur die laufenden Betriebskosten abdecken, die der Musiker so gut wie nicht hat. »Mir bringt es auch nichts, wenn ich es im Nachhinein zurückzahlen muss. Ich verdiene ja nicht später plötzlich das Doppelte. Das Geld, das ich jetzt nicht verdiene, verdiene ich einfach nicht.«
Drei Konzerte hat er seit Ausbruch der Coronakrise gespielt, auf Streaming-Konzerte hat der Live-MC »keinen Bock«, weil da keine Stimmung entstehe: »Das gibt mir nichts.« Also musste ein Plan B her. »Dann habe ich angefangen, mich aufs Aufnehmen zu konzentrieren«, sagt Amewu, der derzeit sein drittes Album plant. Um seine eigene Zukunft macht er sich weniger Sorgen als um die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Krise. »Bevor ich von Musik leben konnte, habe ich jahrelang mit sehr wenig Geld auskommen müssen.« Er fragt sich jedoch, wie viele der Läden, in denen er in der Vergangenheit für Stimmung
sorgte, auch nach der Krise noch da sein werden. »Ich mache mir Sorgen, dass die kleinen Läden, nicht nur in der Kulturbranche, zumachen müssen, weil sie sich nicht mehr halten können und von großen Firmen aufgekauft werden«, sagt Amewu. »Die beste Zeit für Leute, die Kapital besitzen, einzukaufen ist, wenn Sachen billig sind – und die Sachen sind billig, wenn die Leute am Arsch sind.«
Der Deutschrapper hat da eine bessere Idee: »Der beste Move wäre, allen Leuten Geld zu geben.« Und zwar wirklich allen und nicht – wie beim Künstlerstipendium des Senats, wo 8000 Bewerber auf 2000 Plätze kamen, die dann letztlich ausgelost wurden – nur einige wenige. »Man muss die Leute mit Geld beschmeißen. Und zwar so, dass sie nicht erst eine Ausbildung machen müssen, um das beantragen zu können.« Ohne all die Existenzängste, glaubt Amewu, könnten die Leute aus der belastenden Zeit noch etwas Schönes ziehen. »Die Leute würden dann vielleicht auch nicht auf so komische Ideen kommen, wie auf die Straße zu gehen wegen irgendwelchem Corona-Quatsch«, sagt er scherzhaft. Witzig findet er die Corona-Leugner aber eigentlich nicht, auch wenn er nicht mit allen Maßnahmen einverstanden ist. »Ich bin immer wieder beeindruckt, was Leute in Deutschland auf die Straße bringt«, sagt Amewu, der durch seine Mutter früh politisiert wurde. »Du kannst alle Sozialwohnungen verkaufen, alle Sozialleistungen abschaffen, und es interessiert niemanden. Aber wenn Flüchtlinge Schutz brauchen oder es Maßnahmen gegen das Coronavirus gibt, geht das nicht, da muss man dann politisch aktiv werden«, sagt er verständnislos.