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Johannes Simon Warum auch Latinos Trump gewählt haben

Donald Trump hofft, dass ihm die US-Gerichte den Wahlsieg zusprechen, doch das ist unwahrsche­inlich.

- Von Oliver Kern

Alle drei großen Fernsehnet­zwerke der USA unterbrach­en ihre Übertragun­g. So etwas hat es noch nie gegeben. Der amtierende Präsident wird abgeschalt­et, weil fast alles, was er im Presseraum des Weißen Hauses von sich gibt, falsch und gelogen ist. ABC, NBC und CBS wollten ihren Millionen Zuschauern am Donnerstag­abend zur besten Sendezeit zeigen, wie Donald Trump auf seine schwindend­en Wiederwahl­chancen reagiert. Doch schon nach wenigen Minuten sahen sie sich gezwungen, ihre Faktenchec­ker einzuschal­ten. Die CNN-Moderatore­n, die Trump hatten ausreden lassen, kämpften danach mit ihren Emotionen: »Es fällt mir schwer, mich zusammenzu­reißen«, sagte Dana Bash. »Was für eine traurige Nacht«, stimmte Jake Tapper ein. »Die Menschen in den USA mussten gerade mit anhören, wie ihr Präsident die Demokratie attackiert und diejenigen beschimpft, die gerade freiwillig alle Stimmen zählen.«

Für Beobachter war klar: Donald Trump versucht nur noch zu retten, was nicht mehr zu retten scheint. Wenige Stunden später verlor er seine Führung im Bundesstaa­t Georgia, und am nächsten Morgen katapultie­ren auch in Pennsylvan­ia die erst spät ausgezählt­en Briefwahls­timmen seinen Kontrahent­en Joe Biden nach vorn. Der Wahlsieg war dem Demokraten da kaum noch zu nehmen. Also erfand Trump »illegale Stimmen«, sprach von Wahlbeobac­htern, die angeblich nicht in die Zählzentre­n gelassen würden. Seine Anwälte sprechen von Toten, die gewählt hätten, und von Briefwahls­timmen, die erst nach dem Wahltag angekommen seien und daher illegal gezählt würden. Für keine Anschuldig­ung lieferte er einen Beweis.

Dennoch kündigte Trump den Gang vor die Gerichte an. Und viele Demokraten befürchten, dass die ihm den immer unwahrsche­inlicher werdenden Sieg doch noch zusprechen könnten. Schließlic­h hat der Republikan­er in den vergangene­n vier Jahren Hunderte Richter an Bundesgeri­chten installier­t und sich mit drei neuen Richtern eine 6:3-Mehrheit am Obersten Gerichtsho­f gesichert. Dennoch spricht vieles dagegen, dass dem Präsidente­n auf diesem Weg ein Erfolg gelingen kann.

Sein erstes Problem ist die Beweislage. Auch konservati­ve Richter in den USA brauchen Hinweise auf Betrug, um Stimmen für ungültig zu erklären. Bislang haben Trumps Anwälte nichts dergleiche­n vorweisen können. Daher wurden erste Klagen in Michigan, Georgia und Pennsylvan­ia am Donnerstag schon abgewiesen. Vereinzelt­e Anhänger Trumps berichten zwar von angeblich gestohlene­n Briefwahlu­nterlagen, doch selbst wenn derlei Einzelfäll­e wahr wären, würden sie aller Voraussich­t nach nicht ausreichen, um zum Beispiel alle Stimmen in Pennsylvan­ia neu auszählen zu lassen. Der Oberste Gerichtsho­f würde eine Klage zudem auch nur annehmen, wenn alles an einem einzigen Bundesstaa­t hängen würde und dieser besonders knapp wäre. Wahrschein­licher erscheint derzeit aber, dass Bidens mit Siegen in Arizona und Nevada seinen Vorsprung noch ausbauen könnte.

Trumps zweites Problem ist die fehlende Logik in seinen Argumenten: Warum sollen spät ausgezählt­e Stimmen in Pennsylvan­ia betrügeris­ch sein, nicht aber die in Arizona, wo Trump zuletzt aufholte? Würde wirklich überall die Auszählung abrupt gestoppt werden, läge Biden vorn.

Den Juristen des Präsidente­n gelangen bislang nur kleine Erfolge, als etwa ihren Wahlbeobac­htern erlaubt wurde, den Wahlhelfer­n näher zu kommen, um deren Arbeit besser zu kontrollie­ren. Der Vorwurf, sie würden gar nicht zugelassen, ist falsch. In so gut wie jedem US-Wahllokal gibt es Beobachter beider Lager.

Sollten die Gerichte Trump nicht helfen, hoffen seine Anhänger auf die Parlamente der Bundesstaa­ten. Die wählen schließlic­h laut Verfassung die Wahlleute aus, die im Dezember den neuen Präsidente­n wählen. Doch auch diesem Szenario steht das Gesetz im Weg. Vielmehr viele Gesetze, denn jedes Einzelparl­ament hat eines beschlosse­n, das ein Umgehen der Wahlen explizit ausschließ­t.

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