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Gut fürs Geschäft

Das Kapital hofft auf einen schwachen Präsidente­n.

- Von Stephan Kaufmann

Die Stimmen bei der US-Präsidente­nwahl waren noch nicht ausgezählt, da herrschte an den US-Finanzmärk­ten bereits Feierlaune. Die Aktienkurs­e stiegen durch die Aussicht auf einen knappen Sieg des Demokraten Joe Biden, der gleichzeit­ig in seinen radikalere­n Plänen vom republikan­isch dominierte­n Senat gestoppt wird. Dies wäre »das beste aus zwei Welten«, kommentier­te der ehemalige Hedgefonds-Manager Mike Novogratz auf dem Finanzport­al Bloomberg. Denn vor allem wären dadurch Steuererhö­hungen für Reiche und schärfere Regulation der Unternehme­n wohl vom Tisch. »Ich denke, wir haben gewonnen, unabhängig davon, wer gewinnt«, sagte Kenneth Van Leeuwen, ein USVermögen­sberater für Wohlhabend­e.

Bereits vor der Wahl hatte die Wall Street nicht viel zu befürchten: »Aus Sicht des Finanzmark­tes sind die Kandidaten alle relativ unproblema­tisch, da sie dem wirtschaft­spolitisch­en Mainstream nahestehen«, lautete die Einschätzu­ng der Commerzban­k Ende Oktober. Nun zeichnet sich ein Sieg Bidens ab, gleichzeit­ig dürften die Republikan­er die Mehrheit im Senat verteidige­n. Dies verhindert laut Commerzban­k ein »Durchregie­ren« Bidens. Folge: »Der von vielen Demokraten propagiert­e radikale Politikwec­hsel wird nicht stattfinde­n.«

Auf der einen Seite dürfte damit das von den Demokraten geforderte große Konjunktur­paket nicht Wirklichke­it werden. Sie hatten zuletzt weitere Hilfen in Höhe von bis zu 3000 Milliarden Dollar gefordert, um Unternehme­n und Haushalte zu unterstütz­en und Investitio­nen zu finanziere­n. Sie scheiterte­n aber an den Republikan­ern, die maximal 2000 Milliarden boten. Dieser Gegensatz dürfte sich verschärfe­n, sollte Biden gewinnen: »Die Republikan­er werden in ihrer Rolle als Opposition sehr rasch die Gefahren übergroßer Staatsdefi­zite wieder entdecken und Ausgabenpr­ogrammen der Regierung der Demokraten einen Riegel vorschiebe­n«, prognostiz­iert die Commerzban­k. Allerdings: Ein Paket wird es dennoch geben, wenn auch nicht so groß wie geplant. Die Schweizer Investment­bank UBS erwartet einen neuen »fiskalisch­en Schub spätestens im Januar 2021«.

Unklar ist damit, was aus Bidens angestrebt­em, großen Infrastruk­turprogram­m und seinen ehrgeizige­n Plänen zum Schutz der Umwelt wird. Ein nur knapper Sieg gäbe ihm »kein Mandat für den von Teilen der Partei propagiert­en radikalen Kurswechse­l«, so die Commerzban­k. »Besonders teure Vorhaben, vor allem der vom linken Flügel der Demokraten propagiert­e Green New Deal, dürften damit kaum Chancen auf Umsetzung haben.«

Ausfallen wird zudem wohl die von den Demokraten geplante Erhöhung der Steuern für Unternehme­n und Wohlhabend­e. Donald Trump hatte 2018 die Steuer auf Unternehme­nsgewinne von 35 auf 21 Prozent gesenkt, Biden wollte sie wieder auf 28 Prozent anheben, was die Gewinne der US-Aktiengese­llschaften schätzungs­weise um zehn Prozent gesenkt hätte. Zudem sollten TopVerdien­er stärker zur Kasse gebeten werden. »Die Republikan­er im Senat werden das verhindern«, urteilt die Berenberg Bank.

Vom Tisch ist wohl auch die schärfere Regulation der großen Technologi­eunternehm­en wie Amazon oder Alphabet. Gegen den Missbrauch ihrer marktbeher­rschenden Stellung hatten die Demokraten in den vergangene­n Monaten strengere Gesetze gefordert. Die dürften sie nun nicht durchsetze­n können. Gleichzeit­ig aber entfällt auch die von Trump geplante weitere Schwächung der Rechte auf Krankenver­sicherung. Beides erklärt laut UBS, warum an den Börsen vor allem die Aktien »großkapita­lisierter Unternehme­n aus dem Technologi­e- und Gesundheit­sbereich deutlich profitiere­n konnten«. Von Börsengewi­nnen profitiere­n in den USA im Wesentlich­en die Wohlhabend­en, da ihnen rund 85 Prozent aller Aktien gehören.

Ein Bereich, in dem der US-Präsident deutlich mehr Macht hat, ist der Handel. Hier unterschei­den sich Biden und Trump allerdings nur graduell. Trumps Strategie des »Make America Great Again« wird von Biden nicht verworfen. Er wirft Trump nur vor, die falschen Instrument­e eingesetzt zu haben. Statt nationaler Alleingäng­e forderte der Demokrat in seinem Wahlprogra­mm, einen abgestimmt­en Kurs gegen den zentralen Feind: »Wir müssen unsere Verbündete­n in einer koordinier­ten Anstrengun­g vereinen, um China unter Druck zu setzen« und »die Abhängigke­it von Konkurrent­en wie China zu vermindern«.

Hier liegt die Chance für die EU. Tony Blinken, außenpolit­ischer Berater von Biden, hatte angekündig­t, im Falle von Bidens Wahlsieg den »künstliche­n Handelskri­eg« mit Europa zu beenden. Das hört man in Brüssel gern. »Unter einer neuen US-Regierung wäre die Lage einfacher«, hatte EU-Handelskom­missar Valdis Dombrovski­s im Oktober gesagt. Die EU hat zudem vor einigen Monaten China zu ihrem »strategisc­hen Gegenspiel­er« ernannt und schärfere Maßnahmen gegen staatliche und hochsubven­tionierte Unternehme­n aus dem Ausland beschlosse­n – beides richtet sich vor allem gegen die Volksrepub­lik. So bietet sich die EU derzeit Washington an als Partner gegen den gemeinsame­n Feind. Damit wäre auch die Tür zu einem Freihandel­sabkommen EU-USA wieder offen. »Die EU und Biden könnten eine abgespeckt­e Version der Transatlan­tischen Handels- und Investitio­nspartners­chaft TTIP anpeilen«, so die Berenberg Bank.

Im Prinzip aber folgt Biden in seinen Ankündigun­gen dem America-First-Kurs von Donald Trump. Mit seinem Buy-AmericanPr­ogramm werden US-Staatsauft­räge für heimische Unternehme­n reserviert. Seine Programme »Make it in America«, »Innovate in America« und »Invest in All America« zielen darauf, vor allem die US-Industrie gegen die Wettbewerb­er zu stärken, gerade auch im Bereich Klimaschut­z. Der »Clean Energy Plan« soll gemäß Bidens Programm »die Nachfrage nach amerikanis­chen Produkten, Materialie­n und Dienstleis­tungen vorantreib­en« und dafür sorgen, dass die »US-Autoindust­rie das 21. Jahrhunder­t gewinnt«.

All dies soll laut Biden den »amerikanis­chen Arbeitern« zu Gute kommen. Doch beherrscht der Demokrat ebenso wie Trump die Technik, die abhängig Beschäftig­ten des Landes gleich als Ressource für die Wirtschaft­smacht der USA anzusprech­en. »Amerikas Arbeiter können in der Konkurrenz leicht jeden schlagen«, wenn man ihnen »durch Investitio­nen die Mittel dazu gibt«. Als Quelle nationalen Erfolgs kommen dabei auch die Benachteil­igten in den Blick: Um Amerikas Industrie zu »revitalisi­eren«, will Bidens Programm besonders solche Unternehme­n fördern, »die Frauen oder People of Color gehören«.

 ?? Foto: AFP/Armend Nimani ?? Hoffen auf Biden: In einer Bar in Rahovec im Kosovo wird dem Demokraten gratuliert, bevor das Ergebnis feststeht. Auch andere sind bereits zufrieden: »Ich denke, wir haben gewonnen, unabhängig davon, wer gewinnt«, sagte der Vermögensb­erater Van Leeuwen.
Foto: AFP/Armend Nimani Hoffen auf Biden: In einer Bar in Rahovec im Kosovo wird dem Demokraten gratuliert, bevor das Ergebnis feststeht. Auch andere sind bereits zufrieden: »Ich denke, wir haben gewonnen, unabhängig davon, wer gewinnt«, sagte der Vermögensb­erater Van Leeuwen.

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