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Indus-Kultur endete durch Klimaverän­derung

Die dritte große Kultur der Bronzezeit entstand mit dem Monsun und ging mit dem Monsun.

- Von Christian Mihatsch

Tropfstein­e sind Stein gewordene Zeit. Sie wachsen rund einen Zentimeter in hundert Jahren. Jedes Jahr lagert sich also eine 0,1 Millimeter dicke Kalkschich­t an. Die genaue Zusammense­tzung dieser Schichten lässt Rückschlüs­se auf das Wetter zur Zeit ihrer Entstehung zu. Letztlich ist ein Tropfstein also ein Archiv mit jahrtausen­dealten Wetterdate­n. Doch diese für die Klimawisse­nschaften zu nutzen ist schwierig, weil es sich »um kurze Zeitreihen mit Unsicherhe­iten und Störungen handelt« sagt Nishant Malik von der Universitä­t Rochester im US-Bundesstaa­t New York. Um dieses Problem zu lösen, benutzt er eine Kombinatio­n von drei mathematis­chen Techniken, um die Daten zu glätten. Diese Methode hat er dann auf Proben aus einer Tropfstein­höhle in Nordindien angewandt und das Ergebnis in der Zeitschrif­t »Chaos: An Interdisci­plinary Journal of Nonlinear Science« veröffentl­icht.

Malik ist es so gelungen, das Klima Nordindien­s in den letzten 5700 Jahren zu rekonstrui­eren. In diese Zeit fällt der Aufstieg und Niedergang der Indus-Kultur. Neben Mesopotami­en und Ägypten ist dies die dritte Hochkultur der Bronzezeit. Die Indus-Kultur entstand vor ungefähr 5300 Jahren und verschwand rund 2000 Jahre später wieder. In dieser Zeit erstreckte sie sich über fast die ganze Fläche des heutigen Pakistans sowie über Teile Nordindien­s und Afghanista­ns – knapp die vierfache Fläche Deutschlan­ds. In diesem Gebiet wurden mittlerwei­le über 140 Städte und Siedlungen gefunden. Die beiden größten, Harappa und Mohenjo-Daro liegen am Indus, Pakistans wichtigste­m Fluss. Die Indus-Kultur zeichnet sich durch ihre hoch entwickelt­e Stadtplanu­ng aus. Die Straßen folgten einem Gittermust­er und waren asphaltier­t. Die Häuser hatten Toiletten, die an ein Kanalisati­onssystem angeschlos­sen waren. Im Gegensatz zu Mesopotami­en und Ägypten gab es aber keine Monumental­bauten.

Warum die Indus-Kultur verschwand, war bislang umstritten. Es gab drei Theorien: Eine Invasion von »Indo-Ariern«, Erdbeben und klimatisch­e Veränderun­gen. Malik konnte nun zeigen, dass das Schicksal der Indus-Kultur zeitlich mit Veränderun­gen des Monsuns in Nordindien zusammenfä­llt. Um 3300 v. u. Z. – als die Indus-Kultur entstand – nahm die Menge an Niederschl­ägen deutlich zu. Und um 1500 v. u. Z. wurde der Monsun dann wieder deutlich schwächer, also zur Zeit, als »die meisten Städte der Indus-Kultur aufgegeben wurden«. Der Grund für den Niedergang dürfte ein Rückgang der Produktivi­tät in der Landwirtsc­haft gewesen sein. Eine Gesellscha­ft muss sich Stadtbewoh­ner leisten können. Harappa und Mohenjo-Daro

hatten 30 000 bis 40 000 Einwohner. Um diese zu ernähren, müssen die Bauern im Umland hochproduk­tiv sein. Sind sie dies nicht, bleibt den Städtern nichts anderes übrig, als ebenfalls aufs Land zu ziehen und dort ihre eigenen Lebensmitt­el anzubauen. Die arbeitstei­lige Hochkultur verschwind­et.

Hinzu kommt, dass das wichtigste Exportprod­ukt der Indus-Kultur wohl Textilien aus Baumwolle waren. Diese wurden bunt gefärbt und erfreuten sich unter bronzezeit­lichen Modefans großer Beliebthei­t. Insbesonde­re mit den Sumerern im südlichen Mesopotami­en, im heutigen Irak, wurde reger Handel getrieben. Sumerische Quellen enthalten auch den einzigen Hinweis darauf, wie die Indus-Kultur zu ihrer Zeit geheißen haben könnte: Meluha. Für den Fernhandel unterhielt die Indus-Kultur ein weitläufig­es Netz von Handelsnie­derlassung­en von Shurtugai im Norden Afghanista­ns bis Ras alDschinz im heutigen Oman. Waren wurden sowohl über Land als auch über das Meer transporti­ert. Bei Lothal im indischen Bundesstaa­t Gujarat wurde sogar ein künstliche­s Hafenbecke­n entdeckt, das wohl älteste der Welt. Trotz all dieser Errungensc­haften hatte die Indus-Kultur möglicherw­eise keine Schrift und wenn doch, dann kann man diese nicht entziffern. Daher sind Aufstieg und Niedergang von »Meluha« bislang nur in Tropfstein­en dokumentie­rt.

 ?? Foto: dpa/EPA/Omer Saleem ?? In den über 4500 Jahre alten Überresten der Stadt Harappa im heutigen Pakistan fand sich auch eine Kanalisati­on.
Foto: dpa/EPA/Omer Saleem In den über 4500 Jahre alten Überresten der Stadt Harappa im heutigen Pakistan fand sich auch eine Kanalisati­on.

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