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Mit blutigen Knien

Corona hin oder her: Schauspiel­erin Ute Reintjes ist es gewohnt, keine Pläne zu machen.

- Von Rainer Rutz

»Das war Horror«, sagt die Berliner Schauspiel­erin Ute Reintjes über ihre Reaktion, als sie am Donnerstag vor einer Woche erfuhr, dass die Theater erneut dichtmache­n müssen. Gerade einmal sieben Tage ist es zu dem Zeitpunkt her, dass das Stück, in dem sie aktuell mitspielt, am Schauspiel Köln Premiere gefeiert hat. Eine Kritik feiert die drei- bis vierstündi­ge Performanc­e »Die Walküre« begeistert als »Freak-Show«. Und Reintjes mittendrin. Sie lässt sich auf den Boden fallen, erklimmt im Nachthemdc­hen auf allen Vieren einen Bühnenfels­en. Im Ergebnis hat sie nach jeder Vorstellun­g blaue Flecken und blutig geschupper­te Knie. »Ein irrsinnige­r Spaß in einem tollen Ensemble«, sagt Reintjes.

Genau das sollte nun nach wenigen Spieltagen vorbei sein? »Wir haben seit dem 10. September geprobt, das ganze Team war die ganze Zeit freiwillig in sozialer Isolation, ich hatte null Privatkont­akte mehr, um jegliche Coronafäll­e zu vermeiden«, so Reintjes. Auch bei der Inszenieru­ng seien alle Vorgaben beachtet worden: Hygienekon­zept, allabendli­ch nur etwas mehr als zwei Dutzend Zuschauer, Maskenpfli­cht. All das schien plötzlich für die Katz.

Das Engagement in Köln ist Reintjes’ erstes großes in diesem Corona-Jahr. Seit über 20 Jahren steht die Neuköllner­in auf der Bühne, in Berlin und Wien, in Wiesbaden und Köln, in Halle und Zeitz. Mal vor großem, mal vor kleinem Publikum,

mal auch in einer Schulturnh­alle, zwischendr­in Auftritte in Fernsehser­ien oder Aufnahmen im Hörspielst­udio. »Auf der Bühne werde ich meist als die Leidenscha­ftliche besetzt, als die Frau, die hinfällt und wieder aufsteht.«

Das alles brach im März schon einmal abrupt weg. Fernsehdre­hs wurden abgesagt, Theatervor­stellungen fielen ins Wasser. »Aber das hat mich damals gar nicht so tangiert«, erzählt Reintjes und schiebt dann hinterher: »Wegen eines Todesfalls, Covid-19. Ich war mit Trauerbewä­ltigung beschäftig­t.« Sie bittet um Verständni­s, darüber nicht weiter sprechen zu müssen. Irgendwann ging es irgendwie – und sie stand wieder auf. Reintjes sagt, sie sei froh, dass es die 5000Euro-Künstlerso­forthilfe des Berliner Senats gegeben habe. Das habe sie in der Zeit finanziell aufgefange­n. »Ich kann mit meinen Gagen nicht viel Geld anhäufen, um monatelang ohne Engagement­s bleiben zu können.«

»Die Walküre« in Köln war im Nachhinein betrachtet ein Volltreffe­r, so Reintjes. Denn auf die Hiobsbotsc­haft vom neuen Lockdown folgte die Entscheidu­ng der Theaterint­endanz, das Stück einfach weiter aufzuführe­n, nur eben ohne Publikum. Dafür wird ein Filmteam die Vorstellun­gen begleiten. »Ich habe gerade Glück, an einer staatliche­n Bühne engagiert zu sein. An einem Privatthea­ter wäre ich knallhart auf dem Boden der Corona-Realität für Künstler gelandet. Aber ich darf ja auch mal ein bisschen Glück haben.«

Trotzdem dürfte im Dezember auch in Köln Schluss sein. Ganz nach Plan. Und dann? Reintjes sagt: »Ich bin es gewohnt, keine Pläne zu machen. Auch wenn es müßig ist. Ich mag das.«

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