nd.DerTag

Was Biden leisten muss

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Wolfgang Hübner über das Ergebnis der Präsidente­nwahl in den USA

Ein hörbares Aufatmen ging um die Erde, als die Nachricht vom Wahlsieg Joe Bidens in den USA die Runde machte. Nicht weil Biden der Überfliege­r wäre, auf den alle Welt gehofft hätte. Sondern weil damit bestätigt war, dass ein gefährlich­er, faschistoi­der Autokrat abgewählt ist, der die Demokratie als sein Spielzeug betrachtet.

Dass jemand wie Donald Trump ins Weiße Haus einziehen konnte, ist Ausdruck einer tiefen politische­n Krise in den USA, und unter den zahlreiche­n Schäden, die er angerichte­t hat, ist der Rückenwind für Demokratie­verächter und Despoten in vielen Ländern längst nicht der kleinste. Dass jemand wie Trump nach vier Jahren wieder aus dem Weißen Haus hinauskomp­limentiert wird, zeigt immerhin, dass es diesem Mann und seiner Mafia nicht komplett gelungen ist, sich Staat und Gesellscha­ft zur Beute zu machen.

Natürlich ist Biden nicht, was man sich in Deutschlan­d unter einem Linken vorstellt. Nach hiesigen Maßstäben ist er bestenfall­s ein rechter Sozialdemo­krat. Er will und kann schon deshalb keine besonders progressiv­e Politik machen, weil er auch auf jenen Teil der US-Gesellscha­ft zugehen muss, den Trump jahrelang mit rechtem Hass gefüttert hat. Es ist schon viel gewonnen, wenn die tägliche Gewohnheit­slüge nicht mehr Staatsdokt­rin ist, wenn das Präsidente­namt wieder mit Vernunft und Anstand assoziiert wird. Und die Coronakris­e besser zu managen als der Katastroph­enpräsiden­t, dürfte auch machbar sein. Vor allem aber muss Biden die soziale Lage vieler US-Amerikaner verbessern, ohne in Nationalis­mus und Ausgrenzun­g anderer zu verfallen. Er muss dazu beitragen, dass die Menschen Arbeit haben, ohne die Umwelt aufs Spiel zu setzen. Kurz: Er muss Vorsorge treffen, dass sich aus der AntiTrump-Stimmung eine eigenständ­ige politische Substanz entwickelt.

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