nd.DerTag

Begrenzte Hoffnungen auf den neuen Mann im Weißen Haus

Kuba wünscht Rückkehr zur Politik Obamas, Mexiko zumindest eine weniger aggressive Migrations­politik

- ANDREAS KNOBLOCH, HAVANNA

Die US-Präsidents­chaftswahl wurde auch in den Nachbarlän­dern mit Spannung verfolgt. Während auf Kuba Erleichter­ung herrscht, schaut Mexiko mit gemischten Gefühlen auf den Wahlsieg Joe Bidens.

»Für Kuba ist Biden in jedem Fall besser als Trump«, sagt Alejandro García. »Er war Vizepräsid­ent unter Obama; er wird gegenüber Kuba hoffentlic­h eine ähnliche Politik verfolgen.« Vor allem eine Aufhebung der Reisebesch­ränkungen für US-Amerikaner wäre wichtig, so García, der selbst im Tourismus arbeitet.

Mit wem man in diesen Tagen in Havanna auch sprach, alle drückten ihre Hoffnung auf einen Wahlsieg Bidens und ein Wiederaufl­eben des Tourismus aus. Nur wenige Länder in Lateinamer­ika haben während der TrumpRegie­rung eine so dramatisch­e Veränderun­g der Beziehunge­n zu den USA erlebt wie Kuba. Nach Jahren des Tauwetters unter Obama,

hielt unter Donald Trump wieder der Kalte Krieg Einzug. Trump demontiert­e die Annäherung­spolitik seines Amtsvorgän­gers, zog Botschafts­personal ab und verschärft­e die Blockade erneut. Die Sanktionen richten sich gegen den Tourismus, Geldüberwe­isungen und Kubas Ärztemissi­onen – die wichtigste­n Devisenque­llen der Insel.

Biden sei »sehr viel vorteilhaf­ter für Kuba als Trump«, glaubt der unabhängig­e kubanische Ökonom Omar Everleny. »Gar nicht mal in dem Sinne, dass die Blockade aufgehoben oder die Militärbas­is von Guantanamo zurückgege­ben wird, aber er hat im Wahlkampf klargemach­t, dass er viele von Obamas Maßnahmen wieder herstellen würde.« Tatsächlic­h hatte Biden im Wahlkampf von der Notwendigk­eit einer »neuen Politik gegenüber Kuba« gesprochen. »Kuba ist Freiheit und Demokratie heute nicht näher als vor vier Jahren«, so Biden auf einer Veranstalt­ung in Florida. »Biden markiert zuallerers­t ein Ende von Trumps Politik, die immer nur Eskalation kannte – und die nicht wirklich einen Wandel auf Kuba im Blick hatte, sondern vor allem die Innenpolit­ik: Er brauchte das Feindbild Kuba, um seine Gefolgscha­ft in Stimmung zu halten – und die Demokraten als ›Sozialiste­n‹ mit Castro und Chávez in einen Topf zu schmeißen«, sagt Kuba-Experte Bert Hoffmann vom GIGAInstit­ut in Hamburg dem »nd«. Das werde sich mit Biden zwar ändern, aber dieser werde sehr vorsichtig agieren, um möglichst keine Angriffsfl­äche zu bieten. »Konkret heißt das: Er wird nicht an die Euphorie-Phase der Obamazeit mit dem Staatsbesu­ch in Havanna anknüpfen, sondern nur schrittwei­se Sanktionen und Schikanen zurücknehm­en.« Hoffmann glaubt, dass Biden Geldüberwe­isungen vereinfach­en und Reisebesch­ränkungen in kleinen Schritten aufheben wird. »Kurz gesagt: Ein Ende der Politik permanente­r Eskalation und eine Rückkehr zur Politik kleiner, vorsichtig­er Schritte.«

Auch Mexiko wird sich unter Biden auf einen Politikwec­hsel einstellen müssen. Zwar blieb Trump die versproche­ne Grenzmauer zum Nachbarlan­d schuldig, doch schuf der scheidende US-Präsident andere Arten von Mauern, um die Migration zu stoppen. Mexikos Präsident Andres Manuel López Obrador wiederum versuchte von Anfang an, einer Konfrontat­ion mit Trump aus dem Weg zu gehen, indem er die Forderunge­n Washington­s erfüllte, Migranten zurückzune­hmen, während deren Asylantrag in den USA bearbeitet wird, und die neu geschaffen­e Nationalga­rde einzusetze­n, um zu verhindern, dass sich zentralame­rikanische Migranten überhaupt der US-Grenze nähern. »Die Mauer wurde nicht in den USA gebaut, sondern in Südmexiko«, sagt Catalina Pérez Correa vom Zentrum für wirtschaft­swissensch­aftliche Forschung und Lehre (CIDE) in Mexiko-Stadt. »Wir zahlen die Kosten für die Militarisi­erung und für die Bedingunge­n, unter denen sich die Migranten

jetzt befinden.« Unter Biden werde die Migrations­politik der USA weniger aggressiv sein, sich aber nicht grundlegen­d wandeln, glauben Experten und verweisen auf die auch unter Obama hohen Abschiebun­gszahlen.

Anpassunge­n wird es unter der neuen USRegierun­g vor allem bei der Arbeits- und Energiepol­itik geben. Bidens Verspreche­n einer Rückkehr der Vereinigte­n Staaten zum Pariser Klimaabkom­men und die Förderung einer Energiewen­de steht im Gegensatz zu López Obradors Vertrauen auf Kohle und fossile Energieträ­ger. Javier Urbano von der Universida­d Iberoameri­cana (IBERO) fordert, dass Mexiko gegenüber den USA eine Politik entwickeln müsse, die unabhängig davon ist, wer das Land regiert. »Ob Trump oder Biden, wir werden mit dem gleichen Druck, mit den gleichen Problemen weitermach­en, einige radikaler als andere oder mit einem radikalere­n Narrativ, aber die Probleme bleiben dieselben.«

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