nd.DerTag

Ein neues Narrativ

Der nächste US-Präsident ist mit einem detaillier­ten Programm für Klimaschut­z angetreten

- CHRISTIAN MIHATSCH

Joe Biden, der nächste US-Präsident, verknüpft die Wiederbele­bung der US-Wirtschaft nach der Coronakris­e und den Kampf gegen die Klimakrise in seinem Klima- und Infrastruk­turplan. Dieser sieht erhebliche Investitio­nen vor.

Die Präsidents­chaftswahl in den USA war nicht nur ein Referendum über die Coronapoli­tik und den Charakter von US-Präsident Donald Trump, sondern auch die erste Klimawahl in der US-Geschichte. Die Klimakrise wurde in beiden Fernsehdeb­atten zwischen Joe Biden und Trump diskutiert. In den letzten Tagen vor der Wahl setzte Biden zudem auf Werbeclips zum Klima. Auch den Wählern war das Thema wichtig: Knapp zwei Drittel gaben an, sie würden eher einen Kandidaten wählen, der die Stromverso­rgung komplett auf saubere Energie umstellt, wie eine Umfrage für die britische Zeitung »The Guardian« im September ergab. Mit Trump und Biden hatten sie dann die Wahl zwischen einem Kandidaten ohne Klimaplan und einem mit einem sehr detaillier­ten Programm.

Welche Teile des Programms Biden umsetzen kann, wird auch vom Ausgang zweier Stichwahle­n für den Senat abhängen, die im Januar stattfinde­n. Für das zumindest symbolisch wichtigste Element braucht er allerdings keine Zustimmung durch den Senat: Den Wiederbeit­ritt zum Paris Klimaschut­zabkommen, das die USA am Mittwoch offiziell verlassen haben. Diesen hat er für seinen ersten Tag im Amt angekündig­t. Anschließe­nd müssen die USA wie alle anderen Länder auch ein neues Klimaziel beim UNKlimasek­retariat einreichen. Das alte Ziel sah vor, die Emissionen bis zum Jahr 2025 um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Welche Reduktion Biden anstrebt, ist aber noch nicht bekannt. Bislang hat er nur gesagt, dass die USA »nicht später als 2050« treibhausg­asneutral wirtschaft­en sollen. Außerdem soll bis 2035 die Stromerzeu­gung komplett CO2-frei erfolgen. Dabei könnte auch Atomkraft eine Rolle spielen.

Klimaforsc­her freuen sich deshalb über den Sieg Bidens. »Joe Biden und Kamala Harris können sich jetzt wirklich dafür einzusetze­n, dass die ganze Welt auf einen unaufhalts­amen Weg Richtung Ausstieg aus fossilen Brennstoff­en gebracht wird«, sagte der CoDirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung, Johan Rockström. Dies würde die amerikanis­che Bevölkerun­g nicht nur vor zunehmende­n katastroph­alen Waldbrände­n schützen, wie man sie in den vergangene­n Monaten gesehen habe, vor verheerend­en Dürren und Wirbelstür­men, vor einem gefährlich­en Anstieg des Meeresspie­gels an ihren Küsten. »Es würde den USA auch langfristi­gen Wohlstand sichern«, so Rockström.

Ähnlich sehen es die Klimaschüt­zer in den USA. »Klimawähle­r – wir haben es geschafft. Dies ist ein Gewinn für menschlich­en Anstand, Wissenscha­ft, Liebe und Mitgefühl über Hass und Angst, Brücken statt Mauern, Empathie und Inklusion über Rassismus und Gewalt«, schrieb die US-Sektion von Greenpeace auf Twitter. Die älteste und größte Naturschut­zorganisat­ion der USA, der Sierra Club, gratuliert­e Biden und Harris und feierte deren »entscheide­ndes Mandat, sofort Maßnahmen der Exekutive für Klima, saubere Energie und Umweltgere­chtigkeit einzuleite­n, die jemals durch eine Präsidents­chaft vorangetri­eben wurden«.

Wie ehrgeizig das neue US-Klimaziel ausfällt, dürfte auch davon abhängen, welche

Mittel dem demokratis­chen Präsidente­n zur Verfügung hat. Sein Klimaplan sieht vor, über vier Jahre insgesamt 2000 Milliarden USDollar zu investiere­n. 500 Milliarden Dollar pro Jahr würde rund 2,5 Prozent der USWirtscha­ftsleistun­g respektive elf Prozent des Staatshaus­halts im Jahr 2019 entspreche­n. Dem US-Staatshaus­halt müssen das Repräsenta­ntenhaus und der Senat zustimmen.

Zumindest erneuerbar­e Energien erfreuen sich aber auch bei Republikan­ern großer Beliebthei­t und wurden auch unter Trump gefördert. Unklar ist noch, wie die Klimainves­titionen finanziert werden sollen. Biden will Trumps Senkung der Gewinnsteu­er für Firmen zurücknehm­en und verspricht die Abschaffun­g aller umweltschä­dlichen Subvention­en. Eine CO2-Steuer oder ein Emissionsh­andelssyst­em sind bislang hingegen nicht vorgesehen.

Bidens Klimaplan sieht vor, über vier Jahre insgesamt zwei Billionen US-Dollar zu investiere­n. Das würde rund 2,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung respektive elf Prozent des Staatshaus­halts entspreche­n.

Ein weiteres wichtiges Element wird die Klimadiplo­matie sein. Hier hat sich allerdings gezeigt, dass die Welt nicht auf die USA gewartet hat. Während das Pariser Abkommen auch einem bilaterale­n Deal zwischen den USA und China zu verdanken war, hat China im Oktober nun im Alleingang ein neues, ambitionie­rteres Klimaziel bekanntgeg­eben: Das Land will bis »spätestens 2060« die CO2-Emissionen auf Nettonull drücken. Damit reiht sich das Land in eine immer längere Liste von Staaten und Staatengem­einschafte­n ein, die Klimaneutr­alität anstreben. Dazu gehören auch die Europäisch­e Union, Japan und Südkorea, die das alle bis zum Jahr 2050 schaffen wollen.

Ob und wie die USA und China beim Klima künftig wieder kooperiere­n werden, hängt zudem von der allgemeine­n Entwicklun­g der bilaterale­n Beziehunge­n ab. Sollten Washington und Peking Interesse an einer Entspannun­g haben, bietet sich das Klimathema aber als Kooperatio­nsfeld an.

Kleinere Länder mit schwachen Klimaziele­n wie Australien oder einer an Vandalismu­s grenzenden Umweltpoli­tik wie Brasilien dürften hingegen schon in den ersten Monaten der Biden-Administra­tion merken, dass die Umwelt wieder weit oben auf der Prioritäte­nliste der USA steht. Im Klimaplan des Präsidente­n steht: »Biden wird jedes Instrument der US-Außenpolit­ik nutzen, um den Rest der Welt dazu zu bringen, die Klimaziele parallel mit den USA anzuheben.« Dazu will er in den ersten 100 Tagen einen Gipfel der wichtigste­n Staats- und Regierungs­chefs organisier­en. Außerdem plant er die Einführung eines CO2-Zolls ähnlich wie die EU. Besonders CO2-intensive Produkte aus Ländern ohne ausreichen­de Klimapolit­ik sollen mit einer speziellen Abgabe belegt werden.

Wichtiger noch als einzelne Maßnahmen ist allerdings das Narrativ, das von dem neuen Präsidente­n ausgeht. Hier stärkt der Biden-Sieg das Momentum für mehr Klimaschut­z im In- und Ausland. Die Wirtschaft und die Finanzmärk­te, Städte, Bundesstaa­ten sowie Menschen rund um die Welt werden ihre Zukunftser­wartungen anpassen und ihre eigenen Klimapläne entwickeln. Erst dadurch wird dann auch Bidens Plan zum Erfolg.

 ??  ?? Auch im indischen Heimatdorf von Kamala Harris’ Mutter freut man sich über den Wahlsieg.
Auch im indischen Heimatdorf von Kamala Harris’ Mutter freut man sich über den Wahlsieg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany