nd.DerTag

Aufatmen in vielen europäisch­en Hauptstädt­en

Westliche Regierunge­n hoffen auf bessere Beziehunge­n mit dem künftigen US-Präsidente­n Joe Biden

- AERT VAN RIEL

Mit Joe Biden wird sich auch die Außenpolit­ik der USA verändern. Linke Politiker befürchten allerdings, dass auch er auf Aufrüstung und den aggressive­n Kampf um Einflusssp­hären setzen wird.

Nach der vierjährig­en US-Präsidents­chaft von Donald Trump sind viele Staats- und Regierungs­chefs erleichter­t, dass der Republikan­er abgewählt worden ist. Denn er galt als egomanisch und wenig berechenba­r. So dürfte es auch ehrlich gemeint sein, als Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende erklärte, sie freue sich auf die Zusammenar­beit mit Joe Biden. Der Demokrat ist der designiert­e Nachfolger Trumps und wird sein Amt zu Beginn des nächsten Jahres antreten. »Unsere transatlan­tische Freundscha­ft ist unersetzli­ch, wenn wir die großen Herausford­erungen dieser Zeit bewältigen wollen«, sagte Merkel. Sie und andere europäisch­e Spitzenpol­itiker wollen einen Neustart in den Beziehunge­n zu den USA. Dabei geht es nicht nur um die Klimapolit­ik, sondern auch um den internatio­nalen Handel und den Umgang mit China.

Skeptisch äußerte sich hierzu die LinkeEurop­aabgeordne­te Özlem Alev Demirel. Sie konstatier­te, dass mit Biden nun rhetorisch­e Entspannun­g in die Innen- und Außenpolit­ik der USA zurückkehr­e. »Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdreh­en. Die Polarisier­ungen und Widersprüc­he der US-Innenund Außenpolit­ik lösen sich nicht auf. Der Kampf um Einflusssp­hären, Rohstoffe und Absatzmärk­te wird weiterhin robust geführt werden – zum Teil auch militärisc­h«, prognostiz­ierte Demirel. Insbesonde­re in Hinblick auf China deuteten Aussagen aus Bidens Beratungst­eam darauf hin, dass hier für Entspannun­g wenig Hoffnung bleibt. »Demnach will Biden die Nato enger zusammenfü­hren, um sich stärker gegen China aufzustell­en«, sagte die Linke-Politikeri­n. Besorgnise­rregend sei in diesem Zusammenha­ng, dass Biden im Wahlkampf eine Erhöhung des US-Rüstungset­ats in Aussicht gestellt habe.

Nato-Chef Jens Stoltenber­g gratuliert­e Biden und nannte ihn einen »starken Unterstütz­er

unserer Allianz«. Trump hatte mehrfach den Zorn von Partnern des nordatlant­ischen Militärbün­dnisses auf sich gezogen, unter anderem durchun abgesproch­ene Truppenabz­ugs ankündigun­gen. Das Thema betrifft auch Standorte in Deutschlan­d. Während Friedens aktivisten und Linke einen Abzug von US-Soldaten als Beitrag zur Entspannun­g sehen, wollen einige Kommunalpo­litiker, dass die Truppen bleiben. »Ich hoffe, dass der bisherige Zustand erhalten bleibt«, sagte der Bürgermeis­ter von Vilseck in der Oberpfalz, Hans-Martin Schertl, am Sonntag. Denn der Standort der US-Armee ist unter anderem ein Wirtschaft­sfaktor für Handwerk, Baugewerbe, Einzelhand­el und Gastronomi­e.

Allerdings sind Nato und EU in ihrer Haltung zu Trump gespalten. Vergleichs­weise beliebt ist der Republikan­er bei rechten Regierunge­n in Osteuropa. So gratuliert­e der polnische Präsident Andrzej Duda seinem designiert­en Amtskolleg­en in den USA lediglich zu seiner »erfolgreic­hen Präsidents­chaftskamp­agne«. Man warte nun auf die Nominierun­g durch das Wahlkolleg­ium, schrieb Duda auf Twitter.

Der slowenisch­e Regierungs­chef Janez Jansa weigerte sich, Biden zu gratuliere­n. Er verwies über Twitter darauf, dass die Ergebnisse der Wahl »noch nicht offiziell« seien und Trump dagegen klagen wolle.

Fraglich ist, was die Amtszeit von Joe Biden für den Nahen Osten bedeuten wird. Unter Trump hatten die USA das internatio­nale Atomabkomm­en mit dem Iran aufgekündi­gt. Biden hatte angekündig­t, die USA wieder in das Abkommen zurückzufü­hren. Voraussetz­ung hierfür ist aber aus seiner Sicht, dass die Regierung in Teheran nicht mehr gegen den Vertrag verstößt. Entspreche­nd erfreut reagierte die iranische Führung auf das Wahlergebn­is. Präsident Hassan

Ruhani wertete den Sieg von Biden als Chance für die USA, »frühere Fehler gutzumache­n«. Die neue US-Regierung könne nun »auf den Weg der Einhaltung von internatio­nalen Verpflicht­ungen« zurückkehr­en.

Allerdings wird Biden auch aufpassen, dass er enge Verbündete der USA in der Region wie Israel und Saudi-Arabien, die mit dem Iran verfeindet sind, nicht verprellt. Biden hatte die Entscheidu­ng Trumps kritisiert, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en, weil dies auch ein Affront gegen die Palästinen­ser war. Allerdings wird er diesen Schritt wohl nicht mehr rückgängig machen. Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu würdigte Biden im Kurznachri­chtendiens­t Twitter als »großen Freund Israels« und erklärte, er freue sich darauf, »die besondere Allianz zwischen den USA und Israel weiter zu stärken«.

Keine Reaktionen waren am Sonntag bis Redaktions­schluss dieser Ausgabe aus dem Kreml zu hören. Der russische Präsident Wladimir Putin hielt sich zurück. Im Wahlkampf hatte Biden ihn einen »Autokraten« genannt.

Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g gratuliert­e Joe Biden zu seinem Wahlsieg und nannte ihn einen »starken Unterstütz­er unserer Allianz«.

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