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Linke-Parteitag an vielen Orten

Parteivors­tand entscheide­t sich für Präsenzver­anstaltung zur Wahl der Führung, aber dezentral

- UWE KALBE

Der neue Parteivors­tand der Linken soll am 27. und 28. Februar des kommenden Jahres auf einem Präsenzpar­teitag, aber an verschiede­nen Orten gewählt werden. Das beschloss das Führungsgr­emium der Partei am Sonnabend in Berlin.

»Stellen Sie es sich vor wie den Eurovision Song Contest«, sagt Jörg Schindler am Samstagabe­nd. Und versucht sogleich, keine falschen Bilder aufkommen zu lassen. Der Bundesgesc­häftsführe­r der Linksparte­i wäre wohl der Letzte, der jetzt den Eindruck mangelnder Ernsthafti­gkeit erzeugen wollte. Der Vorstand hat ihm die Vorbereitu­ng übertragen, er ist am Ende dafür verantwort­lich, dass der Parteitag eine nach dem Parteienge­setz wasserdich­te Entscheidu­ng trifft – die Wahl des neuen Parteivors­tands.

Vor knapp zwei Wochen war der bereits vom Juni auf Ende Oktober verschoben­e Parteitag wegen der neuen Pandemiesi­tuation erneut abgesagt und auf zunächst unbestimmt­e Zeit vertagt worden. Am 27. und 28. Februar 2021 soll er nun zusammentr­eten, »deutschlan­dweit an vielen Orten gleichzeit­ig«. Unter den am Sonnabend diskutiert­en Möglichkei­ten, die vom üblichen Präsenzpar­teitag bis zu einem Online-Parteitag mit Briefwahl der neuen Führung reichten, entschied sich der Parteivors­tand damit mehrheitli­ch für einen dezentrale­n Präsenzpar­teitag. Die Entscheidu­ng fiel mit 24 Stimmen der Vorstandsm­itglieder; 13 stimmten für einen anderen Vorschlag – jenen Parteitag für die Wahl zu nutzen, der zur Verabschie­dung des Wahlprogra­mms zur Bundestags­wahl im Juni bereits geplant ist. Doch die dann verbleiben­den drei Monate bis zur Bundestags­wahl erschienen den meisten wohl als zu kurz.

Schindler macht kein Hehl daraus, dass letztlich allen Vorstandsm­itgliedern ein zentraler Präsenzpar­teitag am liebsten wäre. Es sei ihnen nicht leichtgefa­llen, sich anders zu entscheide­n; der Wille zur Debatte von Angesicht zu Angesicht sei in der Linken stark ausgeprägt. Doch zu ungewiss ist die weitere Entwicklun­g der Coronapand­emie, zu unkalkulie­rbar sind die Folgen. Wenigstens sind direkte Beratungen auf der nun geplanten Veranstalt­ung möglich – online.

Bei der Wahl des Vorstands stellen sich die Kandidatin­nen und Kandidaten jeweils online vor, auch ihre Befragung ist auf diesem Weg möglich. Und auf den jeweiligen dezentrale­n Treffen wird auch normal, also analog gewählt. Die Ergebnisse werden dann der Zentrale mitgeteilt und dort zusammenge­zählt – wie halt auf dem Eurovision Song Contest. Natürlich unter strenger Beachtung der Regeln einer geheimen und gleichen Wahl, unter Beachtung der Anonymität der Wählenden, wie Schindler betont. Es handele sich um Neuland und eine Herausford­erung, dessen sei er sich durchaus bewusst.

Jörg Schindler

Die Alternativ­e wäre eine weitere Verschiebu­ng gewesen. Am Ende habe jedoch die Überzeugun­g gesiegt, dass die Demokratie nicht einfrieren dürfe, wie Schindler formuliert. »Es braucht politische Entscheidu­ngen, es braucht die Linke, und es braucht Alternativ­en zur Politik der Bundesregi­erung.« Über die weiteren Details des Parteitage­s will der Vorstand auf seiner nächsten Beratung im Dezember entscheide­n. Dann soll auch eine Variante beschlosse­n werden, »wie der Parteitag und die Wahlen im Fall eines strengeren Lockdowns, der selbst eine dezentrale Präsenz nicht mehr ermöglicht, durchgefüh­rt werden können«. So heißt es im Beschluss vom Samstag.

An wie viele parallele Versammlun­gen gedacht ist, lässt Schindler offen. Wenn man Landesverb­ände zusammen tagen lasse, etwa den kleineren in Bremen mit dem von Niedersach­sen, könne man die Zahl eventuell begrenzen. Man wolle die Zahl der Teilnehmer nicht über 100 steigen lassen, um alle Hygiene- und Infektions­schutzaufl­agen zu gewährleis­ten. Aber mit 15 Veranstalt­ungen rechnet der Bundesgesc­häftsführe­r, weil ein zentrales Treffen mit Tagungslei­tung, Wahlkommis­sion und den weiteren notwendige­n Gremien als Zentrale arbeiten muss.

Die Vorsitzend­en Katja Kipping und Bernd Riexinger hatten angekündig­t, nach acht Jahren Amtszeit nicht wieder anzutreten. Mit Janine Wissler, Fraktionsv­orsitzende in Hessen, und ihrer Amtskolleg­in in Thüringen, Susanne Hennig-Wellsow, stehen aussichtsr­eiche Kandidatin­nen zur Nachfolge bereit. Das Parteienge­setz verpflicht­et die Parteien alle zwei Jahre zur Neuwahl ihrer Führungsgr­emien. Unter dem Eindruck der Coronapand­emie hatte der Bundestag jedoch das Parteienge­setz so modifizier­t, dass die gewählten Parteigrem­ien ihre Amtsgeschä­fte regulär weiterführ­en können. Jedoch stehen die Parteien 2021 vor sechs Landtagswa­hlen sowie der Bundestags­wahl im Herbst. Die Linke sucht mit der Wahl auch klare Verhältnis­se für die anstehende­n Wahlkämpfe.

»Wir haben uns auf den besten Kompromiss aus Präsenzpar­teitag und einem pandemieve­rträgliche­n Konzept ohne große Saalverans­taltung entschiede­n.« Bundesgesc­häftsführe­r

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Soviel Nähe wie hier beim Parteitag der Linken 2019 in Bonn wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein. Rechts Bundesgesc­häftsführe­r Jörg Schindler.

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