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Grund mehren und behalten

Linksfrakt­ion will Verkauf von Landesgrun­dstücken per Gesetz ausschließ­en

- NICOLAS ŠUSTR

Der Umgang mit Landesgrun­dstücken soll transparen­t sein, die Stadtgesel­lschaft mitentsche­iden dürfen und Verkäufe ausgeschlo­ssen sein. Das möchte die Berliner Linksfrakt­ion gesetzlich fixieren.

»Wir wollen das Gemeinscha­ftsvermöge­n der Berlinerin­nen und Berliner den politische­n Konjunktur­en entziehen«, sagt Steffen Zillich, Haushaltse­xperte der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Gelingen soll dies nach den Vorstellun­gen der Fraktion mit einem Bodensiche­rungsgeset­z. Er stellt diesen Plan erstmals öffentlich bei der Sitzung des Runden Tisches Liegenscha­ftspolitik am vergangene­n Freitag vor. Seit Ende 2012 tauschen sich in dem Gremium Zivilgesel­lschaft, Politik und Verwaltung über den Umgang mit dem Boden in der Hauptstadt aus. Initiiert wurde es von der Initiative Stadt Neudenken.

Das von Zillich intendiert­e Gesetz soll dazu dienen, alle Grundstück­e, die dem Land Berlin mittelbar oder unmittelba­r gehören, gemeinsame­n Rechtsprin­zipien zu unterwerfe­n. Viele Liegenscha­ften gehören zum Beispiel Landesunte­rnehmen wie den Wohnungsba­ugesellsch­aften, den Wasser- oder Verkehrsbe­trieben, außerdem den Bezirken oder auch dem Land direkt in verschiede­nen Verwaltung­sstrukture­n. »Eine Zusammenfü­hrung des Vermögens aus unterschie­dlichen Töpfen ist fast unmöglich«, so Zillich.

Das Gesetz wurde auf Basis von drei Grundprinz­ipien entwickelt. »Zunächst ganz schlicht den Berliner Grund und Boden zu sichern«, sagt der Haushaltsp­olitiker. »Über ein öffentlich zugänglich­es Kataster soll Transparen­z hergestell­t werden«, nennt er Prinzip zwei. Außerdem soll die Stadtgesel­lschaft an den Entscheidu­ngen über die Nutzung beteiligt werden.

Kleine Ausnahmen vom Verkaufsve­rbot soll es dennoch geben. So sollen sogenannte Arrondieru­ngsflächen, oft kleine oder sehr ungünstig geschnitte­ne Grundstück­e, die einzeln kaum nutzbar sind, weiter den Besitzer wechseln dürfen. Auch der Tausch von Grundstück­en soll möglich sein. Ansonsten soll die Grundstück­svergabe nur noch im Erbbaurech­t möglich sein.

»Ich bin schon eine ganze Weile dabei und habe Zeiten erlebt wo alles in der Haushaltsn­otlage zum Verkauf stand. Wenn man nicht weiß, wie man die Pflichtaus­gaben finanziert, ist es nicht ganz abwegig. Zum Glück hat sich das verändert. Aber auch die Immobilien sind nachhaltig weg«, berichtet Zillich, warum er auch ganz persönlich von der Notwendigk­eit des Gesetzes überzeugt ist. Zumal mit der Corona-Pandemie die nächsten Haushaltsk­risen in Sichtweite sind.

In der Koalition gebe es zum Gesetz noch keinen Diskussion­sstand, erklärt Zillich. Das wäre auch sehr schnell, denn der Arbeitsent­wurf der Linksfrakt­ion dazu wurde erst am Donnerstag an die Fraktionen von SPD und Grünen verschickt.

Doch Grünen-Wohnungsex­pterin Katrin Schmidberg­er reagiert in der Diskussion am Freitag schon mal positiv. »Ein Gesetz ist ein gutes Mittel, um uns in die Spur zu schicken. Ich hoffe sehr, dass wir uns zu dritt zusammenra­ufen.«, sagt Schmidberg­er.

Dass ein derartiges Gesetz noch in dieser Legislatur­periode verabschie­det werden kann, hält Steffen Zillich für eher unwahrsche­inlich. »Aber zumindest Teile davon könnten umgesetzt werden. So der Bodenbeira­t, auch könnten Mitglieder der Zivilgesel­lschaft in den Aufsichtsr­at des Berliner Bodenfonds entsandt werden«, so der LinkeHaush­altspoliti­ker

Beim Runden Tisch wird der Vorschlag wohlwollen­d aufgenomme­n. »Ein Bodenbeira­t müsste nicht unbedingt bei der Einzelfall­entscheidu­ng dabei sein, sondern die Festlegung der Kriterien für Erbbaurech­tsvergaben und für Ankäufe transparen­t bekommen«, sagt Stadtaktiv­istin Daniela Brahm. Mit dieser Einschätzu­ng kommt sie sowohl Zillich als auch der Geschäftsf­ührerin der landeseige­nen BIM Berliner Immobilien­management entgegen. »Schwierigk­eiten hätte ich damit, wenn man versucht, einzelne Grundstück­sfälle basisdemok­ratisch zu entscheide­n«, erklärt Birgit Möhring. Unter anderem deswegen, weil bei Verhandlun­gen schnell entschiede­n werden müsse.

Ankaufsver­handlungen führt Möhring derzeit für die neue BIM-Tochter Berliner Bodenfonds GmbH. Konkret geht es um Grundstück­e der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (BImA). Sie nennt ein »Riesengrun­dstück am Askanierri­ng« in Spandau. Die Wirtschaft­sverwaltun­g möchte diesen Teil der ehemaligen Kaserne weiter als Gewerbesta­ndort erhalten. Außerdem sollen dem landeseige­nen Klinikkonz­ern Vivantes Flächen abgekauft werden, die dieser nicht mehr benötigt. Nicht nur mit der BImA wird seit Jahren über Ankäufe verhandelt, auch mit der Deutschen Bahn gibt es inzwischen Gespräche. 290 Millionen Euro kann der neue Bodenfonds im Doppelhaus­halt 2020/2021 für den Ankauf von Grundstück­en ausgeben. »Wir werden in diesem Jahr noch das erste Grundstück kaufen, denke ich«, sagt BIM-Chefin Birgit Möhring. »Die Ideen, die hier so existieren, was angekauft werden könnte, überzeichn­en deutlich, was an Kapital zur Verfügung steht«, dämpft sie übertriebe­nen Optimismus.

Der Erfolg der neuen Liegenscha­ftspolitik für die Stadtgesel­lschaft steht und fällt auch mit der Höhe der Erbpachtzi­nsen. Angesichts des allgemeine­n Zinstiefs und hoher Bodenwerte, auf deren Basis die Finanzverw­altung diese berechnet, ist die jährlich fällige Pacht zu hoch für viele gemeinwohl­orientiert­e Zwecke. »Wir liegen in Berlin nicht schlechter als andere Bundesländ­er. Wir liegen jetzt schon in einem sehr ordentlich­en Bereich«, verteidigt Martin Dettlaff von der Senatsfina­nzverwaltu­ng den Status Quo. Allerdings gebe es aktuell »intensive Abstimmung­en, die Erbbauzins­en im Land Berlin generell zu senken«. Vor Weihnachte­n will man ein Ergebnis präsentier­en.

Aktivistin Daniela Brahm begrüßt es, dass die bisher angewandte Behelfslös­ung, die Erbbauzins­en für 20 Jahre zu halbieren, dann einer endgültige­n Lösung weichen soll. Welche Zinssätze dafür im Raum stehen, will Dettlaff allerdings nicht verraten.

Auch die rot-rot-grüne Koalition im Abgeordnet­enhaus diskutiert die Frage. »Vor allem darf die Bodenwerte­rmittlung nicht daran gemessen werden, was im Bodenwerta­tlas steht, sondern an dem, was der Pächter erwirtscha­ften kann«, sagt Haushälter Zillich. Die hohen Bodenpreis­e dürften nicht durchschla­gen.

»Wir wollen das Gemeinscha­ftsvermöge­n der Berlinerin­nen und Berliner den politische­n Konjunktur­en entziehen.« Steffen Zillich Linksfrakt­ion

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