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Dortmund kommt näher

Beim 2:3 gegen den FC Bayern zeigt der BVB seine gewachsene Stärke

- DANIEL THEWELEIT, DORTMUND

Der Meister aus München und die Herausford­erer von der Borussia boten ein Bundesliga­spektakel. Die Sorgen der Bayern drehten sich danach nur um einen verletzten Spieler, die Dortmunder sprachen von fehlendem Glück.

Tief betrübt war nur einer der Protagonis­ten, nachdem dieses wunderbare Fußballspi­el zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern zu Ende gegangen war. Als die Münchner ihren kostbaren 3:2-Sieg feierten, war Joshua Kimmich längst in der Kabine verschwund­en – das Knie schmerzte, der Blick in die nähere Zukunft auch. Als der Nationalsp­ieler in der 35. Minute infolge eines Zusammenpr­alls mit Erling Haaland auf dem Rasen lag, ließen sich allerlei Gedanken in seine offenkundi­ge Verzweiflu­ng hineininte­rpretieren: die Furcht vor einer Operation, vor Monaten ohne Fußball, sogar vor einem Verpassen der Europameis­terschaft im kommenden Sommer. Am Sonntag bestätigte sich die Vermutung, Kimmich muss mit Verdacht auf einen Meniskusei­nriss im rechten Knie operiert werden.

Die ganze Münchner Mannschaft war für einige Minuten geschockt, »man hat gemerkt, dass wir uns erst mal wieder finden mussten, nach der Verletzung­sunterbrec­hung«, sagte Manuel Neuer nach der Partie. Zu diesem Zeitpunkt war die Laune des Torhüters aber wieder recht gut. Neuer war Teil eines prächtigen Bundesliga­spektakels gewesen. Und wie fast immer, wenn die beiden Rivalen zuletzt aufeinande­rtrafen, gehörte er zu den Siegern. »Das Spiel war sensatione­ll gut, und wir waren einfach etwas effiziente­r«, fasste Münchens Trainer Hansi Flick den Verlauf des Abends präzise zusammen.

Lucien Favre hatte das ähnlich gesehen. Aber der Trainer des BVB haderte auch, er schien kaum glauben zu können, was sich auf dem Platz ereignet hatte. »Wir haben so viele Torchancen gehabt«, sagte er mit einer Mischung aus staunender Bewunderun­g für die Offensivkr­aft seiner Mannschaft und Kummer über den Mangel an finaler Effizienz. An diesem Punkt unterschie­d sich auch dieses Topspiel deutlich von den Duellen aus der jüngeren Vergangenh­eit: Der FC Bayern ist derzeit defensiv verwundbar. Immer wieder rollten Angriffe auf das Tor der Münchner zu – und Marco Reus traf in der 45. Minute zur Führung, in vielen anderen Momenten fehlten nur Nuancen für weitere Treffer.

»Man sieht, ein paar Spieler sind gut mit ihrem rechten Fuß und nicht so gut mit dem linken«, sagte Favre und dachte dabei wohl an die wunderbare Torchance des Rechtsfuße­s Marco Reus, der in der Nachspielz­eit einen Volleyschu­ss aus fünf Metern mit links über die Latte drosch. Und an die Möglichkei­t des Linksfußes Erling Haaland, der kurz nach der Pause einen Querpass mit rechts auf den frei vor dem leeren Tor wartenden Giovanni Reyna spielte, jedoch zu ungenau.

Auf der Münchner Seite war Robert Lewandowsk­i unterwegs, der mit beiden Füßen fast gleich gut ist. Der Topstürmer hatte per Kopf zum 1:2 getroffen und noch zwei weitere Tore geschossen, die allerdings vom Videoschie­dsrichter aufgrund von Abseitsste­llungen annulliert worden waren. Das Spiel war eine Show und beiderseit­s geprägt von Mut und dem Willen, Tore zu schießen. Dabei hätten die Bayern einfach etwas mehr Glück gehabt, lautete die Kernthese von Mats Hummels. »Alle drei gegnerisch­en Tore sind abgefälsch­t gewesen«, sagte der Verteidige­r, nachdem David Alabas Schuss zum 1:1 (45.) von Thomas Meuniers Oberkörper ins Tor geprallt war. Lewandowsk­is 1:2 fiel nach einer Berührung des Balles mit Hummels’ Schulter (48.), und der Abschluss von Leroy Sané (80.) wurde nur durch einem Kontakt mit den Beinen Manuel Akajnis unhaltbar.

Es sei an der Zeit, sich stärker bewusst zu machen, »dass Glück und Pech in großen Spielen oft ausschlagg­ebend sind«, so Hummels. In diesem Fall aber stellte das Ergebnis ziemlich perfekt dar, was auf dem Rasen passiert war. Die Münchner machten zwar ähnlich viele Fehler in der Defensive, aber offensiv waren sie »in den richtigen Situatione­n einfach ein Stück schneller und vielleicht auch ein Stück abgekochte­r«, meinte Bayerns Mittelfeld­spieler Leon Goretzka.

Den Dortmunder­n bleibt die Erkenntnis, Bayern näher zu kommen. Haaland, der noch auf 2:3 verkürzte (83.), ist immer besser integriert, die Abwehr wird stabiler, der Reifeproze­ss vieler Talente schreitet voran. Tröstlich ist zudem, dass der Rückschlag recht früh in der Saison kam und somit noch viele Chancen bleiben, den Rückstand aufzuholen. Noch ist die Gier, mit der die Bayern im Sommer die Champions League gewannen, groß. Aber womöglich war der Moment, in dem Kimmich sich verletzte, ein Indiz dafür, dass auch sie nicht über unendliche Ressourcen an Energie und Willenskra­ft verfügen. Er war in der fatalen Situation nämlich etwas zu spät dran, nur deshalb hatte er versucht, Haaland mit einem taktischen Foul zu Fall zu bringen.

Das Spiel war eine Show und beiderseit­s geprägt von Mut und dem Willen, Tore zu schießen.

 ??  ?? Duell auf höchstem Niveau: Erling Haalands (r.) Dortmunder wehrten sich kräftig gegen FC Bayern mit Jerome Boateng.
Duell auf höchstem Niveau: Erling Haalands (r.) Dortmunder wehrten sich kräftig gegen FC Bayern mit Jerome Boateng.

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