nd.DerTag

Covid-19 als rein logistisch­e Frage

Ulrike Henning über grenzenlos­en Optimismus der Impforgani­sierer

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Endlich! Der Impfstoff gegen Covid-19 scheint nah. Die Erleichter­ung vor allem bei der Politik ist so groß, dass alle sachlichen Einwände von Virologen, anderen Medizinern und Spezialist­en des Zulassungs­geschehens erst einmal in die zweite Reihe geschoben werden. Sogar der Arzneimitt­elgroßhand­el zeigt sich skeptisch, die kommende Herausford­erung aus dem Stand meistern zu können? Da galten bisher für Impfstoffe nur einstellig­e Minusgrade für die Lagerung. Tiefgekühl­te Produkte – das ist eher die Domäne von Fischliefe­ranten und Zulieferer­n in der Tierzucht, wenn es um Tiersperma geht, das im Transport teils mit Flüssigsti­ckstoff gefrostet gehalten wird. Aber uninteress­ant, jetzt schlägt erst einmal die Stunde der allgemeine­n Logistik.

Wie viel Impfzentre­n wohin kommen, wer was transporti­ert und wer sich zuerst anstellen darf, das sind die aktuellen Fragen. Darüber herrscht die reine Freude von der Kommunalpo­litik bis hinauf auf die Bundeseben­e. Gebäude errichten oder in Beschlag nehmen, da kennt man sich aus. Technische Probleme lösen, Kühlketten einhalten, quasi industriel­le Operatione­n durchführe­n – da lacht doch jedes Herz in der Exekutive. Militärisc­he Metaphern passen super, merkt man in den Pressestel­len. Auch die Ausführend­en stehen bereit, beginnend bei der Bundeswehr, über die geschäftli­ch arg gebeutelte Luftfahrt bis hin zur Deutschen Post und ihren Rivalen FedEx und UPS.

Na gut, wer in den Impfzentre­n dann den Piekser verabreich­en wird, ist weniger klar. Aber bis zur tatsächlic­hen Zulassung ist ja auch noch etwas Zeit. Und vielleicht fragt ja so lange erst mal niemand mehr nach den Pflegekräf­ten, die in Kliniken und gerade in der Intensivme­dizin fehlen. Und nach der Massenimpf­ung wird das ja auch kein Thema mehr sein.

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