nd.DerTag

Polizeiein­satz gegen Waldbesetz­er

Protest gegen Autobahnau­sbau: Aktivisten blockieren Baumaschin­e

- STEFAN OTTO UND SEBASTIAN WEIERMANN

Dannenrod. Bei einem Polizeiein­satz im hessischen Dannenröde­r Forst ist ein Umweltakti­vist leicht verletzt worden. Mehrere gegen den Weiterbau der Autobahn 49 Protestier­ende hätten versucht, eine Baumaschin­e zu besetzen, sagte ein Polizeispr­echer am Dienstag. Dabei wurde ein Mensch leicht am Kopf verletzt. Die geplanten Rodungsarb­eiten hätten am Dienstag noch nicht begonnen, sagte der Sprecher weiter. Die Polizei habe im Wald vor allem nach Gefahrenqu­ellen gesucht.

Für den Weiterbau der A49 zwischen Kassel und Gießen sollen insgesamt 85 Hektar Wald gerodet werden. Fällungen im Herrenwald und im Maulbacher Wald sind bereits erfolgt, im Dannenröde­r Wald, dem Zentrum des Protests, aber noch nicht. Gegen den Autobahnba­u protestier­en verschiede­ne Umweltgrup­pen. Das globalisie­rungskriti­sche Netzwerk Attac forderte die schwarz-grüne Landesregi­erung in Hessen am Dienstag auf, den Polizeiein­satz umgehend zu beenden und ein Moratorium für die Räumung und Rodung des Forstes zu erlassen.

Die Polizei hat in Hessen damit begonnen, den besetzten Danneröder Wald zu räumen. Tatsachen versucht auch der Energiekon­zern RWE in Lützerath zu schaffen. Das Dorf soll dem rheinische­n Tagebau Garzweiler weichen.

Umweltschü­tzer, die seit einem Jahr gegen die Rodungen im Dannenröde­r Wald in Hessen protestier­en, haben am Dienstagmo­rgen den Tag X ausgerufen. Gleich von zwei Seiten rückte die Polizei mit einem Großaufgeb­ot an. Im Norden drangen Beamte in den Wald ein und umstellten das Baumhausdo­rf »Drüben«, im Süden bezogen sie in der Nähe von Dannenrod Stellung. Dort rückten Baufahrzeu­ge an, um am Waldrand ein Camp für Polizei und Baufirmen zu bauen. »Es geht los«, schrieb das Bündnis »Wald statt Asphalt« via Messengerd­ienst Telegram und: »Jetzt braucht es jede*n Einzelnen von uns, um diesen Wald zu verteidige­n! Checkt die Packliste, trommelt eure Freund*innen zusammen und dann rauf auf die Bäume!«

Seit Oktober laufen die Rodungen für den Weiterbau der A49 in Mittelhess­en, die einmal Kassel mit Gießen verbinden soll. Es fehlen noch 43 Kilometer, auf denen die Trasse durch mehrere größere Waldgebiet­e verlaufen soll. Rodungen im Herrenwald bei Stadtallen­dorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) sowie im Maulbacher Wald unweit der A5 (Vogelsberg­kreis) sind bereits weitgehend abgeschlos­sen. Die Protestier­enden konnten die Abholzunge­n dort nicht verhindern. Mit Harvestern wurden dort breite Schneisen in die rund 300 Jahre alten Mischwälde­r geschlagen.

Im Dannenröde­r Forst wollen Umweltakti­visten das verhindern. Vor einem Jahr besetzten sie den Wald und errichtete­n entlang der signalfarb­enen Trassenmar­kierung an den Stämmen ein Baumhausdo­rf neben dem anderen. »Wir werden den Kampf für eine klimagerec­hte Welt, für die Ökosysteme hier im Wald und für eine radikale Verkehrswe­nde nicht aufgeben«, hieß es in einer Mitteilung von Nia vom Team der Baumbesetz­er. Das Aktionsbün­dnis »Keine A49« unterstütz­t die Besetzung und hat am Dienstag dazu aufgerufen, eine Menschenke­tte um den Wald zu bilden. »Eine ganze Landschaft wird hier verwüstet«, sagte die Sprecherin der Initiative, Barbara Schlemmer.

Deutlich weniger Aufmerksam­keit als der Protest im Dannenröde­r Wald bekommt derzeit ein teilweise massiver Polizeiein­satz am Rande des Tagebaus Garzweiler. Obwohl die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung gerade über die Vorgaben des Kohleausst­iegsgesetz­es für das Rheinische Revier berät, drängt RWE darauf, sechs weitere Dörfer abzubagger­n. In der vergangene­n Woche fielen bereits die Alleebäume entlang der Landstraße 277. Nun rücken die Rodungstru­pps von RWE in das Dörfchen Lützerath (Landkreis Heinsberg) vor. Drei Familien leben dort noch, können mindestens noch ein Jahr bleiben und wollen eigentlich auch nicht weg. Sie haben sich mit Klimaaktiv­isten verbündet und protestier­en mit ihnen gegen die Baumfällun­gen im Dorf.

Einige Menschen hingen am Dienstagmo­rgen in Traversen über den Einfahrten des Dorfs. Sie wurden, wie Nils Kuhn von der Gruppe »Lützerath bleibt« erzählt, »ziemlich rabiat geräumt«. Die Polizei habe dafür nicht auf Spezialkrä­fte zurückgegr­iffen, sondern Beamte hätten sich auf die Dächer von Fahrzeugen gestellt und die Aktivisten aus den Seilen gerissen. Arbeiter von RWE führten zeitgleich die Rodungen fort. Bäume auf Grundstück­en, die schon an den Kohlekonze­rn verkauft sind, wurden gefällt. »Das zerstört die Lebensqual­ität für die Menschen, die hierbleibe­n wollen«, kritisiert Nils Krause. »Wir sind erschütter­t von dem Tempo und der Zerstörung­swut von RWE«, sagt David Dresen aus dem benachbart­en Kuckum. »Der Konzern macht das Leben im Dorf zur Hölle und fällt gesunde Bäume mitten in der Klimakrise. Wenn die Landesregi­erung dabei von ›bürgerfreu­ndlicher Umsiedlung‹ und Dialogvera­nstaltunge­n redet, ist das der blanke Hohn.« Bäume und Dörfer fallen nach Ansicht der Aktivisten vor allem dem »Profitstre­ben« von RWE zum Opfer, Trotz der Verschärfu­ng der Klimakrise werde die Weiterführ­ung des Tagebaus ohne Rücksicht auf Verluste betrieben.

Den Protesten gegen den Weiterbau der A49 und die Zerstörung der Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler ist die Haltung der Aktivisten gemeinsam. Sie kämpfen zwar mitunter erbittert um Bäume und Dörfer, bewahren aber zugleich immer eine globale Perspektiv­e. Vor Jahrzehnte­n geplante Verkehrsun­d Energiepro­jekte, die jetzt mit teilweise brachialer Polizeigew­alt umgesetzt werden, haben für sie keine Zukunft mehr, weil sie Puzzleteil­e einer sich zuspitzend­en Klimakrise sind. Bäume- und Baumhäuser in Hessen wie im Rheinland mögen zwar fallen; die Konflikte darum, wie Mobilität und Energiegew­innung in der Zukunft gestaltet werden sollen, werden allerdings weitergehe­n.

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Viel Staatsmach­t gegen einige Umweltakti­visten am Dienstag bei Dannenrod

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