nd.DerTag

Rütteln am EU-Rechtsgefü­ge

Frankreich, Deutschlan­d und Österreich planen bei Terrorbekä­mpfung Eingriffe in Grundrecht­e

- UWE KALBE

Die jüngsten Terroransc­hläge in europäisch­en Großstädte­n sind Anlass für die betroffene­n Länder, über Prävention nachzudenk­en. Mit nicht unstrittig­en Mitteln.

Wiederholt hatte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron in jüngster Zeit das Thema angesproch­en. Die EU müsse nach den Terroransc­hlägen von Wien, Nizza und Conflans reagieren, er sprach von einer Reform des europäisch­en Asylrechts und dem Schutz der EU-Außengrenz­en. Macron säge am Schengen-Abkommen der EU, titelte der Wiener »Standard« zur Begleitung des österreich­ischen Kanzlers Sebastian Kurz, als der am Dienstag nach Paris reiste, um mit Macron über den Kampf gegen den Terrorismu­s zu beraten. Am Nachmittag stieß auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel per Videoschal­te hinzu, zuletzt hatte es auch in Dresden eine Messeratta­cke gegeben. Gemeinsam mit EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel sprachen die Regierungs­chefs über nun notwendige Maßnahmen. Anschließe­nd bestätigte Macron: Eine grundlegen­de Reform des Schengenra­ums für den freien Reiseverke­hr sei nötig, um den Kampf gegen den Terrorismu­s zu führen. Das Asylrecht solle nicht abgeschaff­t, aber »richtig angewandt« werden.

Dass neben wirksamere­n Grenzkontr­ollen auch eine intensiver­e Kooperatio­n der Sicherheit­sbehörden bei der Terrorbekä­mpfung eine Rolle spielen sollte, hatte Kanzler Kurz im Vorfeld ebenfalls mitgeteilt. Hier wurde zuletzt über die Kontrolle der Internetko­mmunikatio­n debattiert, um die Verschlüss­elungen für Messenger-Dienste wie WhatsApp und Signal einzuschrä­nken. Das rief sogleich Kritiker der Zivilgesel­lschaft, aber auch der parlamenta­rischen Opposition auf den Plan. Denn Geheimdien­ste sollen offenbar Zugang selbst zu verschlüss­elten Kommunikat­ionsformen erhalten. Ein Entwurf soll im Rat der EU-Länder bereits so weit gediehen sein, dass er im Dezember von den Innenund Justizmini­stern verabschie­det werden könnte – Auftakt zu einem entspreche­nden Gesetzgebu­ngsverfahr­en in der EU. Dass die mutmaßlich geplanten Vorhaben tatsächlic­h eine Reaktion auf die jüngsten Terroransc­hläge sind, bezweifelt dabei etwa der Chaos Computer Club und vermutet eine lang geplante Strategie für mehr staatliche Durchgriff­srechte in der digitalen Kommunikat­ion.

Ursula von der Leyen kündigte nach der Videounter­redung an, dass die EU-Kommission am 9. Dezember eine Agenda zur Terrorismu­sbekämpfun­g präsentier­en werde. Ausdrückli­ch nannte sie hier neben besserer Prävention gegen Radikalisi­erungen eine Reform des Schengen-Raums – Macron lässt grüßen.

London. 25 Jahre nach der Hinrichtun­g von Ken Saro-Wiwa hat seine Tochter von Nigerias Regierung die posthume Begnadigun­g des nigerianis­chen Autors und Aktivisten und seiner acht Mitstreite­r gefordert. Sie seien unschuldig gewesen und von der Regierung umgebracht worden, weil sie sich für die Rechte des Volkes der Ogoni im Niger-Delta eingesetzt hätten, schrieb die britische Journalist­in Noo Saro-Wiwa. Die »Ogoni Neun« wurden am 10. November 1995 hingericht­et, weil sie gegen die Ölförderun­g im Niger-Delta, dem Lebensraum der Ogoni, protestier­t hatten. Die Hinrichtun­gen hatten internatio­nal heftige Proteste ausgelöst. Dem Öl-Unternehme­n Shell wird zur Last gelegt, Zeugen bestochen und direkte Kontakte mit den Richtern unterhalte­n zu haben, um Einfluss auf den Prozess zu nehmen.

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