Fragen und Antworten zum Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus
Müssen mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffs nicht noch lange beobachtet werden?
Die bisherige klinische Prüfung war ziemlich kurz. Über eventuelle Langzeitfolgen kann bei so kurzer Laufzeit noch nichts ausgesagt werden. Beim Einsatz des mRNA-Verfahren in der Krebstherapie sind allerdings bislang keine ernsten Nebenwirkungen bekannt geworden. Und bereits in Phase II einer klinischen Prüfung muss nachgewiesen werden, dass der Impfstoff keine unmittelbaren Schäden auslöst. Da das Verfahren in einer Massenimpfung allerdings neu ist, ist eine begleitende Beobachtung zwingend notwendig. Allerdings müssen auch bei bereits bekannten Impfungen auftretende Nebenwirkungen gemeldet werden.
Wie viele Probanden braucht man in der Testphase III?
Nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) müssen mehrere zehntausend Freiwillige teilnehmen, die sich in ihrem normalen Alltag mit dem Virus infizieren könnten. Ermittelt wird das in der Regel mit zwei Gruppen, von denen eine den Covid-19Impfstoff, die andere einen Scheinimpfstoff oder anderen Impfstoff erhält. Wer was bekommt, wissen die Probanden nicht. Zusätzlich können sie in Altersgruppen unterteilt sein. Gerade für Impfstoffe ist dabei die Gruppe der über 55-Jährigen wichtig. Denn zum einen sind sie am stärksten von der Pandemie betroffen, und zum anderen ist ihr Immunsystem nicht mehr so schlagkräftig wie das von Jüngeren. Überdies sollen sie bei Verfügbarkeit eines Impfstoffs mit am ersten geimpft werden.
Nun gibt es einen Impfstoff. Können die anderen jetzt aufhören?
Nein. Noch wissen wir wegen der Kürze der Erprobung weder, wie lange bei dem Impfstoff BNT162 b2 die Immunisierung anhält, noch ist anhand der bekannten Daten sicher, wie effektiv der Impfstoff in unterschiedlichen Altersklassen oder Ethnien wirkt. Es könnte also gut sein, dass man z.B. ältere Menschen zukünftig mit einem anderen Impfstoff impft als Kinder. Gut wäre auch – mit Blick auf arme Länder in heißen Klimazonen – ein Impfstoff, der ohne aufwendige Kühlung auskommt.
Verfolgen die einzelnen Forscherteams und Unternehmen unterschiedliche Methoden?
Ja. Unter den über 200 Impfstoffprojekten gibt es sowohl den eher traditionellen Ansatz mit inaktivierten (China, Japan) oder abgeschwächten Viren (Indien) als auch den Ansatz über gentechnische Methoden. Auch dabei werden verschiedene Wege verfolgt. Zum einen gibt es bei den laufenden Projekten mehrere, die Erbmaterial für Virusbestandteile in Form des Erbmoleküls DNA verwenden, zum anderen solche die das für die Informationsübertragung genutzte Molekül RNA verwenden. Ziel ist in beiden Fällen die Produktion eines harmlosen aber charakteristischen Virusbestandteils, der das Immunsystem aktiviert. Es kommt dann im Idealfall zur Produktion von Antikörpern und zur Bildung von Killer-T-Zellen, die infizierte Zellen im Körper aufspüren und vernichten können. Beim späteren Kontakt mit dem echten Virus ist das Immunsystem dann vorbereitet und kann das Virus vernichten. Das Erbgut wird dabei entweder – wie bei Biontech und dem ebenfalls deutschen Unternehmen Curevac – in ein Lipid-Nanopartikel oder in ein vorher unschädlich gemachtes Virus – den sogenannten Vektor – verpackt. Bei manchen DNA-Impfstoffen wird die Aufnahme in Körperzellen auch durch einen kurzen lokalen und ungefährlichen Stromstoß (Elektroporation) erreicht.
Das Verfahren von Biontech basiert auf der Einführung von Virengenen. Ist das nicht gefährlich?
Eigentlich nicht. Es wird ja lediglich eine Sequenz des Erbmoleküls mRNA eingeführt. Dieses Molekül liefert für die Eiweißfabriken unserer Körperzellen den Bauplan eines bestimmten Eiweißes, in dem Falle eines von der Hülle des Virus. Es wird nur dort abgelesen und dann abgebaut. Ein Einbau in das menschliche Erbgut ist auf diesem Wege ausgeschlossen. Das auf diesem Wege produzierte Virushüllenteil enthält keine gefährlichen Komponenten des Virus.
Warum werden jetzt schon, vor Abschluss der Forschungen, massenweise Impfdosen produziert?
Um früh mit dem begehrten Mittel versorgt zu sein, schließen die EU und auch andere Länder schon jetzt Lieferverträge mit Pharmakonzernen. Kurz nach Bekanntgabe der ersten Testergebnisse von Biontech/Pfizer auch mit diesem Hersteller. Für die Impfstoffhersteller ist die Produktionsaufnahme vor der endgültigen Zulassung eine durchaus riskante Wette auf die Zukunft. Biontech, offenbar schon frühzeitig vom Erfolg des Konzepts überzeugt, geht dieses
Risiko ein. Wenn alles klappt – die provisorische Zulassung in den USA ist absehbar – kann der Hersteller schnell Geld verdienen. Auch für die Abnehmer des Impfstoffs ist es natürlich vorteilhaft, wenn sie schnell beliefert werden. Und beim russischen Sputnik-Impfstoff, von dem eigentlich längst Millionen Dosen lieferbar sein sollten, sieht man, dass Produktionskapazitäten frühzeitig bereitgestellt werden müssen.
Sind wir nun bald mit dem Virus fertig?
Wohl nicht. Erstens ist noch keiner der Impfstoffe zugelassen. Die vorgestellten Studiendaten werden nun von den Zulassungsbehörden geprüft. Und trotz frühzeitiger Produktionsaufnahme können diese Mengen den Bedarf am Anfang bei weitem nicht abdecken. Dazu kommt, dass auch die Impfung selbst dauert. In einem Thesenpapier geht Matthias Schrappe, Internist an der Uni Köln, davon aus, dass es rund tausend Arbeitstage – also vier Jahre – dauern würde, rund 60 Millionen Menschen in Deutschland zu impfen. Und das auch nur, wenn pro Tag 60 000 Impfungen verabreicht werden können. Allerdings gehen Experten davon aus, dass eine Ausbreitung des Virus sich bei einer Impfquote von über 50 Prozent deutlich bremsen ließe.