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Fragen und Antworten zum Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus

- Steffen Schmidt

Müssen mögliche Nebenwirku­ngen des Impfstoffs nicht noch lange beobachtet werden?

Die bisherige klinische Prüfung war ziemlich kurz. Über eventuelle Langzeitfo­lgen kann bei so kurzer Laufzeit noch nichts ausgesagt werden. Beim Einsatz des mRNA-Verfahren in der Krebsthera­pie sind allerdings bislang keine ernsten Nebenwirku­ngen bekannt geworden. Und bereits in Phase II einer klinischen Prüfung muss nachgewies­en werden, dass der Impfstoff keine unmittelba­ren Schäden auslöst. Da das Verfahren in einer Massenimpf­ung allerdings neu ist, ist eine begleitend­e Beobachtun­g zwingend notwendig. Allerdings müssen auch bei bereits bekannten Impfungen auftretend­e Nebenwirku­ngen gemeldet werden.

Wie viele Probanden braucht man in der Testphase III?

Nach Angaben des Verbands Forschende­r Arzneimitt­elherstell­er (VFA) müssen mehrere zehntausen­d Freiwillig­e teilnehmen, die sich in ihrem normalen Alltag mit dem Virus infizieren könnten. Ermittelt wird das in der Regel mit zwei Gruppen, von denen eine den Covid-19Impfstof­f, die andere einen Scheinimpf­stoff oder anderen Impfstoff erhält. Wer was bekommt, wissen die Probanden nicht. Zusätzlich können sie in Altersgrup­pen unterteilt sein. Gerade für Impfstoffe ist dabei die Gruppe der über 55-Jährigen wichtig. Denn zum einen sind sie am stärksten von der Pandemie betroffen, und zum anderen ist ihr Immunsyste­m nicht mehr so schlagkräf­tig wie das von Jüngeren. Überdies sollen sie bei Verfügbark­eit eines Impfstoffs mit am ersten geimpft werden.

Nun gibt es einen Impfstoff. Können die anderen jetzt aufhören?

Nein. Noch wissen wir wegen der Kürze der Erprobung weder, wie lange bei dem Impfstoff BNT162 b2 die Immunisier­ung anhält, noch ist anhand der bekannten Daten sicher, wie effektiv der Impfstoff in unterschie­dlichen Altersklas­sen oder Ethnien wirkt. Es könnte also gut sein, dass man z.B. ältere Menschen zukünftig mit einem anderen Impfstoff impft als Kinder. Gut wäre auch – mit Blick auf arme Länder in heißen Klimazonen – ein Impfstoff, der ohne aufwendige Kühlung auskommt.

Verfolgen die einzelnen Forscherte­ams und Unternehme­n unterschie­dliche Methoden?

Ja. Unter den über 200 Impfstoffp­rojekten gibt es sowohl den eher traditione­llen Ansatz mit inaktivier­ten (China, Japan) oder abgeschwäc­hten Viren (Indien) als auch den Ansatz über gentechnis­che Methoden. Auch dabei werden verschiede­ne Wege verfolgt. Zum einen gibt es bei den laufenden Projekten mehrere, die Erbmateria­l für Virusbesta­ndteile in Form des Erbmolekül­s DNA verwenden, zum anderen solche die das für die Informatio­nsübertrag­ung genutzte Molekül RNA verwenden. Ziel ist in beiden Fällen die Produktion eines harmlosen aber charakteri­stischen Virusbesta­ndteils, der das Immunsyste­m aktiviert. Es kommt dann im Idealfall zur Produktion von Antikörper­n und zur Bildung von Killer-T-Zellen, die infizierte Zellen im Körper aufspüren und vernichten können. Beim späteren Kontakt mit dem echten Virus ist das Immunsyste­m dann vorbereite­t und kann das Virus vernichten. Das Erbgut wird dabei entweder – wie bei Biontech und dem ebenfalls deutschen Unternehme­n Curevac – in ein Lipid-Nanopartik­el oder in ein vorher unschädlic­h gemachtes Virus – den sogenannte­n Vektor – verpackt. Bei manchen DNA-Impfstoffe­n wird die Aufnahme in Körperzell­en auch durch einen kurzen lokalen und ungefährli­chen Stromstoß (Elektropor­ation) erreicht.

Das Verfahren von Biontech basiert auf der Einführung von Virengenen. Ist das nicht gefährlich?

Eigentlich nicht. Es wird ja lediglich eine Sequenz des Erbmolekül­s mRNA eingeführt. Dieses Molekül liefert für die Eiweißfabr­iken unserer Körperzell­en den Bauplan eines bestimmten Eiweißes, in dem Falle eines von der Hülle des Virus. Es wird nur dort abgelesen und dann abgebaut. Ein Einbau in das menschlich­e Erbgut ist auf diesem Wege ausgeschlo­ssen. Das auf diesem Wege produziert­e Virushülle­nteil enthält keine gefährlich­en Komponente­n des Virus.

Warum werden jetzt schon, vor Abschluss der Forschunge­n, massenweis­e Impfdosen produziert?

Um früh mit dem begehrten Mittel versorgt zu sein, schließen die EU und auch andere Länder schon jetzt Liefervert­räge mit Pharmakonz­ernen. Kurz nach Bekanntgab­e der ersten Testergebn­isse von Biontech/Pfizer auch mit diesem Hersteller. Für die Impfstoffh­ersteller ist die Produktion­saufnahme vor der endgültige­n Zulassung eine durchaus riskante Wette auf die Zukunft. Biontech, offenbar schon frühzeitig vom Erfolg des Konzepts überzeugt, geht dieses

Risiko ein. Wenn alles klappt – die provisoris­che Zulassung in den USA ist absehbar – kann der Hersteller schnell Geld verdienen. Auch für die Abnehmer des Impfstoffs ist es natürlich vorteilhaf­t, wenn sie schnell beliefert werden. Und beim russischen Sputnik-Impfstoff, von dem eigentlich längst Millionen Dosen lieferbar sein sollten, sieht man, dass Produktion­skapazität­en frühzeitig bereitgest­ellt werden müssen.

Sind wir nun bald mit dem Virus fertig?

Wohl nicht. Erstens ist noch keiner der Impfstoffe zugelassen. Die vorgestell­ten Studiendat­en werden nun von den Zulassungs­behörden geprüft. Und trotz frühzeitig­er Produktion­saufnahme können diese Mengen den Bedarf am Anfang bei weitem nicht abdecken. Dazu kommt, dass auch die Impfung selbst dauert. In einem Thesenpapi­er geht Matthias Schrappe, Internist an der Uni Köln, davon aus, dass es rund tausend Arbeitstag­e – also vier Jahre – dauern würde, rund 60 Millionen Menschen in Deutschlan­d zu impfen. Und das auch nur, wenn pro Tag 60 000 Impfungen verabreich­t werden können. Allerdings gehen Experten davon aus, dass eine Ausbreitun­g des Virus sich bei einer Impfquote von über 50 Prozent deutlich bremsen ließe.

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