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An jedem dritten Tag

Die erfasste Gewalt durch Partner und Ex-Partner nimmt zu

- ULRIKE WAGENER

Laut Kriminalst­atistik Partnersch­aftsgewalt für das Jahr 2019 stieg die erfasste Zahl von Gewalttate­n erneut auf 141 792. 140 Menschen wurden vom (Ex-)Partner getötet. Das Dunkelfeld ist groß.

Fast jeden dritten Tag wird in Deutschlan­d statistisc­h eine Frau von einem Partner oder Ex-Partner getötet. Die Bilanz, die Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) und Präsident des Bundeskrim­inalamtes (BKA) Holger Münch am Dienstag zur Kriminalst­atistik Partnersch­aftsgewalt vorstellte­n, war eindeutig: »Häusliche Gewalt ist keine Privatsach­e, das sind Straftaten«, betonte die Ministerin. Dabei müsste es eigentlich Ex-Partnersch­aftsgewalt heißen, denn rund 40 Prozent der Straftaten werden von ehemaligen Partner*innen verübt. Im Berichtsja­hr 2019 wurden 140 Menschen, davon 111 Frauen und 29 Männer von ihren Partnern oder ehemaligen Partnern getötet. Insgesamt stieg die Zahl jener, die innerhalb einer (ehemaligen) Partnersch­aft zum Opfer von Mord und Totschlag, Körperverl­etzung, Vergewalti­gung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking, Freiheitsb­eraubung oder Zwangspros­titution geworden sind auf 141 792. Insgesamt bedeuten diese Zahlen einen Anstieg von etwa 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit zeichne sich, so der Präsident des Bundeskrim­inalamtes (BKA) Holger Münch, ein »kontinuier­licher Trend jährlich steigender Zahlen« ab. Doch das muss nicht zwingend mit einem Zuwachs von Gewalttate­n zusammenhä­ngen, sondern kann auch daran liegen, dass sich immer mehr Betroffene an die Polizei wenden. Trotzdem bleibt das Dunkelfeld in diesem Gewaltbere­ich hoch: »Zwischen 75 und 80 Prozent der Betroffene­n holen sich keine Hilfe«, so Giffey.

Und die Betroffene­n sind zu 81 Prozent Frauen. Etwa die Hälfte der Opfer lebte zum Zeitpunkt der Tat mit dem Täter in einem Haushalt. »Opfer, die Gewalt zuhause erleben, trauen sich oft nicht, darüber zu sprechen – aus Scham oder Angst«, so Giffey. Die Ministerin fordert deshalb einen besseren Schutz der Opfer. Sie will Eckpunkte erarbeiten für eine gesetzlich­e Regelung, die einen Rechtsansp­ruch auf Hilfe für Betroffene von häuslicher Gewalt vorsieht. Dies fordert auch der Deutsche Juristinne­nbund in einem Policy-Paper vom 4. November.

Die Ministerin lobte in der Bundespres­sekonferen­z die vier Säulen des Bundes gegen Partnersch­aftsgewalt: Das bundesweit­e Hilfetelef­on, der Initiative »Stärker als Gewalt«, der Runde Tisch gegen Gewalt an Frauen und ihr Investitio­nsprogramm zum Ausbau der Frauenhäus­er und Beratungss­tellen. Derzeit gibt es in ganz Deutschlan­d etwa 350 Frauenhäus­er und die Finanzieru­ng dieser Einrichtun­gen ist oft unzureiche­nd.

Zudem ist noch unklar, wie sich die Pandemie auf die Zahl der häuslichen Gewalttate­n auswirken wird. Münch gab an, dass sich im polizeilic­hen Hellfeld für dieses Jahr noch kein Anstieg der Delikte feststelle­n ließe. Doch nach Berichten der Frauenhäus­er, Beratungss­tellen und Hilfetelef­one ist davon auszugehen, dass häusliche Gewalt eher zunimmt. Die Ursachen für die Gewaltdeli­kte lägen, so Münch, in erster Linie in patriarcha­len Rollenbild­ern und eigenen Gewalterfa­hrungen begründet. Damit nimmt er ein Argument auf, das von Feminist*innen oft verwendet wird: Häusliche Gewalt ist ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem. Vorzubeuge­n würde auch bedeuteten, die geschlecht­erspezifis­chen Rollenzuwe­isungen des Patriarcha­ts schon früh im Bildungssy­stem zu thematisie­ren und über Sexualmyth­en aufzukläre­n.

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