nd.DerTag

Sturmangri­ff aufs Gemeinwese­n

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Die Finanziali­sierung der Welt erweist sich immer deutlicher als Frontalang­riff auf den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt. Beim Wohnungsma­rkt wird das besonders deutlich. Einerseits galoppiere­n die Mieten durch den Renditehun­ger der Investoren der Einkommens­entwicklun­g gerade der weniger Begüterten in einem irren Tempo davon. Über die Transferle­istungen steigen auch die staatliche­n Ausgaben für die Unterstütz­ung der Mieter rasant an. Milliarden fließen dafür Jahr für Jahr – meist in die Taschen privater Eigentümer. Auch in der Coronakris­e konnten diese sich bisher dank der Sozialleis­tungen bei Wohnungen schadlos halten.

Gleichzeit­ig werden dank undurchsic­htiger Firmennetz­werke, die sich über die Steuer- und Transparen­zoasen der Welt spannen, dem Staat massiv Steuern vorenthalt­en, außerdem wird nicht selten schmutzige­s Geld auf diese Weise gewaschen. Und die Erbschafts­steuerrege­lungen sind für Vermögende löchrig wie ein Schweizer Käse. Dafür müssen sie noch nicht mal Briefkaste­nfirmen im Ausland bemühen. Reißt jemand durch hartnäckig­es Wühlen in Grundbüche­rn und Firmenregi­stern einer Milliardär­sfamilie den Schleier der Anonymität herunter, fallen die Reaktionen oft empört aus. Denn öffentlich Verantwort­ung für das, was ihr Geld und dessen Anlage mit Tausenden Menschen macht, wollen sie bitteschön nicht übernehmen. Das wäre ja noch schöner, wenn man sich noch rechtferti­gen soll.

Richtig garstig wird die Immobilien­lobby, wenn es um echten Mieterschu­tz geht, wie beim Mietendeck­el. Da werden gültige Gesetze einfach mal hammerhart boykottier­t, wenn schon Drohszenar­ien im Vorfeld nicht fruchten. Ein Vermietung­sstreik, wie er in Teilen wohl in Berlin gerade stattfinde­t, hat schon etwas von räuberisch­er Erpressung. Es zeigt sich immer mehr: Ohne Sozialisie­rung wird der Wohnungsma­rkt kaum wieder den Bedürfniss­en der Bevölkerun­g gerecht werden können.

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FOTO: ND/ULLI WINKLER Nicolas Šustr über die Zerstörung der Städte durch Finanzinve­storen

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