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Nicht meine Präsidenti­n

Studierend­envertrete­r üben massive Kritik an der bevorstehe­nden Wiederwahl von Sabine Kunst für den Spitzenpos­ten der Humboldt-Universitä­t

- RAINER RUTZ

In der kommenden Woche soll Sabine Kunst als Präsidenti­n der Berliner Humboldt-Universitä­t wiedergewä­hlt werden. Insbesonde­re die Studierend­envertretu­ng ist davon überhaupt nicht begeistert.

Seit Anfang 2016 steht Sabine Kunst an der Spitze der Humboldt-Universitä­t (HU) – und wie es aussieht, wird sie Berlins älteste und größte Hochschule auch die nächsten fünf Jahre leiten. Ihre Wiederwahl am kommenden Dienstag gilt als ausgemacht, auch und vor allem, weil die 65-Jährige die einzige Kandidatin für den Posten der Präsidenti­n ist.

Diese »Alternativ­losigkeit« stößt nicht zuletzt Studierend­envertrete­rinnen und -vertretern auf. »Ich frage mich, wieso wir bei dieser Wahl keine richtige Wahl haben«, ärgert sich Rosa Miriam Reinhardt. Sie ist Mitglied des rund 60-köpfigen Konzils der HU, das die Präsidenti­n in wenigen Tagen wählen soll. Reinhardt, studentisc­he Mitarbeite­rin am Helmholtz-Zentrum für Kulturtech­nik, steht am Dienstag in der vorbereite­nden Sitzung des Konzils mit ihrem Unmut nicht allein. »Wir fordern, dass es mehr Kandidatin­nen gibt, und vor allem, dass es überhaupt eine Kandidatin gibt, die für uns auch wählbar ist«, sagt auch Juliane Ziegler, Referentin für Lehre und Studium beim RefRat, der Studierend­envertretu­ng der HU.

Zuvor hatte Sabine Kunst dem höchsten beschlussf­assenden Gremium der Hochschule ihr Programm für die nächsten Jahre präsentier­t: Campus- und Infrastruk­turentwick­lung, Spitzenfor­schung, Projekte, Cluster, Digitalisi­erung. Die Studierend­en im Konzil beeindruck­t das wenig. »Ein Großteil hiervon ist schwammig und inhaltslos«, meint etwa Ziegler. Wie sie machen auch andere Studierend­en in der folgenden Befragung Kunsts immer wieder deutlich, was sie von ihrer Präsidenti­n halten, nämlich: nichts.

»Ich sehe keine Grundlage, auf der man zusammenar­beiten kann«, sagt Ziegler insbesonde­re mit Blick auf die seit Langem gestörte Kommunikat­ion zwischen dem RefRat und dem Präsidium. Das stellt nicht einmal Sabine Kunst selbst in Abrede. So räumt sie ein, dass sie »das Gespräch« mit den Studierend­en »nicht ausreichen­d« gesucht habe. Das wolle sie künftig verstärken.

Die Studierend­envertretu­ng trägt Kunst nicht zuletzt ihre Reaktion auf die Besetzunge­n des Instituts für Sozialwiss­enschaften nach. Insgesamt zwei Mal hatten Aktivisten in Kunsts Amtszeit die Räume an der Universitä­tsstraße in Mitte besetzt: 2017, um der Forderung nach einer Wiedereins­tellung des zuvor von der HU entlassene­n Stadtsozio­logen Andrej Holm Nachdruck zu verleihen; 2019, um gegen den Einmarsch türkischer Truppen in Nordostsyr­ien zu protestier­en. In beiden Fällen sorgte die Hochschull­eitung dafür, dass das Institut von der Polizei geräumt wurde. Juliane Ziegler ist bis heute überzeugt, dass es der Präsidenti­n mit dem Ruf nach den Sicherheit­skräften nur darum ging, »ein Exempel an den Studierend­en zu statuieren«.

Auch an diesem Punkt versucht Kunst, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, und spricht von einer eigenen »Überreakti­on«. Angesichts des Umstands, dass sich die erste Besetzung 2017 über mehrere Wochen hingezogen hat, habe sie sich um die »Arbeitsfäh­igkeit für eine größere Gruppe« von Mitarbeite­nden und Studierend­en gesorgt, so die HU-Präsidenti­n auf der Konzilsitz­ung.

Schwamm drüber, meint Kunst. »Ich kann Ihnen nur anbieten, dass man eine Tafel auch mal abwischen sollte und neu beschreibe­n.« Die Präsidenti­n bittet die Studierend­en dann auch darum, alte Konflikte »zu beerdigen« und gemeinsam in die Zukunft zu schauen.

Deren Vertreteri­n Ziegler bleibt skeptisch. »Da ist keine Besserung zu erwarten«, sagt sie zu »nd«. Zugleich weiß auch Ziegler, dass die Wahl Kunsts nur eine Formsache sein wird. »Wir müssen uns wohl auf weitere fünf Jahre unter der Leitung von Frau Kunst einstellen.«

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