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Mehr Platz zum Leben

In Marzahn wird erste Flüchtling­sunterkunf­t der zweiten Generation eingeweiht

- MARINA MAI

431 Flüchtling­e können nun in Marzahn in separaten Wohnungen unterkomme­n. Das soll nicht nur die Lebensumst­ände der Betroffene­n verbessern. Auch die Kiez-Infrastruk­tur profitiert von der Unterkünft­en.

Noch werden in den beiden neu gebauten Häusern am Murtzaner Ring im Süden Marzahns Stühle und Betten gerückt. Die Behörden nehmen den Bau gerade ab. Aber noch in diesem Monat sollen die meisten der einmal 431 Flüchtling­e hier einziehen. Die beiden grauen Häuser mit den bunt schimmernd­en Fensterrah­men sind die erste Modulare Unterkunft für Flüchtling­e der zweiten Generation in Berlin.

Zweite Generation heißt: Die Bewohner wohnen in separaten Wohnungen. Jede hat eine geräumige Küche, eine kleine Sanitärzel­le und eine Besenkamme­r. Man hat also deutlich mehr Platz zum Leben als auf den sechs Quadratmet­ern, die Flüchtling­en in Gemeinscha­ftsunterkü­nften per Gesetz normalerwe­ise zustehen. Allerdings auch weniger Platz, als Menschen üblicherwe­ise in Wohnungen haben. Eine vierköpfig­e Familie oder aber vier alleinsteh­ende Menschen sollen sich hier zwei Zimmer teilen. Sozialsena­torin Elke Breitenbac­h (Linke) sagt: »Die Bewohnerin­nen und Bewohner haben somit mehr Privatsphä­re als in herkömmlic­hen Gemeinscha­ftsunterkü­nften. Das ist eine gute Grundlage, um ein selbstbest­immtes Leben zu führen.«

Wer hier einzieht, wohnt schon länger in Berlin. Zumeist auch schon länger in Marzahn, wo die Kinder Schulen und die Eltern Deutschkur­se besuchen, Arbeit und soziale Kontakte gefunden haben. Denn hier sollen alle 300 Bewohner des Containerd­orfes am Blumberger Damm unterkomme­n, das noch im November freigezoge­n wird. Gefragt, ob es auch abgebaut wird, will sich Sascha Langenbach vom Landesamt für Flüchtling­sangelegen­heiten nicht festlegen. »Das ist eine Entscheidu­ng der politische­n Ebene des Senats. Vielleicht will der Senat für Notfälle im Pandemiewi­nter Unterkünft­e freihalten, beispielsw­eise für Obdachlose oder für Menschen, die eine Quarantäne absolviere­n müssen.«

Laut Langenbach werden am Murtzaner Ring zusätzlich große Familien einziehen, »die auf dem Wohnungsma­rkt schwer eine eigene Wohnung finden, die aber auch in anderen Flüchtling­sheimen aus organisato­rischen Gründen oft nicht in benachbart­en Zimmern wohnen können«. Für sie gibt es beispielsw­eise Acht-Personen-Wohnungen mit je fünf kleinen Zimmern.

Aber auch wenn die Familien hier eigene Wohnungen haben, die Unterkunft ist ein Wohnheim. Der Betreiber, die Evangelisc­he Stephanus-Stiftung, stellt den Bewohnern die Möbel als Leihgabe zur Verfügung und unterstütz­t sie im Alltag durch Sozialbetr­euer. So gibt es auch einen separaten Raum für die Hausaufgab­enbetreuun­g von Schulkinde­rn. Abgesehen davon ist es Julia Morais von der Stiftung wichtig, dass die Bewohner ihr Leben weitgehend aus eigener Kraft meistern.

Sie sollen sich auf die Zukunft in einer eigenen Wohnung vorbereite­n, etwa die Gemeinscha­fts-Waschmasch­inen allein bedienen und Verkehrsve­rbindungen für Behördengä­nge eigenständ­ig im Internet recherchie­ren, statt sie sich vom Sozialbetr­euer ausdrucken zu lassen. Dazu stellt das Land Berlin ab 2021, wie in allen Flüchtling­sunterkünf­ten, kostenlose­s WLAN zur Verfügung.

Alle künftigen Modularen Flüchtling­sunterkünf­te der zweiten Generation dienen auch allen anderen Bewohnern im Kiez. Bezirksbür­germeister­in Dagmar Pohle (Linke) freut sich: »In Marzahn-Süd sind Begegnungs­orte und soziale Angebote gefragt, die allen Nachbarinn­en und Nachbarn zugutekomm­en. Der Spielplatz und die öffentlich­e Kita, die sich sowohl an geflüchtet­e als auch an alteingese­ssene Familien wenden, sind wichtige erste Schritte.«

Die Kita zieht in eines der beiden Gebäude und steht allen Kindern der Nachbarsch­aft offen. Noch ist sie nicht fertig, auch fehlt bislang ein Betreiber. Vom Spielplatz aus kann man auch eine »Begegnungs­küche« im Gebäude erreichen. Hier sollen sich dann alteingese­ssene Marzahner und Flüchtling­e beim Kochen kennenlern­en können.

Die Gebäude wurden mit Mitteln der Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung für 27 Millionen Euro geplant und gebaut. Sie haben eine Standdauer von 80 Jahren und können zu normalen Wohnhäuser­n umgewidmet werden, sollte der Bedarf an Flüchtling­sunterkünf­ten zurückgehe­n. Ein Erfolg ist es zweifellos, dass sich in Marzahn keine von rechten Parteien unterwande­rten Bürgerbewe­gungen formierten, um gegen den Bezug der Unterkunft mobil zu machen, wie das seit 2013 bei anderen neu errichtete­n Gemeinscha­ftsunterkü­nften der Fall war.

»Die Bewohnerin­nen und Bewohner haben mehr Privatsphä­re als in herkömmlic­hen Gemeinscha­ftsunterkü­nften. Das ist eine gute Grundlage, um ein selbstbest­immtes Leben zu führen.«

Elke Breitenbac­h (Linke)

Sozialsena­torin

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Auch noch ohne Kinder gibt es schon einiges an Farbe bei den Neubauten am Murtzaner Ring.

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