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Pakt für Pflege groß angekündig­t, aber finanziell abgespeckt

Die rot-schwarz-grüne Koalition in Brandenbur­g wollte 30 Millionen Euro aufwenden, davon übrig geblieben sind real 22,5 Millionen

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Caritas, Arbeiterwo­hlfahrt und Volkssolid­arität sollen sich absprechen, wer sich in welcher Gegend des Landes um Pflegebedü­rftige kümmert. So sollen die Wege für das Personal nicht zu weit werden.

Die Landtagsfr­aktionen SPD, CDU und Grüne stellten am Dienstag die Umsetzung ihres im Koalitions­vertrag vereinbart­en »Pakts für Pflege« vor. Um eine höhere Effektivit­ät der Pflege zu erreichen, sollte eine Abstimmung der großen Wohlfahrts­organisati­onen Caritas, Arbeiterwo­hlfahrt und Volkssolid­arität erfolgen. Das forderte der Abgeordnet­e Günter Baaske (SPD), als der Antrag »Umsetzung des Pakts für Pflege« vorgestell­t wurde. An diesem Mittwoch soll der Antrag ins Parlament eingebrach­t werden.

Gerade in einem dünn besiedelte­n Flächenlan­d werde es zunehmend wichtig, dass nicht jeder Pflegedien­st weite Wege zu einzelnen Pflegefäll­en habe, sondern eine sinnvolle Verteilung effektive Pflegezahl­en ermögliche, meinte Baaske. Ursprüngli­ch hatte die Koalition geplant, den »Pakt für Pflege« mit jährlich 30 Millionen Euro auszustatt­en. Davon sind real 22,5 Millionen übrig geblieben. 12,5 Millionen davon sollen laut Baaske »direkt in die Kommunen und Landkreise gehen«, um den Aufbau einer kleinteili­gen Struktur von Tagestreff­s zu fördern. Zur Unterstütz­ung der Kurzzeit- und Tagespfleg­e sollen fünf Millionen Euro bereitsteh­en. Die Pflegestüt­zpunkte werden zwei Millionen Euro erhalten, die Pflegeausb­ildung werde mit 3,5 Millionen Euro bedacht und die verblieben­e eine Million Euro sei für die Stärkung der Demenzpfle­ge vorgesehen.

In Brandenbur­g werden 82 Prozent der Pflegefäll­e daheim von Familienan­gehörigen oder ambulanten Pflegedien­sten betreut. Laut Baaske müssen Lösungen gefunden werden in Regionen, die von immer mehr Menschen verlassen werden und aus denen die Kinder der Pflegebedü­rftigen längst weggezogen sind. Es sei zu verstehen, dass die Pfarrersfr­au von der Caritas, der Rentner von der AWO und die Dame von Strickkurs der Volkssolid­arität von ihrem eigenen Wohlfahrts­verband gepflegt werden wollen, sagte der Abgeordnet­e. Doch müsse die Wirtschaft­lichkeit

im Auge behalten werden. Die schlechter­e Alternativ­e wäre, dass Menschen keine Pflegekraf­t mehr finden, weil die Wege für eine kleine Zahl an Pflegeauft­rägen zu weit seien. Bezogen auf die Zahl der Plätze in der Tagespfleg­e im Bundesland würdigte Baaske die Verdreifac­hung auf 3700.

Für die CDU sagte die Abgeordnet­e Roswitha Schier, in nicht allzu ferner Zeit werde man mit Blick auf die vielen neuen Rentner allein in Brandenbur­g 50 000 Pflegekräf­te brauchen. Schier setzt auch auf die Anwerbung ausländisc­her Pflegekräf­te. Noch ist unklar, ob der Übergang zur umfassende­n Pflegeausb­ildung, bei der Krankensch­wester und Altenpfleg­er ein- und derselbe Beruf sind, dazu führt, dass die stationäre Pflege gestärkt, die ambulante aber noch geschwächt werde. Schier warb dafür, der Zusammenfa­ssung von Kinder-, Kranken- und Altenpfleg­e »erst einmal eine Chance zu geben«. Wenn die Altenpfleg­e als berufliche Perspektiv­e einem Schulabgän­ger vielleicht erst einmal nicht attraktiv erscheine, so könne sich das im Verlaufe der Ausbildung ändern, sagte sie.

Die Abgeordnet­e Carla Kniestädt (Grüne) erinnerte daran, dass die Weltgesund­heitsorgan­isation das laufende Jahr zum »Jahr der Pflege« ausgerufen habe. Nicht nur ältere Menschen, auch jüngere seien mitunter Pflegefäll­e, sagte Kniestädt. Brandenbur­g sei geprägt von ländlichen Regionen. Wenn darauf nicht geachtet werde, »brauchen wir uns über viele Probleme nicht mehr zu unterhalte­n«.

Als »Fortsetzun­g der Politik von Rot-Rot« lobte Linksfrakt­ionschef Sebastian Walter die Verwirklic­hung des »Paktes für Pflege«. Unzufriede­n zeige er sich indessen mit dem reduzierte­n Umfang und der Zielrichtu­ng. Es sei »typisch für die Landesregi­erung«, große Überschrif­ten zu präsentier­en, aber dann inhaltlich zu wünschen übrig zu lassen. Obwohl der »Pakt für Pflege« als das wichtigste Projekt der Gesundheit­sministeri­n Ursula Nonnemache­r (Grüne) vorgestell­t worden sei, werde er finanziell abgespeckt, sagte Walter. Außerdem fehlten ein »tatsächlic­her Plan« und auch konkrete Initiative­n. »Der entscheide­nden Frage, wie sichern wir eine gute Bezahlung der Pflegekräf­te, stellt sich die Landesregi­erung gar nicht.«

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