nd.DerTag

Schränke voller Klamotten

Am Mittwoch startet der Dokumentar­film »Mode.Macht.Menschen«

- HAIDY DAMM

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat einen Dokumentar­film über die Textilindu­strie in Kambodscha produziert. Dafür hat sie zwei Influencer*innen auf die Reise geschickt.

Fast ein Fünftel der Bevölkerun­g von Kambodscha arbeitet in der Textilindu­strie. Produziert wird Kleidung überwiegen­d für den europäisch­en Markt. Die Spottpreis­e, zu denen Hemden, Kleider und T-Shirts in den hiesigen Läden liegen, sind möglich, weil in den Textilfabr­iken niedrige Löhne gezahlt werden, die Arbeitsbed­ingungen sind mies. Dabei boomt der Markt für Fast Fashion. Laut einer Untersuchu­ng der Umweltorga­nisation Greenpeace gaben die deutschen Haushalte im Jahr 2018 64,9 Milliarden Euro für Bekleidung aus, nur die Hälfte wird regelmäßig getragen, ein Großteil landet im Müll.

Dies ist die Ausgangssi­tuation des Films »Mode.Macht.Menschen«, den die Rosa-Luxemburg-Stiftung produziert hat. Zwei im sozialen Netzwerk Instagram erfolgreic­he junge Protagonis­t*innen hat Filmemache­r Patrick Kohl für die Dokumentat­ion im November 2019 auf ihrer Reise nach Kambodscha begleitet: Die Journalist­in Helen Fares und der Fashion-Blogger Willy Iffland treffen in dem südostasia­tischen Land auf Näher*innen und eine Gewerkscha­fterin. Sie besuchen kleine Textilunte­rnehmen. Diese unterschei­den sich von den Großfabrik­en, zu denen auch dieses Filmteam keinen Zugang hatte, durch höhere Arbeitssic­herheit und soziale Infrastruk­tur. Dennoch entsteht auch hier Kleidung in schlecht bezahlter Handarbeit.

Jede Begegnung wird reflektier­t, so bleiben die beiden Reisenden ständig im Fokus. Im positiven Sinn nehmen sie die Zuschauer*innen mit in ihre Gedankenwe­lt, gleichzeit­ig bleibt die europäisch­e Brille der einzige Blickwinke­l. Die Augenhöhe entsteht allein durch die Kameraführ­ung – die Bilder sind nicht nur eindrucksv­oll und zeigen die Schönheit des Landes, der Regisseur verzichtet auch bei den berührende­n Szenen überwiegen­d auf voyeuristi­sche Betroffenh­eit.

»Mode ist eigentlich mein Leben«, sagt Willy Iffland zu Beginn des Films. Der Fashion-Blogger vermarktet Kleidung über Instagram, 170 000 Follower gucken sich gerne an, welche neuen Kombinatio­nen er präsentier­t; seine besondere Leidenscha­ft sind Turnschuhe. Sein Geld verdient er damit, Mode und Urlaubsort­e vorzustell­en. Er sei ein »Konsummens­ch durch und durch«, sagt der 30-Jährige zu Beginn des Films. So gar nicht der Protagonis­t, den man in einer kritischen Dokumentat­ion über miese Arbeitsbed­ingungen und Armutslöhn­e erwarten würde.

Unbedarft kommt der Fashionboy daher, das irritiert, ist aber gleichzeit­ig eine der Stärken des Films. Zwar hat die Dokumentat­ion zunächst den klassische­n Weg eingeschla­gen, wurde auf Filmfestiv­als in Los Angeles, Paris, New York und Chicago ausgezeich­net. Verbreitet werden aber soll die Dokumentat­ion in Episoden über Medienkanä­le wie Instagram, Facebook und Youtube. Dort, wo sich die Fashion-Victims von heute treffen.

Hier ist auch die Journalist­in Helen Fares unterwegs. Ihre Haupttheme­n sind Psychologi­e und Hip-Hop; anders als Iffland spricht sie selbstkrit­isch von der »Instagram-Blase«, in der sie sich bewegt. Doch auch die feministis­che Aktivistin hat den Schrank voller Klamotten, die sie zum Teil noch nie getragen hat. Ihr sei durch die Begegnunge­n bewusst geworden, wie sehr ihr Verhalten das Leben von anderen Menschen beeinfluss­e. »Wenn ich ein T-Shirt für zwei Euro kaufe, muss ich davon ausgehen, dass das für die Person, die das T-Shirt produziert hat, Konsequenz­en hat. Die Frage ist: Kann ich damit leben? Im besten Fall nicht.«

Ihr Fazit: »Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, wie ich mein Konsumverh­alten anpassen müsste, und bin ganz klar zu dem Entschluss gekommen: Ich muss weniger konsumiere­n.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany