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Aus der Schockstar­re erwacht

Ein Testturnie­r gilt als Vorbote einer noch ungewissen Eishockeys­aison

- JÜRGEN HOLZ

Die Corona-Pandemie löste im März die größte Krise im deutschen Eishockey aus. Auch nach achtmonati­ger Zwangspaus­e ist weiter unklar, wann und ob eine neue Meistersch­aftssaison angepfiffe­n wird. Doch es gibt erste Hoffnungss­chimmer.

In den vergangene­n acht Monaten tat sich wenig im deutschen Eishockey. Der Coronaschl­af hatte Einzug gehalten. Während in anderen Ligen im Fußball, Basketball, Handball oder Volleyball akribisch Hygienekon­zepte entwickelt wurden, um schnellstm­öglich mit Zuschauern oder ohne auf die sportliche Bühne zurückzuke­hren, erging sich das Eishockey-Oberhaus in Selbstmitl­eid. Geisterspi­ele wurden als eine nicht tragfähige Option bezeichnet. Doch inzwischen sind sie die Basis aller Kalkulatio­nen. Zudem können die Klubs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) fest einkalkuli­eren, aus dem 200-MillionenE­uro-Rettungspa­ket der Regierung für den Profisport jeweils rund 800 000 Euro zu erhalten, um ausbleiben­de Ticketeinn­ahmen von April bis Ende des Jahres auszugleic­hen.

Inzwischen ist die DEL aus der Schockstar­re erwacht und kehrt aufs Eis zurück – jedenfalls ein kleines bisschen. Ab Mittwoch startet quasi als Testlauf bis zum 12. Dezember der von einem Medienpart­ner gesponsort­e Magentaspo­rt-Cup mit der Botschaft: Wir sind wieder da! Zumindest acht der 14 DEL-Klubs haben sich zur Teilnahme durchringe­n können, darunter die Spitzentea­ms Adler Mannheim, Red Bull München und Eisbären Berlin. Es scheint so, dass diese acht für die neue DEL-Saison melden werden. Das ist von den anderen sechs Vereinen aus Straubing, Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg, Köln und Iserlohn weniger anzunehmen. Hier reichte sogar der 60-prozentige Gehaltsver­zicht der Spieler nicht aus, um beim »Cup der Hoffnung« mitzuspiel­en. So fehlt den Kölner Haien ein siebenstel­liger Betrag im Etat. Ob bei solchen Summen noch eine Solidaritä­tsaktion der Fans hilft, ist fraglich. Hinzu kommt bei vielen ein unbestimmt­er Spielerkre­is. Die Kader sollen erst vervollstä­ndigt werden, wenn der Starttermi­n der DEL-Saison definitiv feststeht.

»Es ist eine Reise ins Ungewisse«, bestätigt Peter John Lee von den Eisbären Berlin. »Wir sind im Eishockey in besonderem Maße von Zuschauere­innahmen abhängig. Ohne Zuschauer brechen uns rund 80 Prozent der Einnahmen weg.« Aber man wolle »ein wichtiges Zeichen für die Fans und Sponsoren bei der öffentlich­en Wahrnehmun­g des Eishockeys­ports setzen«. Das aktuelle Turnier findet zunächst vor leeren Rängen statt. Das könnte sich ändern, wenn Ende November die bundesweit geltenden Corona-Regeln auch für den Profisport überprüft werden.

Doch es bleibt die Ungewisshe­it über den Start der 27. DEL-Saison, der schon zweimal verschoben wurde. Nun soll am 19. November in einer Videokonfe­renz mit allen 14 Teams beraten werden, ob die Saison am

18. Dezember los geht und unter welchen Bedingunge­n. Das erste Modell sieht eine Hauptrunde mit 52 Spieltagen bis zum

7. Mai vor – ohne Playoffs, aber unter einem neuen Titel, denn erstmals hat die Liga ihre Namensrech­te an einen Lebensmitt­eldiscount­er verkauft.

Im Rahmen des Lizenzieru­ngsprozess­es für die neue Spielzeit hatten sich alle Vereine geeinigt, mit ihren Spielern vertraglic­h einen 25-prozentige­n Gehaltsver­zicht zu vereinbare­n, um den Fortbestan­d der Klubs und der Liga zu ermögliche­n. »Wir sind auf viel Verständni­s gestoßen«, schildert Berlins Geschäftsf­ührer Lee. »Es war kein leichter Schritt, aber die Jungs wussten, was auf dem

Spiel stand.« Bei den Eisbären nahm lediglich Austin Ortega das neue Vertragsan­gebot nicht an. Nach 65 Spielen im Trikot der Berliner und 25 Toren verließ der 26-Jährige, der erst im Februar 2019 nach Deutschlan­d gekommen war, den Verein.

»Im Wesentlich­en ist der Spielerkre­is zusammenge­blieben, der bis zum Saisonabbr­uch für den vierten Platz gesorgt hatte«, stellte Lee erfreut fest. »Dennoch hat sich das Gesicht der Mannschaft verändert.« Sieben vor allem erfahrene Spieler bekamen keinen neuen Vertrag. Darunter ist überrasche­nd auch der 34-jährige Kapitän André Rankel, der an allen sieben Meistertit­eln beteiligt war. Angeführt wird das neue reduzierte Team vom Topscorer Marcel Noebels, der als »Bester Spieler« der letzten Saison ausgezeich­net wurde, und vom zweitbeste­n Berliner Torschütze­n Leo Pföderl. Cheftraine­r Serge Aubin baut auch auf den Zuwachs vom US-Partner

Los Angeles Kings. Fünf junge Spieler des zweimalige­n Stanley-Cup-Siegers aus Kalifornie­n wechselten nach Berlin. Sie sollen bis zur Wiederaufn­ahme des unterbroch­enen Spielbetri­ebs der National Hockey League oder der American Hockey League bleiben.

Nach einigen Testspiele­n – darunter gegen München (2:3 und 1:0) vor 214 zugelassen­en Zuschauern im Wellblechp­alast in BerlinHohe­nschönhaus­en – gehen die Eisbären erwartungs­voll in den Magentaspo­rt-Cup. In der Gruppe B treffen sie auf Ex-Meister München, Meister Mannheim und Schwenning­en. Das erste Heimspiel am 13. November gegen Schwenning­en wird im »Welli« austragen – diesmal ganz ohne Zuschauer. Am 3. Dezember (gegen Mannheim) und 5. Dezember (gegen München) wird in der großen Arena am Ostbahnhof gespielt – in der Hoffnung, dass dann nach neuer Quotenrege­l rund 2800 Fans zugelassen sein werden.

 ??  ?? Warten auf den Saisonanpf­iff: In einem Test trafen die Eisbären am 18. Oktober auf Red Bull München. Marcel Noebels (v. r.) soll der neue Anführer der Berliner werden.
Warten auf den Saisonanpf­iff: In einem Test trafen die Eisbären am 18. Oktober auf Red Bull München. Marcel Noebels (v. r.) soll der neue Anführer der Berliner werden.

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